Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

property rights - die ungeliebte Kontroverse


„Capitalism is first and foremost a legal system. It requires laws that protect property rights." (Yardeni 1997#35:13f)

„Of course, nothing in this analysis of society justifies the conclusion that there ought to be private property or not." (Morgenstern 1964a:574)

„I think that the first and principal concept in the ideology of enslavement and exploitation has been since antiquity the concept of right. Some men gave them­selves the right to own and manipulate some other men. The slave owners from antiquity until the fairly recent abolition of slavery in the 19th and 20th cen­tu­ries did not actually deny their slaves their rights, but they simply did not con­sider the concept of right to be applicable to them at all. Slaves were conceived of as merely objects or some kind of creatures." (Samir 1998a)

„Wahrscheinlich ist kaum jemand je imstande, rational zu rechtfertigen, war­um Institutionen, wie die des Privateigentums, für die Gesellschaft besser sind als sie sind. Dies ist eine der Auf­gaben, die der Nationalökonomie gestellt sind, die sie aber bisher nur sehr unvollkommen er­füllt hat. Wir sind immer noch in der Situation, dass wir von Moralregeln leben, die sozusa­gen nur deshalb wie­terbestehen, weil es für die große Mehrheit der Menschen übernatürliche Recht­fertigungen gibt." (Hayek 1983a)

Das Naturrecht ist unhaltbar. Deshalb werden übernatürliche Rechtfertigungen, d.h. eine Art von ökono­mi­schen Gottesbeweisen, benötigt. Privateigentum ist nicht einfach gut, sondern bes­ser. So lehrt der Nobelpreisträger. Denn es ist das allgemein anerkannte Vor­recht von Würden- wie Nobelpreisträgern, uns das „Her­kömmliche Konzept“ [1]) (Galbraith 1970a:37) zu verkün­den. Also ist erschie­nen Ha­yek, Prophet der Neoliberalen und Anti-Intellek­tueller [2]), und offenbart uns:

„Die Religionen haben uns tatsächlich gelehrt, mit übernatürlichen Begrün­dun­gen eine Moral für unsere Zivilisation aufzubauen, die aber der rationale Geist nicht rechtfertigen konnte. In moderner Zeit hat dies sogar dazu geführt - und ich glaube hier nicht zu übertreiben -, dass ge­rade die Intellektuellen, die gerne alles, was wir tun, rational rechtfertigen wollen, die mo­ra­li­sche Tradition, die hauptsächlich eben die Tradition des Privateigentums und der Familie war, auf Grundlage oder mit der Begründung jenes kar­tesianischen Rationalismus in Frage stellten.“ (Hayek 1983a)

Mit dem Verstoß gegen die Religion wurde selbst einem Sokrates die Unvernunft von Ver­nünf­tigkeit nachgewiesen. Weshalb sollte dies Argument nicht auch Hayek gebrauchen?! Das Fa­tale am Neolibe­ra­lis­mus ist jedoch, dass er durch die Ge­schich­­te ständig bestätigt wird: Mit Des­cartes sowie der lästerlichen Religions­kri­tik eines Feuerbach und Bauer (McLellan 1969a) hat tatsächlich angefangen, was später zwangsläufig bei der Gottlosigkeit eines Stalin, Ul­bricht oder Honecker [3]) enden musste:

„... denn das ist das Hauptbollwerk der Ungläubigen, dass ihre Vernunft ihnen andre Dinge sagt als das Wort Gottes.“

In Wahrheit hat der ganze Schlamassel natürlich schon viel früher angefangen. Der erste The­o­loge [4]), d.h. derjenige, der sich anmaßte, das Geschäft der Reli­gion mit Vernunft zu be­trei­ben, hat diese dem mythischen Schlummer entrissen und damit dem Prozess der Kritik aus­ge­setzt. Das griechische Wunder ist nicht, wie Popper meint, durch Kulturzusammenstoß ent­stan­den, sondern durch den recht irdischen Futterneid von Priestern.

Hayek muss daher konsequenterweise für die Abwicklung nicht nur der marxisti­schen und so­zi­ologi­schen, sondern gleichfalls aller ökonomischen und theologi­schen Lehrstühle plä­die­ren. Neo­liberalis­mus benötigt auch keine Wissenschaft, son­­dern erfordert lediglich die Kunst, von Fall zu Fall zu überle­ben. Ob jemand die­se Kunst im erforderlichen Maße wirklich be­herrscht, zeigt sich von selbst, wenn zwar auch erst hinterher. Hitler hätte es beinahe gepackt [5]). Wenn er ein Führer­genie gewesen sein sollte (Jäckel 1981a), so geht es uns darum, heute zu ver­hin­dern, dass derlei Geniestreiche künftig zufällig Erfolg haben könnten. Erfolg ist aber grund­sätzlich zufällig, das sollten gerade die Verfechter der Evolutionstheorie wissen. Und nicht immer haben wir ausreichend Gelegenheit, so lange zu pro­bie­ren, bis wir die Ge­winn­stra­tegie herausgefunden haben.

„Progress has always been achieved by probing well-entrenched and well-foun­ded forms of life with unpopular and unfounded values. This is how man gra­du­ally freed himself from fear and from the tyranny of unexamined systems.” (Feyerabend 1970a:209f)

Es ist kein so geringer Schmerz für diesen Kritiker des Kollektivismus, eingeste­hen zu müs­sen, dass er bzw. die Nationalökonomie für das Festhalten am Privatei­gentum immer noch kei­nen Gottesbeweis vorzuweisen haben. Fast, so könn­­te man befürchten, Hayek fiele in die schlechte Ange­wohn­heit solcher unver­besser­li­chen Rationalisten wie Descartes und Leibniz oder anderer praxis­frem­der In­tellek­tueller zurück, die unverschämter Weise für alles und jedes längst Bewähr­te oben­drein noch eine rationale Begründung verlangen. Man soll aber nicht daraus schlie­ßen, wenn nicht einmal Hayek eine gefunden hat, so gebe es vielleicht über­haupt kei­ne. Da nach Hayeks Glaube Religion und Evolution sowieso schon das Ih­re tun, um nämli­che Tradition zu wahren, ist eine rationale Rechtfer­ti­gung, bei Lich­te be­sehen und wie Hayek mit Freude feststellt, völlig fehl am Platze. Freilich scheinen das größte Problem mit dem Ei­gentum vor allem diejenigen zu haben, die keines haben. Hayek be­schäf­tigt sich daher dann auch lieber eingehend mit der be­währ­ten moralischen Tradition der Nicht­ka­pi­talisten, welche die Kapitalisten schon im­mer über Wasser zu halten pflegte. Die westliche Demo­kra­tie ist nicht durch Ver­nunft groß geworden, sondern dadurch, dass es immer eine schwei­gen­de Mehr­heit gab, die nicht zu viel Fragen gestellt hat und die sich wunderbar mit der Flos­kel „Das war schon immer so!" abspeisen ließ.

Kann aber eine Einrichtung besser gegründet sein, die auf resourcefulness [6]) baut? Das Pro­blem einer vernünftigen Gestaltung der property rights [7]) wird von Popper nicht erörtert. Die­ses Problem wird in Poppers Konzept der „offenen Ge­sell­schaft" genauso wenig analysiert wie bis vor kurzem inner­halb der bürgerlichen Ökono­mie. Nach Eggertsson (1990a:33, Anm.1) sei es heute allgemein an­er­kannt, dass Marx der erste gewesen sei, der eine Theorie der pro­perty rights besessen habe. Da­bei übersieht er, dass Marx selbst schon bei aller Kritik an Proud­hon die­sem jedenfalls die Ehre hat zu­kom­men lassen, als erster Theoretiker den Faktor Ei­gen­tums­ver­hält­nisse in die ökonomische Theorie einbezogen, d.h. endogenisiert zu haben, ge­rade das, was Marx an Smith und Ricardo bei all ihren Verdien­sten schmerzlich ver­misst hatte.

„Alle Entwicklungen der Nationalökonomie haben das Privateigentum zur Vor­­­aus­setzung. Die­se Grundvoraussetzung gilt ihr als unumstößliche Tatsache, die sie keiner weiteren Prü­fung unterwirft, ja auf welche sie, wie Say naiv ge­steht, nur ‘accidentiellement’ zu sprechen kömmt. Proudhon nun unterwirft die Basis der Nationalökonomie, das Privateigentum, einer kritischen Prüfung, und zwar der ersten entschiednen, rücksichtslosen und zugleich wissenschaft­lichen Prü­fung." (Engels, Marx, Die heilige Familie, MEW 2:32f)



[1]) "Weil das Wohlvertraute am leichtesten akzeptiert wird, sind die eingängigen Ideen meist sehr lebens­kräf­tig. Und sie lassen sich auch sehr genau voraussagen. Es wird zweckmäßig sein, ei­nen Namen für die Ideen zu prä­gen, die zu bestimmten Zeiten wegen ihrer Eingängigkeit beson­ders geschätzt werden." (34) - "Ist das Herkömmliche Konzept aber erst einmal mehr oder weniger gleichgesetzt mit gründlicher Fachkenntnis, so lässt sich kaum noch an ihm rütteln." (35)

[2]) Was das bedeutet, ein Intellektueller zu sein: "Dann: er war ein Intellektueller. Das Miss­trau­en ge­gen den Typus des durch geistige Arbeit Abgesonderten, dem die Gestalt seiner Ar­beit Na­ivität, erst die in der Selbsterhaltung des Lebens und dann auch die des Ge­dan­kens, ver­wehrt, hat er von dem Odium befreit, das ihm in Deutschland anhaftete, nicht erst seit Goebbels das de­nun­ziatorische Wort von der Intelligenz­be­stie erfand. (...) Wenn die erfolgreichen Demago­gen ich­ren Ge­folgsleu­ten gleichen und von ihnen sich unter­scheiden nur dadurch, dass sie deren ver­drück­te Instinkte und Wünsche in ih­rer Suada verströmen lassen, so glich umgekehrt Heuß den Mil­lionen, die weit über seine politische Macht hin­aus an ihm hingen, dadurch, dass er verkörperte, was in ihnen allen tiefer bereit lag als ihr kollektiver Nar­ziss­mus: die Idee des Bürgers einer Welt, in der man sich nicht zu fürchten brauchte." (Theodor W. Adorno, Worte zum Gedenken an Theodor Heuß, in: Stammer 1965a:158, 160)

[3]) "Staatssozialismus stellt (...) keine Überwindung des Kapitalismus dar, sondern ist eine al­ter­native Art, die In­du­strialisierung zu fördern oder hohe Raten des Wirtschaftswachstums zu errei­chen. An sich beruht er auf einer vom Kapitalismus sehr unterschiedenen institutionellen Vermitt­lung von Macht."(Giddens 1979a:313). Zu Ulbricht siehe "Dokumente zur Geschichte der PDS. Zum 25. Todestag Walter Ulbrichts. Erklärung des PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky am 31. Juli 1998

[4]) Wenn Theologie das Erkennen dessen ist, was geglaubt wird, so geht derlei Erkennen, so­fern es nur echtes Stre­ben nach Wahrheit ist, unschwer in Kritik über. "Die einzige, dem exklusiv religiösen Geiste immanente, d. i. von ihm unabweisbare, seinem Wesen konforme Wissenschaft war die Theologie, in der der Glaubensinhalt vor das Bewusstsein des Verstandes gebracht, von ihm zergliedert, bestimmt, geordnet und beleuchtet wurde. Indem aber mit dem Bestimmen des Glaubensinhaltes durch Gedanken dieser Inhalt Objekt des denkenden Bewusstseins wurde, Ob­jekt des analytischen, auflösenden Ver­standes, wurde mit ihm zugleich das denkende Bewusstsein unabhängig von dem Stoffe des Glaubens sich selbst Objekt, innerhalb des Inhalts des Glaubens zugleich der Gedanke als solcher Gegenstand, und die Theolo­gie ging so über in Philosophie." (Feuerbach, Geschichte der neuern Philosophie:8) - "Theologie ist, so glaube ich noch immer, ein Symptom des Unglaubens." (Popper 1979a:18)

[5]) "Erfolg hängt von vielen Dingen ab, vor allem davon, dass man Glück hat." (Popper 1979a: 62) - "Positivism tells me that I am successful because I am smart. I am too smart to believe such folly." (Agassi 1993a:38)

[6]) "When you have a good thing, said the devil, you organize it." (Bell, The Racket-Ridden Long­shoremen, 1965a:184)

[7]) "Property rights assignment specify the norms of behavior with respect to things that each and every person must observe in his interaction with other persons, or bear the cost of nonobser­vance." (Furubotn, Pejovic 1972a:1139)

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