"Die Wissenschaftslehre hat also absolute Totalität. In ihr führt Eins zu Allem, und Alles zu Einem. Sie ist aber die einzige Wissenschaft, welche vollendet werden kann; Vollendung ist demnach ihr auszeichnender Charakter. Alle andere Wissenschaften sind unendlich, und können nie vollendet werden; denn sie laufen nicht wieder in ihren Grundsatz zurück. Die Wissenschaftslehre hat dies für alle zu beweisen und den Grund davon anzugeben."
(Fichte: Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre:81f)
Ein zentrales Motiv hegelschen Philosophieren läuft hinaus auf eine Kritik der analytischen Logik in dieser aufspaltenden Form, wie sie Kant mit seiner scharfen Scheidung zwischen reiner und praktischer Vernunft inauguriert hatte. Gerade im Bereich der politischen Praxis führen die Verallgemeinerungen der analytischen Vernunft zu abstrakten, d.h. inhaltsleeren Maximen. Wie Lask dargelegt hat, geht es dem Neukantianismus darum, ohne die analytische Logik aufzugeben, durch Einführung einer besonderen Werttheorie das Problem der historischen Irrationalität, d.h. der Venachlässigung des Individuellen durch die analytische Logik, zu lösen. Wenn Albert [1]) die Zielsetzung als schlechten Utopismus ablehnt, am Reißbrett eine Idealordnung der Wirtschaft oder Gesellschaft zu entwickeln, und dabei die Konstruktion abstrakter Idealordnungen als gefährlich für die politische Praxis ansieht, so rennt er damit bei Hegel (Hic Rhodus, hic salta!) wie bei Marx [2]) offene Türen ein, sind es doch gerade Entartungen analytisch-dogmatischen Denkens, die er damit angreift. Albert betont damit wie schon Marx die Notwendigkeit, von einer jeweiligen Einschätzung der politischen Defizite und Handlungsmöglichkeiten der konkreten Situation auszugehen, wenn eine wissenschaftliche Beratung von Politik das Ziel sein soll. Gerade Marx hat sich dem Ansinnen, utopische Gesellschaftsentwürfe in die Welt zu setzen, stets standhaft verweigert. Dem widerspricht keineswegs, dass er als Dialektiker immer auch einen rationalen Kern in sozialen Utopien (Bloch 1946a) zu erkennen vermochte. Die Grenze zwischen utopischer und „Realpolitik" ist auch in den seltensten Fällen eindeutig zu ziehen. Unter sich ständig ändernden Umständen kann Realpolitik wie nüchternster Konservativismus schnell „utopische" Züge gewinnen.
Hegel hat mit seinem System philosophischer Begriffe und Argumentierens eine eigene Sprache entwickelt. Eine solche „konkrete Totalität“ ist als eine logische Darstellungsform eigenen Rechts anzusehen, etwa in Kontrast zum Denken in symbolisch-logischen, mathematischen oder rechnergestützten Modellen [3]). Die Leistungsfähigkeit derartiger Darstellungsformen sind im Hinblick auf ihre Anwendungsfelder zu bewerten. Keineswegs können dieselben wie Hypothesen widerlegt werden oder auch nur wie Aussagen falsifiziert werden. Eine Sprache kann nicht widerlegt werden, sondern es können nur Grenzen der Anwendbarkeit und evtl. „blinde Flecken“ aufgewiesen werden.[4])
[1] ) „Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass man sich zur Aufdeckung konkreter sozialer Übelstände an einem abstrakten Ideal einer vollkommenen Gesellschaft orientieren müsse." (Albert 1976a:81)
[2] ) siehe etwa Marxens „Kritik des Gothaer Programms"
[3]) Einen Überblick über „Modelle und Experimente" gibt Spinner (1969b).
[4]) wie dies etwa Adolphi (1989a) für die unterschiedlichen Weisen hegelschen Argumentierens vorgeführt hat
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