Sprache erfüllt eine Verweisfunktion , d.h. sie verweist immer auf anderes. Schon die Poetik des Aristoteles thematisierte in der mimesis diesen Verweischarakter (Höffe 1981b:89). Ihn hat später Ockham weiter entwickelt: Er versteht den Begriff als ein Etwas in der Seele, das natürlicherweise etwas anderes bedeutet, als wofür es im Satz stehen kann (Imbach 1981a:238f). In diesem bestimmten Sinne sprechen wir schon immer HTML: Hyper Text Language [1]).
„There can always be a further text." (Fox 1995a)
Jedes Zeichen stellt semantisch eine Relation dar, und ist nicht einfach ein nicht weiter differenzierbares Merkmal, d.h. ein einstelliges Prädikat (Wein 1961a). Fox (1995a) spricht die analoge Problematik der Beziehungen zwischen Texten als „intertextuality" an. Wer die Welt aber immer nur in einer Sprache kennen lernt, verfällt insgeheim leicht dem natürlichen Dogmatismus einer jeden natürlichen Sprache: dann ist Sprache die Welt der Objekte. Die Relativität der sprachlichen Bedeutungen tritt in den Hintergrund: Das Wort ist das Objekt. Dann ist der Schritt nur noch einfach, anzunehmen, dass Wort und Bedeutung identisch seien, also zu glauben, dass die Frage nach der richtigen Bedeutung eines Wortes eine durchaus sinnvolle sei.
In diesem Sinne sagt Dykes (o. J.:03): "Dies ist ein Feigenbaum." [2]) Also wachsen daran nächsten Sommer Feigen! Darauf beruht der Grundgedanke des aristotelischen Erkenntnisprogramms, der immer noch stark im heutigen gesunden Menschenverstand und alltäglichen Sprachgebrauch verankert ist: dass das letzte Erkenntnisziel die richtige Definition der Dinge sei. Wenn ich einen Feigenbaum richtig definiert habe, dann kenne ich seine Natur, d.h. ich weiß ich unter anderem, was ich von ihm (z.B. an Früchten) zu gewärtigen habe. Was könnte ich über die Natur eines Dinges hinaus definitiv noch mehr wissen?!
Popper verquickt völlig unnötig und verwirrend mit dieser Problematik das besondere Problem einer Definitionslehre. Er hätte aber schon bei Platon und Aristoteles, wenn nicht späterhin bei Hegel und Marx sehen können, dass die Fragen:
Wie definiere ich sinnvoller Weise?
Was ist eine Definition im logischen Verstande?
mit der Frage des Wesens nichts unmittelbar zu tun haben und in jedem Fall gesondert zu betrachten sind. Einzig Aristoteles stellt einen expliziten Zusammenhang her durch seine besondere Metaphysik. Wie schon von Schelling (5) in seiner historisch-kritischen Einführung in die Philosophie der Mythologie angedeutet, kann man in der Wesenslehre eine Verbindung herstellen zwischen der mythologischen Anschauungsweise, die hinter jedem Ding einen Gott oder Dämon am Werke glaubt, und der begriffslogischen, die das wirksame Prinzip einer jeden Sache darzustellen sucht. Die Magie des Namenszaubers (Zucker 1948a:38) feiert im Informationszeitalter fröhliche Urständ in Form des EDV-Befehls und insbesondere des pass-word: Wie sage ich es meinem Computer? Aber schon bei Aristoteles muss man die beiden soeben gestellten Fragen auseinanderhalten. Wie Hägler (1994a:50) nachweist, ist bereits innerhalb der logischen Theorie der Identität die Frage nach den formalen Bedingungen der Identität zu trennen von der Frage nach den jeweiligen Kriterien der Überprüfung von Identitätsbehauptungen bzw. des Fürwahrhaltens derselben.
[1]) Nelson (1999a) bemängelt als einen schwerwiegenden Geburtsfehler von HTML, dass dessen einseitige Verweisungsstruktur nur hin- und nicht zurückverweist.
[2]) Die vergleichbare Frage stellt sich für die Dattelpalme:
"Es liegt große Freude darin, Nathanael, schon einfach zu behaupten:
Die Frucht der Palme nennt sich Dattel und ist eine köstliche Speise.
Der Wein der Palme nennt sich Lagmy und ist ihr gegorener Saft;
Einen Becher Lagmy bot mir der kabylische Hirte in den schönen Gärten von Ouardi." (Gide 1974a:35)
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