Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Marx und das Eigentum

Auch Hegel in seiner „Rechtsphilosophie"(§41) das Privat­ei­gentum als Basis von Gesellschaft, Staat und Welt herausgestellt. Es stellt für ihn die Rechtssphäre dar, in welcher die bür­ger­liche Rechtsperson die Freiheit fin­det, ihren Willen zu verwirk­lichen:

„Die Person muss sich eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben, um als Idee zu sein. Weil die Person der an und für sich seiende unendliche Wille in dieser er­sten, noch ganz abstrakten Bestimmung ist, so ist dies von ihm Unterschie­de­ne, was die Sphäre seiner Freiheit ausmachen kann, gleichfalls als das von ihm un­mittelbar Verschiedene und Trennbare bestimmt." (Hegel, Rechtsphiloso­phie: 87)

Es geht hierbei jedoch nicht einfach darum, welcher Autor hier zuerst das Pro­blem des Eigen­tums und seine soziale Bedeutung entdeckt hat. Hierzu müssten wir sogar bis zu Platon und Aristo­teles zurückgehen. Es geht hier im engeren Sin­ne um die Relevanz dieser Institution sowie weiterer für die Politische Ökono­mie. Eggertsson greift zu einem entsprechen­den Ver­gleich auf die neoklassische Preis­theorie zurück.

„Price theory or microeconomics, in its conventional form, treats organizations and institu­ti­ons the same way as it treats the law of gravity: These factors are im­plicitly assumed to exist but appear neither as independent nor as dependent variables in the models. (...) However, un­like the law of gravity, organizations and institutions are not invariant; they vary with time and location, with poli­ti­cal arrangements and structures of property rights, with technologies emplo­yed, and with physical qualities of resources, commodities, and services that are ex­chan­ged." (Eggertsson 1990a:xi)

Entscheidend ist jedoch nicht die Invarianz einer Struktur, sondern ihre Unabhän­gig­keit oder Abhän­gig­keit von dem im Modell zusammengeschlossenen Faktoren, ob es im Modell einge­schlossen wer­den muss oder nicht. Die Bedeutung des marx­schen Beitrages zum Thema der property rights liegt al­so genau darin, dass er die­se zum Dreh- und Angelpunkt seiner ökono­mi­schen Theorie gemacht hat, wäh­rend andere Autoren vor ihm diese Frage zwar auch berührten, dabei aber vor der Pfor­te der na­ti­onalökonomischen Theorie haben liegen lassen.

Albert (1964c:90f), der den Marxismus in der hier fraglichen Hinsicht mit dem Hi­storismus in einen Topf wirft und beiden (m.E. beiden zu unrecht) Theorielosigkeit vorwirft, hat übersehen, dass Marx (GR:6ff) genau das gefordert und selbst unter­nommen hat, was Albert „strukturelle Relativierung" hi­sto­rischer Regelmäßigkeiten nennt. Ein terminologischer Hinweis er­scheint angebracht: Im Mar­xis­mus wird häu­fig als Gesetz" das objektiv-reale Vorkommnis des­sen bezeichnet, was im Hem­­pel/Oppenheim-Schema als das Bedeutungskorrelat der Dann-Komponente auf­taucht. Wenn also ein Marxist etwa behauptet: „Das Wertgesetz gilt nur im Ka­pitalismus", dann ist damit nichts anderes ge­meint, als dass für die im Wertgesetz ausge­drück­te Gesetzmäßigkeit diejenigen strukturellen Bedin­gun­gen vorausgesetzt sind, die der ka­pi­talistischen Wirtschaftsordnung entsprechen. Wenn man diese struk­turellen Bedingungen, wie es sich gehört, in die Wenn-Komponente nimmt, ist das Wertgesetz kein historisches Ge­setz, sondern ein universelles. Denn die Dann-Komponente gilt zwar nur - darauf lenkt der Mar­xist gewöhnlich sein Au­gen­merk -, aber auch immer - darauf legt Albert wert - dann, wenn die Wenn-Kom­po­nente vorliegt. Eigentlich ist der universelle Nomologismus Poppers nur ein von der konkreten Geschichte abstrahierender Essentialismus. Denn er versucht Fragen zu be­ant­wor­ten nicht aufgrund konkret-geschichtlicher Situationsanalyse, sondern aus dem abstrakt universellen We­sen isolierter Einzeldinge. Poppers Sozialtechnik ist dabei ohne historisch-ge­sellschaftlichen Ver­gleich noch nicht einmal in der La­ge, die erforderlichen Randbedingungen zu spezifizieren; d.h. sie wird methodolo­gisch notwendig nie aus dem Stadium der ceteris-pari­bus-Klausel hinausgelangen kön­nen. Denn Aussagen über das Gesamtsystem und dessen „Be­wegungsgesetze" sol­len ihr ja versagt bleiben.

Im Übrigen widerspricht sich Alberts pauschale Historismuskritik selbst, da sie ja gerade dar­auf insistiert, dass jede Tatsachenbeschreibung schon Theorie voraus­setzt. Also gehen de facto auch Historisten unweigerlich zumindest implizit theore­tisch vor, wenn sie historische Einzel­fäl­le beschreiben. Unterschiede zu anders ori­entierten Ökonomen können daher nur auftreten in der deklarierten Methodologie, in der Zielsetzung oder den verwendeten Theorien. Hier sind die Historisten im ähn­lichen Falle wie die Positivisten, deren eigentümliches Brett vorm Kopf in der Annahme besteht, sie verfügten über einen direkten Zugang zur objektiven Reali­tät, ohne jederlei metaphysische Annahmen.

Keine Kommentare:

Blog-Archiv