Wie vermittelt Marx Platonismus und Individualismus?
Dialektik Einzelnes und Allgemeines
Ontologie des Materiellen, Sozialen, Sprache, Ökonomischen, Ideologischen
Gerade weil Hegels Dialektik eine (erkenntnistheoretisch) verkehrter Reflex der sozialen Realität darstellt, kann sie zur Exposition einer polit-ökonomischen Theorie kapitalistischen Wirtschaftens benutzt werden.
Ist die jeweilige Fassung des Verhältnisses Individuum - Gesellschaft historisch bedingt, so überschneidet sich bei Marx die Lösung des Universalienproblems innerhalb der wissenschaftlichen Erkenntnismethode mit der Frage der Ideologie-Kritik entfremdeter Verhältnisse. Der Platonismus ist nicht einfach falsche Erkenntnismethode, sondern der adäquate Ausdruck einer "falschen" Wirklichkeit [1]), nämlich von politisch-ökonomischen Verhältnissen, die sich vom Subjekt der Arbeit bzw. des Erkennens ebenso losgelöst, der Kontrolle entzogen haben wie der objektive Geist in Hegels Rechtsphilosophie dem Subjekt der Politik. Dies betrifft jedoch eine Hegel-Kritik durch Marx, die Popper so nicht kennt. Wie seine Marx-Kritik zeigt, verkennt er überhaupt die Pointe [2]) der marxschen Kapitalismuskritik.
Warum gibt es unabsichtliche Konsequenzen menschlichen Handelns? Weil:
1. Handlungen und deren Resultate individuell-konkret sind und
2. soziale Institutionen ein Eigenleben entwickeln
Popper wie Merton sind in ihrer Konzeption der nicht-intendierten Folgen zielorientierten Handelns verständnislos gegenüber der Problemstellung der hegel-marxschen Anthropologie: Objektivierung des Menschen. Nun aber vermisst Habermas in dieser philosophischen Anthropologie das symbolisch-kommunikative Element [3]). Habermas setzt damit „Arbeit" gleich „instrumentalem Handeln" und stellt ihr „Interaktion" bzw. „Kommunikation" zur Seite. Mit einer solchen Kategorisierung geht jedoch die Pointe des marxschen Ansatzes verloren, die eben darin besteht, dass Arbeit nicht einfach zweckrationales Handeln ist, sondern soziale Interaktion und Kommunikation sowie Machtbeziehungen mitumfasst (vgl. Müller 1969a, Damus 1970a). „Arbeit" [4]) bezieht sich bei Marx sowohl auf das Verhältnis Mensch - Natur (biologische Reproduktion des menschlichen Lebens) als auch auf das Verhältnis Mensch - Mensch (spontane und bewusste Koordination individuellen Handelns innerhalb der menschlichen Gesellschaft bzw. Gattung).
[1]) "Wenn Marx jedoch gegen die dialektischen Ableitungen Hegels einwendet, sie gingen nicht aus der Sache selbst hervor, sondern aus der vorausgesetzten Logik des Geistes, und wenn er die schon in der Dissertation anklingende Forderung wiederholt, die Logik, die Idee einer Sache aus ihr selbst zu entwickeln, dann bergen diese Bemerkungen ebenso wohl eine gewisse Distanzierung von der feuerbachschen Anthropologie des Menschengeschlechts wie den Keim zur späteren, durch die Kritik der politischen Ökonomie vermittelten Rückkehr zu Hegels 'übergreifendem Subjekt'. Marx wird einmal als falschen Schein einer falschen Wirklichkeit entlarven, was er hier noch als bloß philosophischen Schein denunziert, und bereits in der Dialektik der entfremdeten Arbeit, wie sie in den Pariser Manuskripten entworfen wird, erkennt Marx jenes abstrakt-allgemeine Subjekt wieder, das er in der Kritik des Hegelschen Staatsrechts als Mystifikation verwirft." (Schäfer 1968a:939)
[2]) "Die Dialektik dieser neuzeitlichen Entwicklung besteht aber nach Marx darin, dass die Individuen, obwohl formal unabhängig voneinander, nun in eine totale Abhängigkeit von ihren Produktionsverhältnissen geraten mussten. An die Stelle persönlicher Abhängigkeitsverhältnisse trat die Herrschaft von Abstraktionen und Sachen. Dies hatte zur Folge, dass die geschichtlichen Bewegungen als von Ideen verursachte und in Gang gesetzte erscheinen konnten. Die Herrschaft von Abstraktionen in der bürgerlichen Gesellschaft ist also für Marx eine doppelte: zum einen haben die Produkte der tätigen Menschen sich ihnen gegenüber verselbständigt und eine Eigendynamik entwickelt. Dieser Vorgang aber erscheint im Bewusstsein der Individuen so, als hätten ewige Naturmächte die Herrschaft über sie angetreten. In dieser typischen Verkehrung von Mittel und Zweck kommt zum Ausdruck, dass Freiheit der Konkurrenz als solche nicht schon unmittelbar identisch ist mit individueller Freiheit, sondern die Wirtschaftssubjekte müssen sich als Konkurrenten völlig den objektiven Gesetzen des Marktes unterwerfen. Freiheit der Konkurrenz schlägt damit tendenziell in individuelle Unfreiheit um. Sie bedeutet in der Regel für den Arbeiter nichts anderes, als dass er frei von den Mitteln der Produktion und daher gezwungen ist, seine Arbeitskraft und damit seine Freiheit zeit seines Lebens zu verkaufen. Dies hat zur Folge, dass die von ihm produzierten Güter von vornherein nicht ihm selbst, sondern dem Kapital zugehören. Die Freiheit der Kapitalisten aber bedeutet zugleich den dauernden objektiven Zwang zur Konkurrenzfähigkeit, was bedeutet, dass seine individuellen Wünsche dem Gesetz der Vermehrung des Kapitals untergeordnet werden müssen." (Lenk 1968a:934ff)
[3]) „Der materialistische Begriff einer Synthesis durch gesellschaftliche Arbeit bezeichnet die Stellung, die Marxens Konzeption der Gattungsgeschichte in der von Kant ausgehenden Bewegung des Gedankens systematisch einnimmt. In einer eigentümlichen durch Fichte bestimmten Wendung nimmt Marx die Intention des hegelschen Einwandes am kantischen Ansatz der Erkenntniskritik auf; dabei ist er gegen eine IdentitätsPhilosophie gefeit, die der Erkenntnistheorie als solcher den Boden entzieht. Gleichwohl erweist sich die philosophische Grundlage dieses Materialismus als ungenügend, um eine vorbehaltlose phänomenologische Selbstreflexion der Erkenntnis zu etablieren und so der positivistischen Verkümmerung der Erkenntnistheorie vorzubeugen. Den Grund dafür sehe ich, immanent betrachtet, in der Reduktion des Selbsterzeugungsaktes der Menschengattung auf Arbeit. Die marxsche Gesellschaftstheorie nimmt in ihren Ansatz neben den Produktivkräften, in denen sich das instrumentale Handeln sedimentiert, auch den institutionellen Rahmen auf, die Produktionsverhältnisse; sie unterschlägt an Praxis nicht den Zusammenhang symbolisch vermittelter Interaktion und die Rolle kultureller Überlieferung, aus denen Herrschaft und Ideologie allein zu begreifen sind. Aber in das philosophische Bezugssystem geht diese Seite der Praxis nicht ein. Gerade in dieser Dimension, die sich mit den Abmessungen instrumentalen Handelns nicht deckt, bewegt sich aber die phänomenologische Erfahrung - in ihr treten die Gestalten des erscheinenden Bewusstseins auf, die Marx Ideologien nennt; in ihr lösen sich Verdinglichungen unter der lautlosen Gewalt einer Reflexion auf, welcher Marx den kantischen Namen der Kritik zurückgibt. So entsteht im Werke von Marx ein eigentümliches Missverhältnis zwischen der Forschungspraxis und dem eingeschränkten philosophischen Selbstverständnis dieser Forschung. In seinen inhaltlichen Analysen begreift Marx die Gattungsgeschichte unter Kategorien der materiellen Tätigkeit und der kritischen Aufhebung von Ideologien, des instrumentalen Handelns und der umwälzenden Praxis, der Arbeit und der Reflexion in einem; aber Marx, interpretiert, was er tut, in dem beschränkteren Konzept einer Selbstkonstitution der Gattung allein durch Arbeit. Der materialistische Begriff der Synthesis ist nicht weit genug gefasst, um die Hinsicht zu explizieren, in der Marx der Intention einer im wohlverstandenen Sinne radikalisierten Erkenntniskritik entgegenkommt. Ja, er hat Marx selbst daran gehindert, seine Verfahrenswiese unter diesem Gesichtspunkt zu verstehen." (Habermas 1975a:58f) - Davon inspiriert, hat Israel (1980a) seine Einführung in die Soziologie eingeteilt in (1) Economische instituties en processen, (2) Macht, (3) Taal en communicatie.
[4]) „Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eignen Botmäßigkeit. (...) Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht dass er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muss. Und diese Unterordnung ist kein vereinzelter Akt." (Marx I:192f) - „Im Arbeitsprozess bewirkt also die Tätigkeit des Menschen durch das Arbeitsmittel eine von vornherein bezweckte Veränderung des Arbeitsgegenstandes. Der Prozess erlischt im Produkt. Sein Produkt ist ein Gebrauchswert, ein durch Formveränderung menschlichen Bedürfnissen angeeigneter Naturstoff. Die Arbeit hat sich mit ihrem Gegenstand verbunden. Sie ist vergegenständlicht, und der Gegenstand ist verarbeitet. Was auf Seiten des Arbeiters in der Form der Unruhe erschien, erscheint nun als ruhende Eigenschaft, in der Form des Seins, aufseiten des Produkts. Er hat gesponnen, und das Produkt ist ein Gespinst." (Marx I:195) - „Labor not only produces commodities; it also produces itself and the workers as a commodity and it does so in the same proportion in which it produces commodities in general." (Marx ÖPM:511) - „This fact simply means that the object that labor produces, its product, stands opposed to it as some thing alien, as a power independent of the producer." (Marx ÖPM:511)
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