Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Platonismus als Soziologie

Wie vermittelt Marx Platonismus und Individualismus?

Dialektik Einzelnes und Allgemeines

Ontologie des Materiellen, Sozialen, Sprache, Ökonomischen, Ideologischen

Gerade weil Hegels Dialektik eine (erkenntnistheoretisch) verkehrter Reflex der sozialen Re­alität darstellt, kann sie zur Exposition einer polit-ökonomischen Theorie kapitalistischen Wirt­schaftens benutzt werden.

Ist die jeweilige Fassung des Verhältnisses Individuum - Gesellschaft historisch bedingt, so überschneidet sich bei Marx die Lösung des Universalienproblems innerhalb der wissen­schaft­li­chen Erkenntnismethode mit der Frage der Ideologie-Kritik entfremdeter Verhältnisse. Der Pla­tonismus ist nicht einfach falsche Erkenntnismethode, sondern der adäquate Ausdruck einer "fal­schen" Wirklichkeit [1]), nämlich von politisch-ökonomischen Verhältnissen, die sich vom Subjekt der Arbeit bzw. des Erkennens ebenso losgelöst, der Kontrolle entzogen haben wie der objektive Geist in Hegels Rechtsphilosophie dem Subjekt der Politik. Dies betrifft jedoch eine Hegel-Kritik durch Marx, die Popper so nicht kennt. Wie seine Marx-Kritik zeigt, verkennt er übe­r­haupt die Pointe [2]) der marxschen Kapitalismuskritik.

Warum gibt es unabsichtliche Konsequenzen menschlichen Handelns? Weil:

1. Handlungen und deren Resultate individuell-konkret sind und
2. soziale Institutionen ein Eigenleben entwickeln

Popper wie Merton sind in ihrer Konzeption der nicht-intendierten Folgen zielorientierten Han­delns verständnislos gegenüber der Problemstellung der hegel-marxschen An­thro­pologie: Objektivierung des Menschen. Nun aber vermisst Habermas in dieser phi­lo­so­phischen An­thropologie das symbolisch-kommunikative Element [3]). Habermas setzt damit „Arbeit" gleich „instrumentalem Handeln" und stellt ihr „Interaktion" bzw. „Kommu­ni­kation" zur Seite. Mit einer solchen Kategorisierung geht jedoch die Pointe des marxschen Ansatzes verloren, die eben darin besteht, dass Arbeit nicht einfach zweckrationales Handeln ist, sondern soziale In­teraktion und Kommunikation sowie Machtbeziehungen mitumfasst (vgl. Müller 1969a, Damus 1970a). „Arbeit" [4]) bezieht sich bei Marx sowohl auf das Verhältnis Mensch - Natur (biolo­gi­sche Reproduktion des menschlichen Lebens) als auch auf das Verhältnis Mensch - Mensch (spontane und bewusste Koordi­na­tion individuellen Handelns innerhalb der menschlichen Ge­sell­schaft bzw. Gattung).



[1]) "Wenn Marx jedoch gegen die dialektischen Ableitungen Hegels einwendet, sie gingen nicht aus der Sa­che selbst hervor, sondern aus der vorausgesetzten Logik des Geistes, und wenn er die schon in der Disserta­ti­on an­klin­gende Forderung wiederholt, die Logik, die Idee einer Sache aus ihr selbst zu entwickeln, dann ber­gen diese Be­merkungen ebenso wohl eine gewisse Distanzierung von der feuerbachschen Anthropologie des Men­schenge­schlechts wie den Keim zur späteren, durch die Kritik der politischen Ökonomie vermittelten Rück­kehr zu He­gels 'übergreifendem Subjekt'. Marx wird einmal als falschen Schein einer falschen Wirk­lich­keit entlarven, was er hier noch als bloß philosophischen Schein denunziert, und bereits in der Dialektik der ent­frem­deten Arbeit, wie sie in den Pariser Manuskripten entworfen wird, erkennt Marx jenes abstrakt-allge­mei­ne Subjekt wie­der, das er in der Kritik des Hegelschen Staatsrechts als Mystifikation verwirft." (Schäfer 1968a:939)

[2]) "Die Dialektik dieser neuzeitlichen Entwicklung besteht aber nach Marx darin, dass die In­di­viduen, ob­wohl for­mal unabhängig voneinander, nun in eine totale Abhängigkeit von ihren Pro­duktionsverhältnissen ge­raten muss­ten. An die Stelle persönlicher Abhängigkeitsverhältnisse trat die Herrschaft von Abstraktionen und Sa­chen. Dies hatte zur Folge, dass die geschichtlichen Be­we­gungen als von Ideen verursachte und in Gang gesetzte er­scheinen konnten. Die Herrschaft von Abstraktionen in der bürgerlichen Gesellschaft ist also für Marx eine dop­pelte: zum einen haben die Produkte der tätigen Menschen sich ihnen gegenüber verselb­stän­digt und eine Ei­gen­dynamik entwickelt. Dieser Vorgang aber erscheint im Bewusstsein der Individuen so, als hätten ewige Na­tur­mächte die Herrschaft über sie angetreten. In dieser typischen Verkehrung von Mittel und Zweck kommt zum Aus­druck, dass Freiheit der Konkurrenz als solche nicht schon unmittelbar iden­tisch ist mit individueller Frei­heit, sondern die Wirtschaftssubjekte müssen sich als Kon­kur­ren­ten völlig den objektiven Gesetzen des Marktes un­terwerfen. Freiheit der Konkurrenz schlägt da­mit tendenziell in indi­vi­duelle Unfreiheit um. Sie bedeutet in der Re­gel für den Arbeiter nichts an­de­res, als dass er frei von den Mit­teln der Produktion und daher gezwungen ist, sei­ne Arbeitskraft und damit seine Freiheit zeit seines Lebens zu verkaufen. Dies hat zur Folge, dass die von ihm pro­duzierten Güter von vornherein nicht ihm selbst, son­dern dem Kapital zugehören. Die Freiheit der Ka­pi­ta­li­sten aber bedeutet zugleich den dauernden objektiven Zwang zur Konkurrenzfähigkeit, was bedeutet, dass seine in­di­viduellen Wünsche dem Gesetz der Vermeh­rung des Kapitals unter­ge­ordnet werden müssen." (Lenk 1968a:934ff)

[3]) „Der materialistische Begriff einer Synthesis durch gesellschaftliche Arbeit bezeichnet die Stellung, die Mar­xens Konzeption der Gattungsgeschichte in der von Kant ausgehenden Bewe­gung des Gedankens syste­matisch ein­nimmt. In einer eigentümlichen durch Fichte bestimmten Wendung nimmt Marx die Intention des hegelschen Ein­wandes am kantischen Ansatz der Er­kennt­niskritik auf; dabei ist er gegen eine Identitäts­Philosophie gefeit, die der Erkenntnistheorie als solcher den Boden entzieht. Gleichwohl erweist sich die philo­so­phische Grundlage die­ses Materi­a­lismus als ungenügend, um eine vorbehaltlose phänomenologische Selbst­re­flexion der Erkenntnis zu etablieren und so der positivistischen Verkümmerung der Erkenntnistheorie vor­zu­beugen. Den Grund dafür se­he ich, immanent betrachtet, in der Reduktion des Selbsterzeugungsaktes der Men­schengattung auf Arbeit. Die marx­sche Gesellschaftstheorie nimmt in ihren Ansatz neben den Pro­duk­tiv­kräften, in denen sich das in­stru­men­ta­le Handeln sedimentiert, auch den institutionellen Rah­men auf, die Produktionsverhältnisse; sie unterschlägt an Pra­xis nicht den Zusammenhang sym­bolisch vermittelter Interaktion und die Rolle kultureller Überlieferung, aus de­nen Herrschaft und Ideologie allein zu begreifen sind. Aber in das philosophische Bezugssystem geht diese Sei­te der Praxis nicht ein. Gerade in dieser Dimen­sion, die sich mit den Abmessungen instrumentalen Han­delns nicht deckt, bewegt sich aber die phänome­no­lo­gische Erfahrung - in ihr treten die Ge­stalten des erscheinenden Be­wusstseins auf, die Marx Ideologien nennt; in ihr lösen sich Ver­ding­lichungen unter der lautlosen Gewalt ei­ner Reflexion auf, welcher Marx den kanti­schen Namen der Kritik zurückgibt. So entsteht im Werke von Marx ein eigentümliches Missverhältnis zwi­schen der Forschungspraxis und dem ein­ge­schränkten philosophischen Selbstverständnis dieser Forschung. In seinen inhaltlichen Analysen begreift Marx die Gattungsgeschichte unter Kategorien der ma­te­riellen Tätigkeit und der kritischen Aufhebung von Ideologien, des instrumentalen Handelns und der umwälzenden Praxis, der Arbeit und der Reflexion in einem; aber Marx, in­terpretiert, was er tut, in dem beschränkteren Konzept einer Selbstkonstitution der Gattung allein durch Arbeit. Der materialistische Begriff der Synthesis ist nicht weit ge­nug gefasst, um die Hinsicht zu explizieren, in der Marx der Intention einer im wohlverstandenen Sinne radi­kalisierten Erkenntniskritik entge­gen­kommt. Ja, er hat Marx selbst daran gehindert, seine Verfahrens­wie­se unter diesem Gesichtspunkt zu verstehen." (Habermas 1975a:58f) - Davon inspiriert, hat Israel (1980a) seine Einführung in die So­ziologie ein­ge­teilt in (1) Economische instituties en processen, (2) Macht, (3) Taal en commu­ni­ca­tie.

[4]) „Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoff­wechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in ei­ner für sein eignes Leben brauchbaren Form anzu­eig­nen. Indem er durch diese Bewegung auf die Na­tur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich sei­ne eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eig­nen Botmäßigkeit. (...) Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene aus­zeich­net, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeits­pro­zesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbei­ters, also schon ideell vor­handen war. Nicht dass er nur eine Formveränderung des Natürlichen be­wirkt; er verwirklicht im Natürlichen zu­gleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise sei­nes Tuns als Ge­setz bestimmt und dem er seinen Wil­len unterordnen muss. Und diese Unter­ord­nung ist kein vereinzelter Akt." (Marx I:192f) - „Im Arbeitsprozess bewirkt also die Tätigkeit des Menschen durch das Arbeitsmittel ei­ne von vornherein be­zweck­te Veränderung des Arbeits­ge­gen­standes. Der Prozess erlischt im Produkt. Sein Produkt ist ein Ge­brauchs­wert, ein durch Form­ver­änderung menschlichen Bedürfnissen angeeigneter Natur­stoff. Die Arbeit hat sich mit ih­rem Ge­genstand verbunden. Sie ist vergegenständlicht, und der Gegenstand ist verarbeitet. Was auf Sei­ten des Ar­beiters in der Form der Unruhe erschien, erscheint nun als ruhende Eigen­schaft, in der Form des Seins, aufseiten des Produkts. Er hat gesponnen, und das Produkt ist ein Gespinst." (Marx I:195) - „Labor not only produces commodities; it also produces itself and the workers as a commodity and it does so in the same proportion in which it produces commodities in general." (Marx ÖPM:511) - „This fact simply means that the object that labor produces, its product, stands opposed to it as some thing alien, as a power independent of the producer." (Marx ÖPM:511)

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