Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Verdinglichung

Der Verkürzung von Ökonomie als einem Zweig der Sozialwissenschaften auf eine Astrono­mie von Mensch-Ding-Beziehungen ist Albert (1964c:88,Anm.12; 1996a:30) bei v. Wiese [1]) ent­ge­gengetreten. Dieselbe ideologische Verkürzung, wie sie Recktenwald etwa in seiner Ver­ball­hornung [2]) der AWT vornimmt, hat Marx [3]) bereits kritisiert, wenn er darauf hinweist, dass zwi­schen technologischen und sozialen Relationen grundsätzlich unterschieden werden müsse. Marx hat zusätzlich den Aspekt her­aus­gestellt, dass der Mensch unter die Herrschaft der Sa­chen gerät und dass die Welt vordergründig als eine der Sachen, nicht sogleich einer der öko­no­mischen, rechtlichen und sozialen Beziehungen wahr­genommen wird. Es ist dies gewisser­ma­ßen ein makrophysikalisches Vorurteil, das durch gesell­schaftliche Bedingungen mitverursacht und als ein ideologisches Bewusstsein unterstützt wird. In ähn­li­cherweise tritt uns bei Simmel eine Reideologisierung der marxschen Ideologie-Kritik entgegen:

"Indem Simmel die Marx'schen Wert- und Geldform-Analysen auf die über­all­gemeine Ebene einer psychologischen Wesenssschau transponiert, tilgt er die in ihnen enthaltene Entfremdungs- und Herrschaftskritik." (Rehmann 1999a:226)

Etwas anderes ist es hingegen, wenn Marx die Dinghaftigkeit mit dem Warencharakter und ins­beson­de­re mit dem Produkt als Gebrauchswert verknüpft. Hier werden von Marx Aspekte un­ter Begriffe gefasst (insbesondere indem „Gebrauchswert" nach dem aristotelischen Substanz­-Begriff be­grif­fen wird), die spätestens unter den heutigen Verhältnissen einer Marke­ting­wirtschaft, wo Pro­dukt­ent­wick­lung vor allem ideologische Konstruktion der Produkt­inno­va­tion („Pro­dukt­ent­wick­lung") auf die manipulierten Bedürfnisse des Verbrauchers hin be­deu­tet, als nicht mehr halt­bar erscheinen. Nach dem aristotelischen Verständnis des Gebrauchswert ist dieser ein Ding mit seinen stofflichen Eigen­schaf­ten, dessen enzyklopädische Übersicht die Wa­ren­kun­de liefert. Nach moderner Auffassung ist „Gebrauchswert" eine Relation zwischen Kon­sumenten und Produkt, wenn nicht gar zwischen dem Mar­keting des Produzenten, dem Pro­dukt und dem Konsumenten. Hier spielt zwar die Dinghaftigkeit auch noch eine gewisse Rol­le (wenn z.B. viele glauben, sie hätten eine Problemlösung gekauft, dabei ha­ben sie besten­falls nur die Hardware dazu er­wor­ben. Andererseits sind viele der Meinung, Infor­ma­tio­nen sei­en von Natur aus kostenlos). Diese dinghafte Sicht des sozialen Prozesses ist allerdings nur ein Moment der modernen Konstruktion von Ge­brauchswert durch Marketing. Diese Analyse von Ver­dinglichung ist unter Bedingungen der Informationswirtschaft noch um die wesentlichen As­pekte von der Produktion von In­for­ma­tion als Produktionsmittel und Lebensmittel (Repro­duk­tion der Ar­beits­kraft) und ideologisches Kon­sumware (Kultur und Kitsch) zu erweitern.

„Bewusstsein im strengsten Sinne ist nur da, wo einem Wesen seine Gattung, seine Wesen­heit Gegenstand ist.“ (Feuerbach 1849a:24)



[1]) "einigen der wenigen in unserem Kreise, die Max Weber noch persönlich gekannt haben..." (Otto Stammer, Ansprache zur Eröffnung, in: Stammer 1965a:2)

[2]) "Unverständlich bleibt nur, wie man mit der Forderung nach praktischer Anwendung der Ar­beits­wert­theo­rie hochentwickelte Industrienationen auf die Stufe eines primitiven Jägervolkes zurückversetzen will, indem man den Wert einer Ware nur in dem Beitrag der Arbeit sieht und die beiden anderen Produk­tions­fak­toren unvergütet läßt. Jedes Erstsemester weiß, dass eine solche Rech­nung zur Verschwendung knapper Res­sour­cen führen muss, unabhängig vom Wirt­schafts­sy­stem." (Recktenwald 1990a:LV) Erst einmal ist es völlig unverständlich, wie ein angesehener Öko­nom zu solch einer Verballhornung der AWT gelangen kann. Wenn Niehans (1989a) die AWT nur in dieser Form kennen sollte, dann kann man seine Polemik verständlich fin­den. Die in die­ser "Kritik" vorliegende Interpretation der AWT ist so unter jedem Niveau, dass sie sich nur noch schwer kritisieren lässt. Doch auch das bekannte Lehrbuch von Samuelson (1964a:315) gibt eine ähn­li­che Karikatur des Arbeitswertgesetzes wieder. Danach bestehe es in der Behauptung, dass die nicht­mensch­li­chen Produktionsfaktoren überhaupt nicht in die Produktionskosten mitein­bezogen werden sollten, sondern Fleiß und Geschicklichkeit die einzigen Quellen allen Wertes sei­en. Dagegen ist dann Samuelsons Einwand, dass selbst sozialistische Wirtschaften Verrech­nungs­prei­se für Kapital und Arbeit benötigten, um den optima­len Punkt auf der Transformationskurve be­stimmen zu können. Damit unterstellt er jedoch einen unver­mittel­ten Zusammenhang zwischen Wert­quelle und Produktionspreis, den es in dieser Weise zumindest Marx we­der beabsichtigt noch hergestellt hat.

[3]) "... alle Epochen der Produktion haben gewisse Merkmale gemeinsam, gemeinsame Bestim­mungen. (...) Einiges davon gehört allen Epochen; andres einiges gemeinsam. (...) allein, wenn die entwickeltsten Sprachen Gesetze und Bestimmungen mit den unentwickeltsten gemein haben, so muss grade das, was ihre Entwicklung ausmacht, den Unterschied von diesem Allgemeinen und Ge­meinsamen, die Bestimmungen, die für die Pro­duk­tion überhaupt gelten, müssen grade geson­dert werden, damit über der Einheit - die schon daraus hervor­geht, dass das Subjekt, die Mensch­heit, und das Objekt, die Natur, dieselben - die wesentliche Verschie­den­heit nicht vergessen wird. In diesem Vergessen liegt z. B. die ganze Weisheit der modernen Ökonomen, die die Ewigkeit und Harmonie der bestehenden sozialen Verhältnisse beweisen. Zum Beispiel. Keine Produktion mög­lich ohne ein Produktionsinstrument, wäre dies Instrument auch nur die Hand. Keine möglich oh­ne ver­gange, aufgehäufte Arbeit, wäre diese Arbeit auch nur die Fertigkeit, die in der Hand des Will­den durch wie­der­holte Übung angesammelt und konzentriert ist. Das Kapital ist unter andrem auch Produktionsinstrument, auch vergangne, objektivierte Arbeit. Also ist das Kapital ein allge­meines, ewiges Naturverhältnis; d.h. wenn ich grade das Spezifische weglasse, was 'Produk­tions­instrument', 'aufgehäufte Arbeit' erst zum Kapital macht." Marx (GR:7)

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