Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

30.07.2007

Der Wortzauber Poppers und das geschlossene Europa

Dass Poppers Bestseller heute immer noch für aktuell gehalten wird, liegt weniger an den aktuellen Inhalten als am Unzeitgemäßen der politisch vorherrschenden Bewusstlosigkeit (vgl. Spinners "Popper und die Politik"). Unser politisches und philosophisches Bewusstsein hat sich soweit zurückentwickelt, dass wir Poppers Dogmen wieder als geschichtsträchtig empfinden können.

Poppers Bestseller wird von manchen Kreisen als ein Heiliges Buch behandelt, das nicht wissenschaftlich kritisiert und dadurch in seinen Ergebnissen fortentwickelt wird. Die Rolle der Kritik wurde vielmehr durch politische Korrektheit ersetzt. Das Zitierkartell Popper-Hayek-Albert-Topitsch-Radnitzky und linientreue Schüler verwischt Unterschiede der persönlich differierenden Lesarten des Kritischen Rationalismus/Neoliberalismus im Stile offizieller Verlautbarungen des damaligen ZKs der KPdSU: Kursänderungen, Revisionen und parteiinterne Differenzen werden kosmetisch wegretuschiert; der Kurs bleibt immer richtig und derselbe! (nur Feyerabend, Spinner, Bartley, Lakatos, Agassi, Wettersten usw. weichen hiervon ab).

Dass Poppers Methodologie und seine Sozialphilosophie eine Einheit bildeten, ist ein unbestätigtes Gerücht. Inwieweit beide kongruente oder inkongruente Züge enthielten, entzieht sich der Gesamtbeurteilung ähnlich wie die Frage, ob ein Glas Wasser halb voll oder halb leer sei. Indes kann man eindeutig die Frage beurteilen, ob die von Popper praktizierte Methodologie seiner deklarierten Methodologie entspreche. Sein geschichtsphilosophisches Traktat deklariert als Methode Fallibilismus und Theorienpluralismus; de facto praktiziert Popper gerade die Methode, die er Platon und Hegel und schließlich auch Marx vorwirft.

Zur intellektuellen Redlichkeit gehören die Mittel, deren Wahl durch den politischen Zweck (Kriegsbeitrag, Krieg der Ideen, psychologische Kriegführung, Antikommunismus, Mont Pélerin Society) geheiligt werden. Die Ergebnisse Poppers geschichtsphilosophischer Spekulation stellen eine moralische Kritik einer angeblichen Beziehung zwischen den Ideen Platons, Aristoteles, Hegels und Marx und dem Entstehen und Wirken des modernen Totalitarismus dar. Diese kommen indes nur dadurch zustande, dass die Gültigkeit dieser Ergebnisse bereits durch das von ihm gewählte Darstellungs-Genre unterstellt sind (vgl. Russell). Poppers Rationalitätsbegriff ist leer und besitzt daher überhaupt keine kritische Trennschärfe (vgl. Feyerabends Kritik an "des Kaisers neuen Kleidern"). So irrtumsunterworfen sich Popper methodologisch gibt, so absolut überzeugt verkündet er im Brustton seine persönlichen politischen Positionen (vgl. Dykes). Auf diese Weise ahmt er in der beabsichtigten politischen Wirkung sein charismatisches Führeridol Churchill nach, dessen geschichtsmächtige Siegermoral aufs Podest gehoben wird.

Die von Popper unterstellte Beziehung zwischen Ideen (und deren Frosch-Mäuse-Krieg) von Philosophen und der gesellschaftlichen Wirklichkeit ist kein Deut anders oder besser als der Idealismus Platons oder Hegels (in Gegensatz zu Feuerbach oder Marx!). Nirgendwo führt Popper für seine Thesen eine empirische Basis als Beleg an im Sinne einer empirisch bewährten soziologischen Theorie. Es ist sogar fraglich, ob für Popper derartiges überhaupt existent ist, nachdem Hayek eine Soziologie als Wissenschaft explizit bestreitet!

Historizismus: Der Beweis, dass die Zukunft nicht vorausgesagt werden kann, setzt voraus, dass wir die Zukunft kennen, zumindest insofern, was ihren nicht voraussagbaren Charakter angeht. Der Beweis ist also kein 100%ig logischer, sondern basiert auf einer metaphysischen Hypothese (die man einer bestimmten Geschichtsphilosophie einordnen muss), die nicht jeder teilen muss bzw. nicht unbedingt verbindlicher für uns sein muss als irgendeine andere geschichtsphilosophische These.

Sofern Popper in den Chor derer einstimmt, die Hegel Akkommodation an den Staat Preußen vorwerfen, so darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch Popper gerade mit seinem Beststeller seine staatstragende Berufsrolle als Universitätslehrer für Philosophie erfüllt bzw. seine Qualifikation dafür öffentlich demonstriert hat. Muss ein Philosoph Berufsverbot erhalten, damit er als Kritiker glaubwürdig ist?! Der politische und theoretische Stellenwert der Vernunft bzw. Kritik hat Marx in seinen Manuskripten sehr viel deutlicher und dezidierter gekennzeichnet. Eine ausschließlich theoretisch existierende Vernunft, die auch in einer unvernünftigen Wirklichkeit nur das Vernünftige erkennen kann, kann nicht anders als die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse verklären: Apologetik im Sinne eines politischen Konservativismus. Da auch Popper die Beweislast für eine politische Veränderung den Veränderern auferlegt (Alternativradikalismus Reform-Revolution im Sinne der sozialdemokratischen Revisionismusdebatte, vgl. Bernstein, Kautsky), bleibt völlig unklar, inwiefern er überhaupt Hegel aus staatstragendem Konservativismus einen Vorwurf machen kann.

Wenn Popper Hegels Dialektik als kontradiktorisch im Sinne der modernen Aussagenlogik expliziert, so vertritt er damit nicht nur eine Katastrophentheorie der Kontradiktion, sondern er verkennt überhaupt die hegelsche Problemstellung. Wenn Hegel die Grundlagen der formal-analytischen wie der Aussagenlogik in Frage stellt, so kommt es einer petitio principii gleich, dieser Kritik eine Exposition gemäß den Regeln der Aussagenlogik als Argument entgegenzusetzen. Popper setzt damit genau das voraus, was Hegel bestreitet. Popper hätte sich schon auf den Boden des Universalienstreits und der philosophischen Grundlagen der Logik bemühen müssen, um sich rational mit Hegel auseinanderzusetzen.


Poppers Logizismus (die Logik ist die Idee dessen, was wahr ist) stimmt in der Kernposition überein mit dem objektiven Idealismus Platons und Hegels. Daher auch bei Popper (in Nachfolge Kants) der "Primat der Theorie". Demgegenüber hat erst Feuerbach den Materialismus geltend gemacht; Marx hat sodann, der Vorherrschaft der Universalien entgegengesetzt, die historisch-singulär existierende, gegenständliche Praxis eingeführt. Universalien existieren in der Gesellschaft als die Gesellschaftsformationen definierende Institutionen (Wert, Geld und Kapital als Formen gesellschaftlicher Beziehungen). Diesem, dem Alltagsbewusstsein natürlichen (verdinglichten) Wertplatonismen steht die historisch-individuelle gegenstandsverändernde Praxis der konkreten menschlichen Individuen gegenüber. Gegenüber den verdinglichten Formen des gesellschaftlich Bewusstseins bilden die praktisch handelnden Individuen die "wahre Existenz" des gesellschaftlichen Seins.

25.07.2007

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23.07.2007

Der Satz vom zureichenden Grund

Der Satz vom zureichenden Grund ist in der traditionellen Logik und Philosophie in unterschiedlicher Form und Funktion der Grundsatz, allgemein gesprochen des Inhalts, dass jedes Sein oder Erkennen in angemessener Weise auf ein anderes zurückgeführt werden könne oder solle.

Der Satz ist neben dem Satz vom Widerspruch nach Leibniz eines der beiden Prinzipien, auf die sich menschliche Vernunftschlüsse stützen. Es führt dazu, dass wir erwägen, dass „[...] keine Tatsache [fait] als wahr oder existierend gelten kann und keine Aussage [Enonciation] als richtig, ohne dass es einen zureichenden Grund [raison suffisante] dafür gibt, dass es so und nicht anders ist, obwohl uns diese Gründe meistens nicht bekannt sein mögen[1].

Arthur Schopenhauer (Die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, Diss. 1813) hingegen unterschied grundsätzlich:

(1) Satz vom zureichenden Grund des Seins = Seinsgrund;

(2) Satz vom zureichenden Grund des Werdens = Ursache;

(3) Satz vom zureichenden Grund der Erkenntnis = Erkenntnisgrund;

(4) Satz vom zureichenden Grund des Handelns = Motiv.

Nach der heute verbreiteten Auffassung von Logik hat hiervon nur noch (3) etwas mit Erkenntnislogik oder der Frage nach der Wahrheit von Aussagen zu tun.

Man kann allerdings diesen Satz als Grundprinzip einer bestimmten Methodologie im Sinne der Rechtfertigungsstrategie auffassen.

In der Philosophie von Leibniz

Seit der Antike werden Kategorien der Logik in der Philosophie zu Bestimmungen einer Ontologie erhoben. So hat Gottfried Wilhelm Leibniz den Satz vom zureichenden Grund (frz. Raison Suffisante in der Monadologie, auch raison déterminante (bestimmender Grund) in der Theodizee) zu einem tragenden Prinzip seiner Philosophie erhoben.

"Im Sinne des zureichenden Grundes finden wir, dass keine Tatsache [fait] als wahr oder existierend gelten kann und keine Aussage [Enonciation] als richtig, ohne dass es einen zureichenden Grund [raison suffisante] dafür gibt, dass es so und nicht anders ist, obwohl uns diese Gründe meistens nicht bekannt sein mögen[2].

In seiner Theodizee charakterisierte Leibniz das Prinzip (unter anderem Namen) sogar als eine Gesetzmäßigkeit mit Gültigkeit vor aller Erfahrung, demnach „[...] nichts geschieht, ohne dass es eine Ursache [cause] oder wenigstens einen bestimmenden Grund [raison déterminante] gibt, d. h. etwas, das dazu dienen kann, a priori zu begründen, weshalb etwas eher existiert als nicht existiert und weshalb etwas gerade so als in einer anderen Weise existiert.“[3]

Verkürzt gesagt: Nichts geschieht ohne Grund.

Quellen

  1. G.W. Leibniz: Monadologie, § 32; zitiert nach der deutsch-französischen Reclam-Ausgabe von 1998, S. 27
  2. G.W. Leibniz: Monadologie, § 32; zitiert nach der deutsch-französischen Reclam-Ausgabe von 1998, S. 27
  3. G.W. Leibniz: Theodizee, §44; zitiert nach der deutsch-französischen Suhrkamp-Ausgabe von 1999, S.273

09.07.2007

Emanatistische Logik

Emanatistische Logik ist in der Philosophie bzw. Wissenschaftstheorie eine Bezeichnung für eine bestimmte begriffslogische Auffassung des Verhältnisses von Allgemeinbegriffen zu Einzelbegriffen, welche nämlich von der Idee der Emanation oder Entäußerung ausgehe.

Das Besondere entstamme hiernach einer realen Abhängigkeit vom Begriff als einer ‘organischen’ innigen Durchdringung von Gattung und Einzelwirklichkeit. Dabei entlasse der Begriff den besonderen Verwirklichungsfall sozusagen aus seiner überreichen Fülle.[1]

Der Begriff wurde von Emil Lask zur Charakterisierung der Dialektik Hegels eingeführt, in Abgrenzung etwa zum Verfahren der Bildung von Allgemeinbegriffen durch die Verallgemeinerung von Einzelfällen (Abstraktion).
Max Weber hat die methodologische Vorarbeit der Südwestdeutschen Schule des Neukantianismus benutzt zu einer Kritik an der Vorgehensweise der nationalökönomischen Historischen Schule, der er dabei vor allem die unzulässige Vermengung miteinander inkompatibler logischer Verfahren vorwarf.

Es ist offen, ob hierdurch Hegels Logik von Lask und Weber befriedigend rekonstruiert worden ist.
Noch weitaus fraglicher ist indes, inwieweit eine (materialistische Dialektik) durch diese logische Rekonstruktion mitgetroffen wird, nachdem Karl Marx selbst sowie auch Friedrich Engels, hierin weitgehend Ludwig Feuerbach folgend, Hegels Ableitungsverfahren gerade auch unter logischen Gesichtspunkten angegriffen haben.

Literatur [Bearbeiten]

  • Emil Lask: Fichtes Idealismus und die Geschichte. Tübingen 1914 (zuerst: 1902)
  • Emil Lask: Logik der Philosophie und die Kategorienlehre. Eine Studie über den Herrschaftsbereich der logischen Form. Tübingen 1911
  • Max Weber: Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie. 1903-1906, in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, UTB 1492, Tübingen 1988

Anmerkungen [Bearbeiten]

  1. „Nach der Entscheidung der Frage, welcher Wahrheits- und Wirklichkeitsgehalt den Gattungsbegriffen zuzuerkennen ist, lassen sich alle von jeher aufgestellten Begriffstheorien in zwei Hauptgruppen teilen. Die Anhänger der einen halten das logisch Untergeordnetste, das Inhaltreichste, das, was der Stufenfolge der Begriffe nach unten hin eine Schranke setzt, kurz die unbegrenzte Zahl der Einzeldinge, das empirisch unmittelbar Erlebbare, für die einzige Wirklichkeit, für die unverrückbare Basis, von der alle Begriffsbildung ihren Ausgang nimmt. Das Empirische wird ihnen zur einzigen und vollen Wirklichkeit: der Begriff zu einem künstlich ausgesonderten Teilinhalt ohne eigene Existenzfähigkeit, der durch Auflösung des ursprünglich Verbundenen entsteht und sich lediglich als Produkt des Denkens erweist. Die Begriffsbildung vollzieht sich hier durch Analyse des unmittelbar Gegebenen; wir können die Logik, die auf diesem Standpunkt steht, kurz die analytische Logik nennen. Die ihr entgegengesetzte Richtung deutet die logische Herrschaft des Begriffs über das Einzelding zur realen Macht einer höheren Wirklichkeit um, der gegenüber die Welt des Empirischen zu einer niederen und abhängigen Daseinsform herabgedrückt wird. Diese Richtung hat einen großen Formenreichtum entwickelt, bei dessen Erzeugung mannigfache metaphysische und erkenntnistheoretische Gedanken wirksam gewesen sind. Es lässt sich aber zeigen, dass diese alle auch einem rein logischen Ideal des Begriffs zustreben, das seiner Struktur nach dem Begriff, wie ihn die analytische Logik fordert, in wesentlichen Punkten entgegengesetzt ist. Bei diesen Theorien nämlich muss der Begriff stets inhaltsreicher als die empirische Wirklichkeit ausfallen, nicht als deren Teil, sondern umgekehrt so gedacht werden, dass er sie als seinen Teil, als Ausfluss seines überwirklichen Wesens umfasst. Beziehungen zwischen Begriff und Einzelnem werden dann nicht etwa durch ein die Begriffe erst bildendes Denken ermöglicht, sondern entstammen einer realen Abhängigkeit des Besonderen, einer ‘organischen’ innigen Durchdringung von Gattung und Einzelwirklichkeit. Da hierbei der Begriff den besonderen Verwirklichungsfall sozusagen aus seiner überreichen Fülle entlässt, mag die solche Ergebnisse hervortreibende Anschauungen eine emanatistische Logik genannt werden. Schon diese kurze Übersicht muss gezeigt haben, dass das Prinzip der Einteilung in die beiden Arten der Logik gebildet wurde durch ein verschiedenes Verhältnis des Begriffs zur empirischen Wirklichkeit, zu der er sich nämlich das eine Mal als unterwirklicher Teilinhalt, das andere Mal als überwirklicher Urgrund verhält." (Emil Lask: Fichtes Idealismus und die Geschichte. Tübingen 1914 (zuerst: 1902), S. 25f)

Siehe auch [Bearbeiten]

Begriffslogik, Universalienstreit, Essentialismus

05.07.2007

Poppers Anti-Essentialismus ist selber Essentialismus!

"Alle diese weitreichenden popperizistischen Konsequenzen (...) schlummerten für mehr als zwanzig Jahrhunderte 'verborgen und unentwickelt' in der We­sens­lehre des Aristoteles." (Popper 1980b:14)

"Obwohl der Popperizismus im Grunde seines Wesens antinaturalistisch ein­gestellt ist, lehnt er die Annahme, dass es in den Me­thoden der Naturwissen­schaften und der Sozialwissenschaften ein gemeinsames Element gibt, keines­wegs ab." (Popper 1987a:29)

„Ich habe versucht, die Bedeutung des Popperizismus als faszinierende gei­sti­ge Struktur aufzuzeigen. Ich habe versucht, seine oft subtile, so überzeugende und so trügerische Logik zu analysieren und nachzuweisen, dass sie an einer inhä­ren­ten und unaufhebbaren Schwäche leidet." (Popper 1987a:XIII)

In diesen Passagen bringt Popper eindeutig zum Ausdruck, dass er

  1. selber den Popperizismus es­sen­ti­a­listisch auf­fasse und dass
  2. für diesen gelte, was ansonsten für kein anderes ratio­na­les System von Aussa­gen gilt: Er kann nicht durch Kritik verbessert, hingegen definitiv widerlegt und (wie ein Krebsgeschwür!) aus der Wissenschaft entfernt werden.

Zu 1.):

Diese Auffassung möchte ich als den Anti-Essentialismus bei Popper an­se­hen:

Er sucht den Essentialismus zu bekämpfen, indem er den Essentialismus selbst als ein Wesen betrachtet, geradeso wie ein Essentialist es tun würde, also kurz gesagt:

eine Anwendung des Essentialismus auf sich selbst!

Dieser Anti-Essentialismus ist also genauso essentialistisch wie der attackierte Essenti­alis­mus selbst, wogegen er sich explizit richtet. Er unterscheidet sich nur in der Stoßrichtung,
d.h. wie sich ein Auto, das nach links fährt, sich von einem Auto unterscheidet, das nach rechts fährt.

Poppers Anti-Essentialismus reproduziert einfach den Essentialismus und bezeugt mit dieser begriffslogischen Karikatur (denn der Essentialismus wird von Popper hierbei eher versimpelt und überzeichnet) lediglich seine negative Fi­xierung auf sein philosophiegeschichtliches Feindbild.

Da andererseits Popper explizit den Nominalismus vertritt, fragt man sich, warum er in seiner Kritik an der essentialistischen Philosophie nicht so verfährt, wie der Nominalismus es nahe legt.

Zu 2.):

Hier behauptet Popper nicht nur eine definitive Widerlegbarkeit, sondern auch eine logische Unmöglichkeit, diese wesensgemäß "inhärierende" Kontradiktion asuzuräumen!

>>> Der Anti-Essentialist Popper beweist hiermit einen doppelt verschanzten anti-dogmatisch aufzäumten Dogmatismus!

3. Am Ende ist Popper (1979a) jedoch so frei, einzu­räu­men, dass er selbst einen „mo­di­fizierten" Essentialismus vertrete, da er schon im­mer die These der Gesetzmäßigkeit der Rea­lität verfechte.

Warum dieser ganze Kampf gegen Essentialismus?

Nichts als ein Streit um Worte?!

Der logische Positivismus hatte die Mode eingeführt, Philosophie als Streit um leere Worte bzw. als eine falsche Sprachverwendung zu betrachten.

Wo die Begriffsbildung versagt, wird der Begriff als leeres Wort gescholten.

Schuld ist jedoch nicht das Wort, sondern diejenigen, die es nicht zweckmäßig einzusetzen wissen.

Es herrscht Unklarheit über

  1. das Verhältnis von Metaphysik und Empirie (zur Frage der Existenz theoretischer Entitäten vgl. Feyerabend; Beispiel für Unklarheit Joan Robinson über "Wert" und "Nutzen" usw.);
  2. das Verhältnis Begriff zu Theorie: die theorietragende Funktion des Begriffs;
  3. seine analytische Zergliederung (Mannigfaltigkeit), zu unterscheiden, was bezogen auf die betreffende Problemstellung sachlich unterschieden werden muss;
  4. die Angemessenheit des Begriffs für die Zwecke der Kommunikation in einer Gemeinschaft (Definition, Terminologie, Taxonomie, Thesaurus).


Die Entwicklung der theoretischen Sprache steht immer in Wechselwirkung und erfolgt im Gleichklang mit der Entwicklung der mit ihr abgehandelten Problemstellungen.

02.07.2007

Aufklärung und Steuerung

Neomarxismus ist für A. hier Marcuse und Habermas, bzw. die Frankfurter Schule

Dem Instrumentalismus von Habermas wird Realismus von Popper entgegen gesetzt.

Argument: kognitive Funktion von Weltanschauung, eigenständiges Interesse an Aufklärung


"Im Ganzen zielt die Argumentation dieser Richtung darauf ab, dem naturwissenschaftlichen Denken durch instrumentalistische Umdeutung und Abwertung einen relativ untergeordneten Stellenwert im Rahmen einer Gesamtauffassung zuzuweisen, die von einer quasi-theologischen Geschichtsphilosophie mit absolutem Geltungsanspruch und normativer Funktion beherrscht wird, ..." (76)


Historisch irreführend von A., hier von einer Kritik des Marxismus zu sprechen, da Marx, Engels, Lenin Materialisten sind. Es gibt vermutlich eine ungelöste Restproblematik bei der materialistischen Umstülpung der Dialektik Hegels.
Marcuse nutzt bei seiner Re-Hegelianisierung des jungen Marx vor allem dessen Frühschriften aus.


"Die Wissenschaft selbst als sozialer Tatbestand kann ja als ein institutionell einigermaßen – wenn auch nicht sehr genau – abgrenzbarer Bereich der modernen Gesellschaft angesehen werden, der großenteils gerade auf diesen Erkenntnisfortschritt hin organisiert ist, in dem also neue Ideen, neue Problemlösungen, aber auch neue Problemstellungen, soweit sie Aussicht auf einen solchen Fortschritt eröffnen, prämiiert werden. (...)

Eines der wichtigsten Ziele der neomarxistisch inspirierten Kritik an der üblichen Wissenschaftsauffassung, die diese Autonomie betont, ist das seinerzeit durch Max Weber formulierte Wertfreihei6tsprinzip, demzufolge eine der Erkenntnis gewidmete Wissenschaft auf Werturteile in ihrem Aussagenzusammenhang verzichten kann und muss." (78 f)


"Es ist eine Illusion zu glauben, man könne durch Geltendmachen praktisch-technischer oder gar moralisch-politischer Gesichtspunkte die Theoriebildung und den Erkenntnisfortschritt fördern und in eine bestimmte Richtung lenken. Wer das annimmt, verkennt die Bedeutung umfassender und von der Begrenzung auf spezielle Probleme der unmittelbaren Alltagspraxis losgelöster Theorien für die Entwicklung der Erkenntnis." (80)


A. neigt dazu, Wertfreiheit zu diskutieren ohne Einbeziehung einer wissenschaftssoziologischen Untersuchung der institutionellen Voraussetzungen. A. scheint auch dergleichen empirische Untersuchungen keinesfalls zu vermissen!


"Die Schwäche der einschlägigen Argumentation von seiten neo-marxistischer Theoretiker kann durch ein Ausweichen in weitschweifige, aber systematisch belanglose geistesgeschichtliche Untersuchungen bestenfalls kaschiert werden." (78, > H., Erkenntnis und Interesse)


"Es ist also durchaus möglich, dass politisch-konservativ eingestellte Forscher Theorien produzieren, deren Wirkungen letzten Endes revolutionären Charakter haben." (81)


"Die reine Wissenschaft, soweit sie in ihrer Forschungspraxis auf den Erkenntnisfortschritt abzielt, bedarf weder einer exogenen Lenkung, noch kann sie eine solche ohne negative Folgen für ihre Leistungsfähigkeit vertragen. Sie bedarf allerdings der Förderung mit geeigneten Mitteln: nicht nur durch Bereitstellung von Personal und Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen, sondern auch durch institutionelle Vorkehrungen, die die Freiheit des Denkens und des Gedankenaustauschs, den Schutz der Forschung gegen Eingriffe und Störungen durch Inkompetente, die Entlastung der Forschenden von anderen – zum Beispiel von administrativen – Aufgaben und andere wichtige Vorbedingungen fruchtbarer Erkenntnispraxis sicherstellen." (87)

zwei Arten der Praxisorientierung:

"Aufklärung": "Im einen Falle werden die Produkte der wissenschaftlichen Forschung dazu benutzt, Vorurteile zu eliminieren, ideologische Verschleierungen durchschaubar zu machen, das Wissen über tatsächliche Zusammenhänge zu verbessern und auf diese Weise das Urteil und die Urteilskraft der Mitglieder der Gesellschaft zu läutern und zu stärken. Die wissenschaftliche Erkenntnis wird hier also kritisch verwertet, zur Kritik von mehr oder weniger fest verwurzelten Überzeugungen aller Art, auch von Wertorientierungen und politischen Meinungen und schließlich auch zur Sozialkritik. Institutionelle Vorkehrungen aller Art können ja ähnlich wie etwa wissenschaftliche Theorien als Versuche der Problemlösung aufgefasst und unter dem Gesichtspunkt ihrer Leistung beurteilt werden, wobei wieder die in Betracht kommenden wissenschaftlichen Theorien für diese Beurteilung heranzuziehen sind." (89f)

"Steuerung": "Im anderen Falle, nämlich im Falle der Steuerung, geht es um die technologische Umsetzung und die technische Verwertung wissesnchaftlicher Erkenntnisse, von denen schon öfter die Rede war, also um ihre konstruktive Verwendung." (90)

Hans Albert, Wissenschaft, Technologie und Politik.

Zur Problematik des Verhältnisses von Erkenntnis und Handeln

in: Konstruktion und Kritik, 2. Aufl. 1975, S. 74 ff.