Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

26.01.2007

Die Klarheit der Klarheit

"Klarheit ist nicht, wie die Logiker sagen, das Bewusstsein einer Vorstellung; denn ein gewisser Grad des Bewusstseins, der aber zur Erinnerung nicht zureicht, muss selbst in manchen dunkelen Vorstellungen anzutreffen sein, weil ohne alles Bewusstsein wir in der Verbindung dunkeler Vorstellungen keinen Unterschied machen würden, welches wir doch bei den Merkmalen mancher Begriffe (wie der von Recht und Billigkeit, und des Tonkünstlers, wenn er viele Noten im Phantasieren zugleich greift) zu tun vermögen. Sondern eine Vorstellung ist klar, in der das Bewusstsein zum Bewusstsein des Unterschiedes derselben von andern zureicht. Reicht dieses zwar zur Unterscheidung, aber nicht zum Bewusstsein des Unterschiedes zu, so müsste die Vorstellung noch dunkel genannt werden. Also gibt es unendlich viele Grade des Bewusstseins bis zum verschwinden."

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, 2, Werkausgabe Bd. IV (Weischedel), S. 351

So haben wohl Smith und Ricardo bestimmte Begriffe gehabt, davon aber (fast) nichts gewusst.

Und so ist es wohl auch zu erklären, dass Popper Hegels Philosophieren kritisieren konnte, ohne diese klar zu finden.

Wenn indes für Popper alle Definitionen = Gebrauchsdefinitionen sind, hätte ihm ausreichen sollen, dass er mit Hegels Begriffen (irgendwie?) operieren kann.

Gespenster sterben nicht: Die Marxsche Arbeitswerttheorie

spekulativ
Wo Gedanken plötzlich auftauchen, muss jemand denken.
Woher kommen sie so plötzlich?
Auf der Wasseroberfläche eines stillen Sees tauchen urplötzlich Blasen auf.
Dort gärt etwas auf dem Grund, Fauliges.
See-Romantik.
Der objektive Geist der Sprache (Herder, Hegel) spricht in ihren weniger oder mehr idealen Sprechern (Chomsky).
Der Geistesblitz = Identität von Subjekt und Objekt

Kreuzzug, Heiliger Krieg, War of Ideas (Popper)
der Culture Clash des CIA (hätten besser Arabisch studiert)

Statt Flucht ins Engagement (Bartley) die gute schwäbische Hausmannsregel:
Drum prüfe, wer sich ewig bindet (Schiller)!

Wer wagt, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, kann überall hingeraten – aber nicht unbedingt auf einen deutschen Lehrstuhl.
Marx, der sich vergeblich um eine Assistentenstelle an der Uni Bonn beworben hatte, sowie Feuerbach, der sich aufs Schriftstellern verlegen musste, waren nur die Vorläufer der sog. frei schwebenden Intelligenz.
Später bekamen wir die Linksintellektuellen, die sich ihre Almosen versauten durchs Nest beschmutzen.
Das Netz verschmutzen indessen darf heute jeder.

Gespenster sterben nicht: Die Marxsche Arbeitswerttheorie

Ein ordentliches Begräbnis hat nie stattgefunden. Nach Niehans ist die AWT nicht nur mausetot, sondern hat nie gelebt. Doch wer so erbittert gegen einen Mythos wettert, der kämpft um sein eigenes Überleben.

23.01.2007

Soziologische Wahrheit nichts für Reaktionäre

"Während jedoch bei der Naturerkenntnis die Wahrheit von Menschen mit unterschiedlichen ideologischen Positionen, mitunter sogar von ausgesprochenen Reaktionären aufgedeckt werden kann, sofern sie an der materiellen Produktion, an der Rüstung usw. interessiert sind, können Reaktionäre - infolge der Widersprüche zwischen ihren Interessen und dem objektiven Verlauf der Geschichte - die Wahrheit des gesellschaftlichen Lebens nicht erkennen."

Wladislaw Kelle, Matwej Kowalson, Theorie und Geschichte, Berlin 1984 (aus dem Russ. Moskau 1981), S. 10

Wahrheit kann nur erkennen, wer ein Interesse daran hat.
Nur das Proletariat hat ein Interesse an der geschichtlichen Wahrheit.
Also kann nur proletarische Wissenschaft echte Wissenschaft sein.

So ist wohl das Argument.
Doch schon die Anfangsthese macht stutzig. Stimmt das generell?
Sieht sich nicht auch mancheiner zu einer gewissen Erkenntnis bzw. Einsicht gzwungen, der daran keineswegs interessiert ist?

Allerdings macht dies Argument verständlich, wieso Parteilichkeit und Objektivität zusammenfallen können:
Wer objektiv an der Wahrheit interessiert ist, dessen Standpunkt ist (stets?!) wahr.

Insgesamt scheint die Argumentation doch weit mehr Kurzschluss als schlüssig zu sein.

Hartz IV und Demokrit

Demokrit: Die Not hat die Menschen alles gelehrt.
Folglich erspart man durch die Kürzung von Sozialleistungen außerdem Bildungsausgaben.
Denn je größer die Not der Menschen, desto mehr lernen sie.

Damit wird auch erklärt, warum Regierende nur selten etwas dazu lernen.
Ihnen geht es zu gut.

Dass aber Notleidende schneller lernen als die sie Regierenden, darauf gründet das Prinzip Hoffnung in der Geschichtsphilosophie.

20.01.2007

Arbeitswerttheorie

Zur Kategorie Arbeitswerttheorie (AWT) wird grundsätzlich eine ökonomische Theorie gerechnet, die den Wert eines Wirtschaftsgutes auf die zur Herstellung notwendig aufgewandte Arbeitszeit zurückführt.
In Gegensatz dazu legt eine Nutzentheorie als Wertmaßstab die durch ein Gut erzielbare Bedürfnisbefriedigung zugrunde.
Diese Einteilung wurde auch als "objektive Wertlehre vs. subjektive Wertlehre" gekennzeichnet.
Die AWT wurde hauptsächlich von Adam Smith, William Petty und David Ricardo entwickelt.
Von Karl Marx wurde sie sodann in geänderter und erweiterter Form zur theoretischen Grundlegung seiner politischen Ökonomie eingesetzt. Sie soll bezogen auf die Gesellschaftsformation des Kapitalismus insbesondere folgende Probleme erklären:
1. Wie und wodurch entsteht Mehrwert?
2. Wie wird der Mehrwert innerhalb der Gesellschaft produziert und verteilt?
3. Wie und warum entwickeln und ändern sich die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Beziehungsformen und Verhältnisse?
4. Wie und warum kommt es zu welchen Formen von wirtschaftlichen und politischen Krisen?

19.01.2007

Wie Marx seine Methodologie sieht

Ricardos Theorie der Werte ist die wissenschaftliche Darlegung des gegenwärtigen
ökonomischen Lebens; die Werttheorie des Herrn Proudhon ist die utopische Auslegung der Theorie Ricardos.
Ricardo konstatiert die Wahrheit seiner Formel, indem er sie aus allen wirtschaftlichen Vorgängen ableitet und auf diese Art alle Erscheinungen erklärt, selbst diejenigen, welche im ersten Augenblick ihr zu widersprechen scheinen, wie die Rente, die Akkumulation der Kapitalien und das Verhältnis der Löhne zu den Profiten. Gerade das ist es, was seine Lehre zu einem wissenschaftlichen System macht;...

[Marx: Das Elend der Philosophie, S. 59. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2366 (vgl. MEW Bd. 4, S. 81-82)]

Marx scheint hier als wissenschaftliche Methode eine Kombination von Induktion und Deduktion sich vorzustellen.
Jedoch mitnichten eine Deduktion aus einem absoluten Prinzip (Rechtfertigungsstrategie).

"Nur dadurch, dass man an die Stelle der conflicting dogmas die conflicting facts und die realen Gegensätze stellt, die ihren verborgnen Hintergrund bilden, kann man die politische Ökonomie in eine positive Wissenschaft verwandeln."
(Marx, Brief an Engels 10. Oktober 1868, MEW 32, S. 181, zit. nach Wygodski, S. 10)

"Unsere Theorie ist kein Dogma, sondern die Darlegung eines Entwicklungsprozesses, und dieser Prozess schließt aufeinander folgende Phasen ein ..."
(Engels an Kelley-Wischnewetzky, MEW 36, zit. nach Wygodski, S. 10)

Bürokratieabbau im Jahre 1847

"Die Kleinbürger und Bauern können also eine mächtige und zahlreiche Bürokratie nicht entbehren. Sie müssen sich bevormunden lassen, um der größten Verwirrung zu entgehen, um sich nicht durch Hunderte und Tausende von Prozessen zu ruinieren.
Die Bürokratie, die den Kleinbürgern Bedürfnis ist, wird aber den Bourgeois sehr bald zur unerträglichen Fessel. Schon bei der Manufaktur wird die Beamtenüberwachung und Einmischung sehr lästig; die Fabrikindustrie ist kaum möglich unter einer solchen Aufsicht. Die deutschen Fabrikanten haben sich bisher die Bürokratie durch Bestechung möglichst vom Halse gehalten, was ihnen gar nicht zu verdenken ist. Aber dies Mittel befreit sie doch nur von der geringeren Hälfte der Last; abgesehen von der Unmöglichkeit, alle Beamte, mit denen ein Fabrikant in Berührung kommt, zu bestechen, befreit ihn die Bestechung nicht von Sporteln, Honoraren für Juristen, Architekten, Mechaniker und sonstigen durch die Überwachung hervorgerufenen Ausgaben, von Extraarbeiten und Zeitverlust. Und je weiter sich die Industrie entwickelt, desto mehr »pflichttreue Beamte« tauchen auf, d.h. solche, die entweder aus purer Borniertheit oder aus bürokratischem Hass gegen die Bourgeoisie den Fabrikanten die ärgsten Schikanen antun.
Die Bourgeoisie ist also genötigt, die Macht dieser übermütigen und schikanensüchtigen Bürokratie zu brechen. Von dem Augenblick an, da die Staatsverwaltung und Gesetzgebung unter die Kontrolle der Bourgeoisie gerät, fällt die Selbständigkeit der Bürokratie zusammen; ja, von diesem Augenblick an verwandeln sich die Plagegeister der Bourgeois in ihre untertänigen Knechte. Die bisherigen Reglements und Reskripte, die nur dazu dienten, den Beamten die Arbeit auf Unkosten der industriellen Bourgeois zu erleichtern, machen neuen Reglements Platz, wodurch den Industriellen die Arbeit auf Unkosten der Beamten erleichtert wird.
Die Bourgeoisie ist um so eher gezwungen, dies so bald als möglich zu tun, als, wie wir gesehen haben, alle ihre Fraktionen direkt an der möglichst raschen Hebung der Fabrikindustrie beteiligt sind und die Fabrikindustrie sich unter dem Regime der bürokratischen Trakasserie unmöglich heben kann.
Die Unterordnung der Douane und der Bürokratie unter das Interesse der industriellen Bourgeoisie sind die beiden Maßregeln, an deren Durchsetzung die Bourgeoisie am direktesten beteiligt ist. Damit aber sind ihre Bedürfnisse noch lange nicht erschöpft. Sie ist genötigt, das ganze Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Justizsystem fast aller deutschen Länder einer durchgreifenden Revision zu unterwerfen, denn dies ganze System dient der Erhaltung und Stützung eines gesellschaftlichen Zustandes, an dessen Umwälzung die Bourgeoisie fortwährend arbeitet.

[Engels: Der Status Quo in Deutschland, S. 31. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 10878 (vgl. MEW Bd. 4, S. 54)]

Hans Albert, Traktat über rationale Praxis

B14. Traktat über rationale Praxis

Einleitung: Die Möglichkeiten der Philosophie und die menschliche Praxis

I. Kapitel: Kritizismus und rationale Praxis
1. Die Überwindung des klassischen Rationalitätsmodells und ihre Konsequenzen
2. Transzendentaler Ansatz und kritischer Realismus
3. Die menschliche Problemlösungstätigkeit und die Idee rationaler Praxis
4. Zielsetzungen, Maßstäbe und Methoden: Zur Methodologie rationaler Praxis

II. Die Wahrheitsidee und die Steuerung der Erkenntnis
5. Der Normenwandel in der Erkenntnis und die Idee der Objektivität
6. Theoretische Erklärung und Wahrheit: Der kritische Realismus und das Erkenntnisprogramm der Realwissenschaften
7. Freiheit und Norm: Die Methodologie als rationale Heuristik
8. Die soziale Einbettung der Wissenschaft und die Steuerung der Erkenntnispraxis

III. Das Problem der sozialen Steuerung und die Idee einer rationalen Jurisprudenz
9. Die Erkenntnis und das Problem der sozialen Normen
10. Der Charakter der Jurisprudenz: Die Dogmatik und das Problem der sozialen Verankerung
11. Der Charakter der Jurisprudenz: Die sozialtechnologische Deutung
12. Politische Ökonomie als rationale Jurisprudenz: Die sozialtechnologische Grundlage der Politik

IV. Die Anatomie des Friedens und der Staat
13. Knappheit, Krieg und Eroberung: Die Despotie als Normalform des Staates
14. Die Utopie der Herrschaftslosigkeit: Die anarchistische Herausforderung und das Problem der Gewalt
15. Friedenssicherung und Gewaltmonopol: Der Machtstaat als Schutzverband und die internationale Anarchie
16. Die Ambivalenz des Staates und die regulative Idee der Friedenssicherung

V. Die Anatomie des Wohlstandes und die Wirtschaft
17. Knappheit, Macht und Wert: Die kommunistische Fiktion und der Begriff des Sozialprodukts
18. Die Wohlfahrtsökonomie und das Problem der externen Effekte
19. Pareto-Kriterium, Bedürfniskonstellation und soziale Wohlfahrtsfunktionen
20. Die Realität der Konkurrenz und die regulative Idee der Wohlstandssicherung
VI. Die Anatomie der Freiheit und das Recht
21. Knappheit, Recht und Eigentum: Das Problem einer Verfassung der Freiheit
22. Die Idee der Gerechtigkeit und das Verteilungsproblem
23. Rationale Heuristik, Sozialtechnologie und Alternativanalyse: Zur politischen Methodologie
24. Die regulative Idee der Freiheitssicherung und die Möglichkeiten der Politik

VII. Revolution oder Reform?
25. Die Theologie der Revolution und die Praxis der Revolutionäre
26. Die Kontextabhängigkeit politischer Problemlösungen
27. Das Legitimitätsproblem und die Idee rationaler Praxis
28. Aufklärung und Steuerung: Revisionismus als politische Methodologie und die Politik der Reformen

Tübingen (Mohr)

Gegensatz zwischen Gebrauchswert und Tauschwert

Sismondi: »Der Handel hat alle Dinge auf den zwischen Gebrauchswert und Tauschwert zurückgeführt, etc.«
(»Études«, Bd. II, S. 162, Brüsseler Ausgabe.)

Lauderdale: »Im allgemeinen nimmt der Nationalreichtum (Gebrauchswert) in dem Verhältnis ab, wie die Einzelvermögen durch das Steigen des Tauschwertes anwachsen; und in dem Maße, wie dieselben durch das Fallen dieses Wertes abnehmen, steigt in der Regel der erstere.«
(»Recherches sur la nature et l'origine de la richesse publique«; traduit par Lagen-
tie de Lavaïsse, Paris 1808 [S. 33].)

Sismondi hat auf den Gegensatz zwischen Lauderdale hat sein System auf das umgekehrte Verhältnis beider Wertarten begründet, und seine Theorie war zur Zeit Ricardos so populär, dass dieser von ihr wie von einer bekannten Sache sprechen durfte.

»Durch Verwirrung der Begriffe von Tauschwert und Reichtum (Gebrauchswert) kam man zur Behauptung, man könne den Reichtum vermehren durch Verminderung der Menge der zum Leben notwendigen, nützlichen oder angenehmen Dinge.«
(Ricardo, »Principes d'économie politique«, traduits par Constancio, annotés par J.-B. Say, Paris 1835, Bd. II, Kapitel »Über Wert und Reichtum« [S. 65].)

Wir sehen, dass die Ökonomen vor Herrn Proudhon auf das tiefe Mysterium vom Gegensatz und Widerspruch »hingewiesen« haben.

[Marx: Das Elend der Philosophie, S. 38. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2345 (vgl. MEW Bd. 4, S. 71)]

Pseudodialektik bei Proudhon

"Worin besteht somit die ganze Dialektik des Herrn Proudhon?

Darin, dass er für Gebrauchs- und Tauschwert, für Angebot und Nachfrage abstrakte und sich widersprechende Begriffe setzt, wie Seltenheit und Überfluss, Nützlichkeit und Meinung, einen Produzenten und einen Konsumenten, beide Ritter vom freien Willen.

Und worauf wollte er hinaus?

Sich das Mittel freihalten, früher oder später eines der ausgemerzten Elemente, die Produktionskosten, einzuführen als die Synthese zwischen Gebrauchswert und Tauschwert. Und so bilden denn in seinen Augen die Produktionskosten den synthetischen oder konstituierten Wert."

[Marx: Das Elend der Philosophie, S. 49. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2356 (vgl. MEW Bd. 4, S. 76-77)]

Voraussetzen = Existenz leugnen?

"Gott voraussetzen, heißt ihn leugnen," behauptet Proudhon in seinem Prolog.

Marx entgegnet in einem Schlenker:

"Um diese Bedürfnisse zu erklären, muss man sie einfach 'voraussetzen', was keineswegs heißt sie leugnen, entgegen dem ersten Axiom im Prolog des Herrn Proudhon ((Das Elend der Philosophie, MEW 4, S. 68

Impliziert jedes Voraussetzen von x die These, dass nicht nur die Möglichkeit der Nichtexistenz von x, sondern damit auch gleich die Existenz von x in Abrede gestellt wird?

Kann man nur Dinge voraussetzen, die tatsächlich inexistent sind?
Dann müssten ausnahmslos alle Voraussetzungen der Ökonomen unrealistisch sein!

Wenn man existierende Dinge nicht mehr voraussetzen darf, dann sind über diese keine Deduktionen mehr erlaubt.
Deduktionen sind dann nur noch erlaubt über Dinge, die nicht existieren.

Welch absurde Theologie!

18.01.2007

kapitalistische Warenproduktion

Man muss sich schon wundern, was Albert für eine Definition "Ausbeutung" = "Privateigentum an Produktionsmitteln" hält, umfasst bei Marx im KAPITAL mehrere Seiten. Selten eine längere Definition gelesen!

"Für den Kapitalismus ist also nicht die Warenproduktion schlechthin charakteristisch, sondern die kapitalistische Warenproduktion, d.h. die Warenproduktion, die auf der Ausbeutung durch Lohnarbeit beruht.
Hier ist der unmittelbare Produzent, der die Ware erzeugt, nicht mehr Eigentümer der produktionsmittel (Fabriken, Maschinen, Boden, Rohstoffe usw.), sondern er ist gezwungen, seine Arbeitskraft als Ware an den Besitzer der Produktionsmittel zu verkaufen. Das Produkt, das er erzeugt, gehört daher nicht ihm, sondern dem Eigentümer der Produktionsmittel, d.h. dem ihn ausbeutenden Kapitalisten. Die Arbeiter erhält nur einen Teil des von ihm erzeugten Wertes, den anderen Teil, den Mehrwert, eignet sich der Kapitalist an.
Das Wesen und die Methoden der kapitalistischen Ausbeutung zu untersuchen, ist die Aufgabe des 2. Themas: "Kapital und Mehrwert".

Kursus Politische Ökonomie (hrg. Hermann Duncker, Alfons Goldschmidt, K.A. Wittfogel),Berlin Wien 1930, S. 1

Woher stammt der Mehrwert?

Woher stammt der Mehrwert?

Die Problemstellung:

"Woher stammt dieser Mehrwert?
Diese Frage gilt es zu lösen, und zwar auf rein ökonomischem Wege, unter Ausschluss aller Prellerei, aller Einmischung irgendwelcher Gewalt – die Frage:
Wie ist es möglich, fortwährend teurer zu verkaufen, als man eingekauft hat, selbst unter der Voraussetzung, dass fortwährend gleiche Werte ausgetauscht werden gegen gleiche Werte?" (Engels, Anti-Dührung, S. 215f.)

Die Lösung im "KAPITAL":

Der Arbeitsprozess, wie er als Konsumtionsprozess der Arbeitskraft durch den Kapitalisten vorgeht, zeigt nun zwei eigentümliche Phänomene.
Der Arbeiter arbeitet unter der Kontrolle des Kapitalisten, dem seine Arbeit gehört. Der Kapitalist passt auf, dass die Arbeit ordentlich vonstatten geht und die Produktionsmittel zweckmäßig verwandt werden, also kein Rohmaterial vergeudet und das Arbeitsinstrument geschont, d.h.
nur so weit zerstört wird, als sein Gebrauch in der Arbeit ernötigt.
Zweitens aber: Das Produkt ist Eigentum des Kapitalisten, nicht des unmittelbaren Produzenten, des Arbeiters. Der Kapitalist zahlt z.B. den Tageswert der Arbeitskraft. Ihr Gebrauch, wie der jeder andren Ware, z.B. eines Pferdes, das er für einen Tag gemietet, gehört ihm also für den Tag. Dem Käufer der Ware gehört der Gebrauch der Ware, und der Besitzer
der Arbeitskraft gibt in der Tat nur den von ihm verkauften Gebrauchswert, indem er seine Arbeit gibt. Von dem Augenblicke, wo er in die Werkstätte des Kapitalisten trat, gehörte der Gebrauchswert seiner Arbeitskraft, also ihr Gebrauch, die Arbeit, dem Kapitalisten. Der Kapitalist hat durch den Kauf der Arbeitskraft die Arbeit selbst als lebendigen

[Marx: Das Kapital, S. 273. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3582 (vgl. MEW Bd. 23, S. 199-200)]

Gärungsstoff den toten ihm gleichfalls gehörigen Bildungselementen des Produkts einverleibt. Von seinem Standpunkt ist der Arbeitsprozess nur die Konsumtion der von ihm gekauften Ware Arbeitskraft, die er jedoch nur konsumieren kann, indem er ihr Produktionsmittel zusetzt. Der Arbeitsprozess ist ein Prozess zwischen Dingen, die der Kapitalist gekauft hat, zwischen ihm gehörigen Dingen. Das Produkt dieses Prozesses gehört ihm daher ganz ebensosehr als das Produkt des Gärungsprozesses in seinem Weinkeller.

[Marx: Das Kapital, S. 274. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3583 (vgl. MEW Bd. 23, S. 200)]

Aber die vergangne Arbeit, die in der Arbeitskraft steckt, und die lebendige Arbeit, die sie leisten kann, ihre täglichen Erhaltungskosten und ihre tägliche Verausgabung, sind zwei ganz
verschiedne Größen. Die erstere bestimmt ihren Tauschwert, die andre bildet ihren Gebrauchswert.

[Marx: Das Kapital, S. 286. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3595 (vgl. MEW Bd. 23, S. 207-208)]

Ihre nützliche Eigenschaft, Garn oder Stiefel zu machen, war nur eine conditio sine qua
non, weil Arbeit in nützlicher Form verausgabt werden muss, um Wert zu bilden. Was aber entschied, war der spezifische Gebrauchswert dieser Ware, Quelle von Wert zu sein und von mehr Wert, als sie selbst hat. Dies ist der spezifische Dienst, den der Kapitalist von ihr erwartet. Und er verfährt dabei den ewigen Gesetzen des Warenaustausches gemäß.
In der Tat, der Verkäufer der Arbeitskraft, wie der Verkäufer jeder andren Ware, realisiert ihren Tauschwert und veräußert ihren Gebrauchswert. Er kann den einen nicht erhalten, ohne den andren wegzugeben. Der Gebrauchswert der Arbeitskraft, die Arbeit selbst, gehört ebenso wenig ihrem Verkäufer, wie der Gebrauchswert des verkauften Öls dem Ölhändler.
Der Geldbesitzer hat den Tageswert der Arbeitskraft gezahlt; ihm gehört daher ihr Gebrauch während des Tages, die tagelange Arbeit.
Der Umstand, dass die tägliche Erhaltung der Arbeitskraft nur einen halben Arbeitstag kostet, obgleich die Arbeitskraft einen ganzen Tag wirken, arbeiten kann, dass daher der Wert, den ihr Gebrauch während eines Tags schafft, doppelt so groß ist als ihr eigner Tageswert, ist ein besondres Glück

[Marx: Das Kapital, S. 287. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3596 (vgl. MEW Bd. 23, S. 208)]

für den Käufer, aber durchaus kein Unrecht gegen den Verkäufer.
Unser Kapitalist hat den Kasus, der ihn lachen macht, vorgesehn. Der Arbeiter findet daher in der Werkstätte die nötigen Produktionsmittel nicht nur für einen sechsstündigen, sondern für einen zwölfstündigen Arbeitsprozess.

[Marx: Das Kapital, S. 288. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3597 (vgl. MEW Bd. 23, S. 208)]

Nominal- vs. Realdefinitionen

Seit Aristoteles werden Nominal- und Realdefinition voneinander unterschieden.

Nominaldefinitionen legen fest, was ein Name bedeutet.

Realdefinitionen sagen, was eine Sache ist. Dahinter steht eine philosophische Auffassung von Sein und Wesen (Essentialismus), die heute meist abgelehnt wird. Aristoteles hat für eine Wesensdefinition das Schema aufgestellt, wonach jeder Begriff als Art (eidos, species) definiert werden kann durch den darüber stehenden Begriff (Gattung, genos; genus proximum) und den kennzeichnenden (Art bildenden) Unterschied (diaphora; differentia specifica), das sind die Merkmale.

Während Nominaldefinitionen auf dem Gebiet der Strukturwissenschaften ausschließlich verwendet werden, lassen sich Realdefinitionen vor allem in den Geistes- oder Sozialwissenschaften finden. Wer die sprachanalytische Position (Hempel) gegenüber der essentialistischen Ausrichtung bevorzugt, wird es für empfehlenswert halten, Realdefinitionen ebenso wie geradewegs der natürlichen Sprache entnommene Ausdrücke dem Verfahren der Begriffsexplikation oder –zerlegung zu unterziehen.

17.01.2007

Wissenschaft als Sprachspiel definieren?

Wenn wir allerdings die Wissenschaft als ein 'Spiel' auffassen, das durch bestimmte methodische Regeln 'definiert' ist, dann ist sie damit in dieser Hinsicht gegen Kritik immunisiert, und eine rationale Diskussion über die Angemessenheit von Regeln und Kriterien ist damit ausgeschlossen. Natürlich lässt sich unter diesen Umständen auch die oben kritisierte antirealistische Position ohne weiteres halten. Wer die Möglichkeit rationaler Diskussion in diesem Bereich zugesteht, muss die 'Autonomie' der Wissenschaft im Sinne der erwähnten 'Spielauffassung' 42) zurückweisen." (S. 26)

Anm. 42: Das trifft auch u.a. eine Paradigma-Auffassung wie die von Kuhn und andere der Wittgensteinschen Sprachspiel-Konzeption verpflichtete Anschauungen.

Hans Albert, Die Wissenschaft und die Fehlbarkeit der Vernunft, Tübingen 1982

Alberts kritisches Argument setzt voraus, dass eine Definition von Wissenschaft qua Spiel per se dogmatisch sein müsse. Man kann jedoch die Spiel-Metapher auch für einen Erklärungsversuch einsetzen, der nicht notwendig gegen Kritik immunisiert sein muss.

Grundfehler von Albert hier die Identifizierung von Immunisierung mit der Anwendung einer bestimmten logischen Form, der Definition.
"Immunisierung" betrifft jedoch die pragmatisch-erkenntnisstrategische Dimension, d.h. wie man mit Kritik umzugehen bereit ist. Die Verwendung einer bestimmten logischen Form ist demgegenüber neutral, d.h. man kann eine Definition kritisch wie unkritisch oder dogmatisch verwenden.

Ein Beispiel für die immunisierende definitorische Gleichsetzung einer bestimmten Einzelwissenschaft (Nationalökonomie) mit einem bestimmten etablierten Theorieparadigma derselben (Mikroökonomie) derselben Wissenschaft liefert indes in der Tat

Joachim Weimann, Überlegungen zum Theoriebegriff der Wirtschaftswissenschaften, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 109, 2, 1989, S. 233-264

15.01.2007

Hans Albert über Ausbeutung bei Marx

"Um die in diesem vom ökonomischen Denken normativ ausgezeichneten Sonderfall steckende machtkomponente zu enthüllen, sah sich Karl Marx genötigt, eine Wertlehre zu konstruieren, die den Ausbeutungsbegriff definitorisch mit dem Privateigentum an den Prduktionsmitteln verknüpfte, eine Lehre von großer ideologischer Brisanz, aber ohne jeden Erklärungswert."

Hans Albert, Traktat über rationale Praxis, Tübingen 1978, S. 112

Hätte Marx gesetzt:
Ausbeutung = def. Privateigentum an Produktionsmitteln,
so dürfte es demzufolge bei ihm kein Privateigentum an Produktionsmitteln ohne Ausbeutung geben.
Gibt es aber wohl, denn er kennt auch Kleinproduzenten, d.h. allein und selbst produzierende Produktionsmitteleigentümer.

Also was soll dann dieser Einwand bedeuten?
Marx hat sich sehr viel Mühe gegeben, das hinter der scheinbaren Äquivalentausch-Beziehung liegende Ungleichgewicht zwischen dem Pm-Eigentümer und dem Pm-Eigentumslosen herauszuarbeiten; der eine produziert, der andere verfügt über die Mehrergebnisse der Produktion.

Hans Albert hat sich anscheinend weniger Mühe gegeben, Marxens theoretische Problemstellung und deren Lösung näher zu besehen.
Von einer tautologischen Lösung per Definition ist hierbei nichts zu sehen.
Ist auch schwerlich möglich, weil Marx hier eine Erscheinungsebene mit einer Wesensebene miteinander in Beziehung setzt. Solches zu leisten, geht logisch über eine Definitionsrelation hinaus.

14.01.2007

Realdefinition, Definition durch das Wesen

"Dennoch soll die Wesensdefinition kurz vorgestellt werden, da sie die bekannteste, die klassische Art der Definition ist. Aristoteles hat dafür das Schema aufgestellt, wonach jeder Begriff als Art (eidos, species) definiert werden kann durch den darüber stehenden Begriff (Gattung, genos; genus proximum) und den kennzeichnenden (eben: artbildenden) Unterschied (diaphora; differentia specifica), die Merkmale.

Das ist leichter gesagt als getan, denn einerseits setzt dieses Vorgehen, d. h. die Einordnung in eine übergreifende allgemeine Gattung als umfassendere Merkmalseinheit, eine sogenannte Begriffspyramide voraus, anderseits lassen sich die meisten Begriffe auf diese Weise gar nicht fassen."

Was heißt definieren?

Was ist Essentialismus?

In der Philosophie bezeichnet Essentialismus die Auffassung, dass es möglich ist, für jede besondere Art eines eigenständigen Gebildes eine endliche Liste von Eigenschaften anzugeben; diese Eigenschaften muss das Gebilde notwendig besitzen, damit es als ein derartiges angesprochen werden kann.

Neben diesen notwendigen Eigenschaften, die jedes Gebilde aufgrund seines Wesens besitzt und wodurch seine Art definiert ist, kann es darüber hinaus auch zufällige Merkmale aufweisen. Durch die Wesensmerkmale werden also nicht einfach Objekte klassifiziert, sondern aufgrund des Wesenbegriffes werden Aussagen über notwendig vorhandene Merkmale logisch impliziert.


Essentialism

Eine Analyse der aristotelischen Modallogik

Nortmann, Ulrich, Modale Syllogismen, mögliche Welten, Essentialismus - Eine Analyse der Aristotelischen Modallogik (Habilitationsschrift); de Gruyter, Berlin 1996

Politik gegen Arbeitslosigkeit

Moderator: Wie viel der Arbeitslosigkeit in Deutschland ist hausgemacht, wie viel ist Ausdruck der globalen Trends?

Horst Siebert: Nach meiner Meinung hängt die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland mit unserem Regelwerk für Arbeit zusammen, das wir in den letzten 30 Jahren entwickelt haben. Die Arbeitslosigkeit schiebt sich sei 1970 in jeder der 3 Rezessionen der 70er ,80er und 90er Jahre auf ein höheres Niveau. In Westdeutschland um jeweils 1 Million, und in den guten Jahren geht die Arbeitslosigkeit nicht nennenswert zurück. Der Mechanismus steuert also total falsch, und in der neuen Legislaturperiode braucht man sehr viel Mut, um dieses Regelwerk von Grund auf neu zu gestalten.

Elmar Altvater: Herr Siebert, da kann ich Ihnen überhaupt nicht zustimmen. Erstens haben wir hohe Arbeitslosigkeit in fast allen Industrieländern, mit gewissen Unterschieden, die es tatsächlich lohnen, genauer untersucht zu werden. Aber die Arbeitsmärkte sind in der BRD in den vergangenen Jahrzehnten sehr weitgehend flexibilisiert worden. In den neuen Bundesländern gibt es kaum noch Flächentarife, die immer als Ausdruck von Verkrustung am Standort Deutschland bezeichnet werden. Und gerade in Ostdeutschland ist die Arbeitslosigkeit höher als in Westdeutschland. Die Hartz-Kommission hat ja eine Fülle von Regeln vorgeschlagen zur Beschleunigung der Arbeitsvermittlung, zur Flexibilisierung der Lohnfindung und des Arbeitseinsatzes. Es wäre gut, wenn nun auch eine makro-ökonomische Politik beschäftigungspolitisch positive Wegmarken setzen würde. Arbeitslosigkeit ist nicht nur ein Problem des Arbeitsmarktes.

Horst Siebert: Na! Ist das nicht eine Illusion? Dass wir die Arbeitslosigkeit mit einer makro-ökonomischen Politik reduzieren können? Wie soll die aussehen? Höhere Staatsausgaben? Und damit höhere Staats-Verschuldung?

Elmar Altvater: Keine Illusion, sondern eine Alternative: Wir setzen sicherlich am Arbeitsmarkt an, aber es bringt nicht viel, wenn wir nicht auch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank beschäftigungspolitisch und nicht nur stabilitätspolitisch einbinden. Und wenn nicht eine entsprechende die Beschäftigung fördernde Fiskalpolitik betrieben wird. Das muss nicht in höhere Staatsverschuldung führen.

Horst Siebert: Wie soll das gehen? Das sind doch ganz alte Zöpfe. Aber es ist doch erfreulich, dass wir zum Abschluss einen richtigen Dissens-Punkt haben.

Elmar Altvater: Mein Ansatz ist - wie es heute häufig heißt - holistisch. Das heißt, alle Aspekte umfassend. Wir müssen am Arbeitsmarkt ansetzen, aber wir können nicht der makro-ökonomischen Regelung entsagen, und wir sollten uns obendrein bemühen, auch auf europäischer und globaler Ebene Arbeitsmarktpolitik abzusichern.

Horst Siebert: Diese Idee, mit der Makro-Ökonomie im Dienste der Arbeitslosigkeit halte ich für abwegig.

"Globalisierung - das Thema des 21. Jahrhunderts" zwischen Prof. Elmar Altvater und Prof. Horst Siebert

Philosophiegeschichte im Stile Poppers

"Herbert Keuth hat mit Ulrich Steinvorth mehr gemeinsam, als ihm bewußt und
lieb sein dürfte. Auch in seinem Beitrag mit dem Titel "Ist eine rationale Ethik
möglich?"15 findet man, jetzt aber eher als Sperrmüll, eine Menge Trödel: neben
Horkheimer, Habermas, Apel geradezu schulgerecht Schopenhauer, Hume, Kant, Descartes,
Sextus Empiricus. Und auch hier darf man sich vom Glanz der Namen nicht
blenden lassen. Popper hat es salonfähig gemacht, und wie manch anderer macht
Keuth es ihm nach: Das scheinbare Eingehen auf klassische Positionen ist weniger der
Ausdruck eines wirklichen Interesses an der Geschichte der Philosophie und/oder an
den in ihr verhandelten systematischen Problemen, als eines tiefsitzenden und daher
schwer zu überwindenden Ressentiments. Und vielleicht dient jenes Eingehen ja auch
der Profilierung und Absicherung der eigenen Position."

Georg Geismann, Philosophie vom Flohmarkt und für den Sperrmüll: Ulrich Steinvorth und Herbert Keuth

13.01.2007

Hans Albert über Karl Marx

"Dagegen besteht die wesentliche Leistung von Karl Marx in einer theoretisch-historischen Analyse des Kapitalismus in einer bestimmten Phase. Er hat dafür – auch methodisch – an die klassische Ökonomie ricardianischer Prägung angeknüpft und die für sie charakteristische Wertlehre in einer Richtung weiterentwickelt, die in eine Sackgasse führte. Durch die Einbettung seiner Analysen in eine Geschichtsphilosophie Hegelianischer Prägung und durch die Konsequenzen, die er daraus für das Verhältnis von Theorie und Praxis zog, hat er, mit oder gegen seine Absicht, dazu beigetragen, die Idee rationaler Praxis bei seinen Anhängern zu desavouieren, und zwar, wie wir heute sehen, mit erheblichem Erfolg und mit politischen Wirkungen, die mit seinen eigentlichen Intentionen großenteils unvereinbar sind. Wenn heute ein Teil der radikalen Intelligenz in allen Ländern immer noch daran mitwirkt, liberale Institutionen zu unterminieren, dann ist das teilweise seiner Art der Kritik zu verdanken, einer totalen Kritik ohne echte Alternativanalyse, die zu dem führen kann, was Leszek Kolakowski einmal treffend die 'Erpressung mit der einzigen Alternative' genannt hat. Wer nicht bereit ist, den methodischen Rationalismus zu opfern, der zum Erbe des klassischen philosophischen Denkens gehört, wird in dieser Hinsicht die Beiträge Adam Smiths und Max Webers zur Aufhellung des Problems einer rationalen Praxis vorziehen, wie ich das in diesem Buch getan habe."

Hans Albert, Traktat über rationale Praxis, Tübingen 1978, , S. 5

Kritik an dogmatischen Verfahren in der ökonomischen Wissenschaft

Modellexogene Annahmen und Hilfsannahmen, von Ökonomen bei der Modellbildung oft als unprüfbare Voraussetzungen oder „Dogmen" (Schumpeter 1965a:38) genommen, werden nicht selten dazu noch zu einer ursprünglichen Erkenntnisquelle (etwa von apriorischer Evidenz) erhoben. Wer Klassiker dogmengeschichtlich betrachtet, erblickt notwendiger Weise in ihnen lediglich eine Sammlung von Dogmen.

Leicht werden aus zweckmäßigen Modellannahmen unter der Hand ontologische Behauptungen und aus einem zuerst bloß instrumentell eingesetzten Rationalismus ein faustdicker Empirismus, oder besser gesagt: Positivismus. Denn aus sprachlich oder logisch zweckmäßigen Festlegungen werden urplötzlich ontologische Schlussfolgerungen gezogen. Eine derartige Ontologisierung wird meist durch die stillschweigende Annahme der an der Debatte beteiligten unterstützt, das jeweils vorliegende Modell sei das einzige, welches ein bestimmtes Gebiet der Realität mathematisch wiederzugeben in der Lage sei (Altschul, Biser 1948a).

Ganz anderes ist aber im Sinne empirisch-wissenschaftlicher Erkenntnis nach Albert (1954a) angebracht. Man soll die vorliegenden Erkenntnisse der Anthropologie (sprich: Psychologie, Soziologie, ...) gebrauchen und damit die Menschenbilder (= Verhaltensannahmen bezüglich der Akteure) kritisieren, die bei der Modellbildung jeweils unterstellt werden.

Als Gegenargument wurde bezeichnender Weise vorgebracht: "Kein Ökonom hält sich an Poppers Falsifikationismus!" (Müller-Goddefroy 1985a). Wenn die Ökonomen methodologische Kritik nicht beachtteen, so liege das weniger an den Ökonomen, sondern an der Methodologie, die die wissenschaftliche Praxis nicht so nehme, wie sie tatsächlich ist.

Nicht immer wissen auch bekannte Ökonomen aber so genau, was sie tun, insbesondere bei der bei ihnen so beliebten Modellmethode. Geradezu berüchtigt geworden ist aber Friedmans (1953a) "F-Twist"; so wurde sein Schwanken bezeichnet zwischen empirischer und konventionalistischer Auffassung der Annahmen in der ökonomischen Theorie (Musgrave 1981a), der in dem Ausspruch gipfelte, „the more significant the theory, the more unrealistic the assumption" (Friedman 1953a:14). Wir wollen uns hier ersparen, näher zu ergründen, was Friedman damit wohl gemeint haben könnte. Dies haben bereits viele andere versucht (Arni 1989a). Albert (1976a:155f, Anm.98) erblickte hier in der Mehrdeutigkeit von „Annahme" den Ursprung der Konfusion.

Beim ökonomischen Mainstream dominiert eine grundsätzliche Einstellung, wonach die Marktrationalität der Vernunft gleichzusetzen sei; man kann hier in gewisser Weise von "Marktfundamentalismus" sprechen.

Albert (1976a:87) sieht diese Frage vergleichsweise nüchtern: Auch der Preismechanismus des Marktes ist eben nur ein sozialer Mechanismus, dessen Funktionieren von seinem sozialen und kulturellen Umfeld abhängt. Es ist nur ein Wahrnehmungsfehler bestimmter ökonomischer Theorien, dass da, wo ihre ökonomische Perspektive (d.h. die traditionelle Perspektive ihrer Faches bzw. ihrer Fachdoktrin) aufhöre, auch tatsächlich die Grenzen der Erklärung wirtschaftlichen Handelns lägen.

Das Modell der neoklassischen Preistheorie, das bis heute vielen wirtschaftspolitischen Empfehlungen meist zugrunde gelegt wird, weil es innerhalb der Ökonomie als Maßstab effizienter Ressourcenallokation immer noch nicht außer Kurs gesetzt ist, ist grundsätzlich nicht von dieser unserer Welt, weil es die harten Bedingungen dieser einfach nicht zur Kenntnis nimmt (Ablauf in Zeit und Geschichte, Informationskosten, Transaktionskosten usw.).

„Auch die vielfach sich bahnbrechende Erkenntnis von der Irrealität der in so allgemeiner Form behaupteten Gleichgewichtstendenz hat den Glauben an die Optimalität dieses Zustandes naturgemäß nicht beseitigen können." (Albert 1954a:82)

Dies Modell ist schon deswegen vollkommen ungeeignet, einen Maßstab für reale Wirtschaftsprozesse abzugeben, weil es effizient per Definition ist, d.h. schon aufgrund der getroffenen Annahmen ist es logisch unmöglich, dass die Marktteilnehmer sich nicht auf das effiziente Gleichgewicht einstellen. Das heißt in dürren Worten, es ist willkürlich gewählt und vielleicht auf irgendeine Welt anwendbar, gewiss aber nicht auf diejenige, welche wir bislang hier auf Erden gewohnt sind.

Mit bestimmten Sprachen sind immer nur bestimmte Weltanschauungen formulierbar oder Theorien explizierbar (Ajdukiewicz 1934b). So hat die Theorie des ökonomischen Gleichgewichts im Zuge ihrer strikteren Formalisierung zusehends Definitionscharakter gewonnen und damit den einer formalen Sprache. Selbst diese letzte Anwendungsmöglichkeit stößt jedoch auf schwerwiegende Einwände: Sie ist weder eine logisch konsistente Sprache, da sie mit den Paradoxien der vollkommenen Voraussicht belastet ist (Morgenstern 1964a), noch taugt sie zur Beschreibung kausaler Prozesse, da sie den Zeitfaktor grundsätzlich unberücksichtigt lässt (Albert 1954a:60).

Das besagt aber, selbst Sprachen sind in einer gewissen Weise, d.h. indirekt, empirischer Kritik zugänglich. Allerdings ist eine Sprache wesentlich flexibler als eine in ihr formulierte bestimmte Theorie. Außerdem ist eine nicht präzise definierte Sprache in ihren semantischen Bezügen und im Hinblick auf ihre Grenzen zu anderssprachigen Termen weitaus offener.



Literatur:

Schumpeter 1965a: Joseph A. Schumpeter, Geschichte der ökonomischen Analyse, Bd. 1, Göttingen 1965 (zuerst: 1952)

Altschul, Biser 1948a: Eugen Altschul, Erwin Biser, The Validity of Unique Mathematical Models in Science, Philosophy of Science, 15, 1948, pp. 11-24

Albert 1954a: Hans Albert, Ökonomische Ideologie und politische Theorie. Das ökonomische Argument in der ordnungspolitischen Debatte, Göttingen 1954

Albert 1954b: Hans Albert, Tautologisches und Ideologisches, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 90, 1954, S. 219

Arni 1989a: Jean-Louis Arni, Die Kontroverse um die Realitätsnähe der Annahmen in der Oekonomie, Grüsch 1989

Albert 1958a: Hans Albert, Marktsoziologie und Entscheidungslogik, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 114, 1958, S. 273ff

Albert 1959a: Hans Albert, Der logische Charakter der theoretischen Nationalökonomie, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 171, 1959

Albert 1976a: Hans Albert, Aufklärung und Steuerung, Aufsätze zur Sozialphilosophie und zur Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften, Hamburg 1976

Friedman 1953a: Milton Friedman, Essays in Positive Economics, Chicago 1953

Musgrave 1981a: Alan Musgrave, Unreal assumptions in Economic Theory: The F-twist untwisted, Kyklos, 34, 1981, pp.26-29, 377-387

Max Albert, 'Unrealistische Annahmen' und empirische Prüfung, Zeitschrift für Wirtschafts- u. Sozialwissenschaften, 116, 1996, S. 451-486

Arndt 1971a: Hans Werner Arndt, Methodo scientifica pertractatum. Mos geometricus und Kalkülbegriff in der philosophischen Theoriebildung des 17. und 18. Jahrhunderts, Berlin New York 1971

Ajdukiewicz 1934b: Kasimir Ajdukiewicz, Das Weltbild und die Begriffsapparatur, Erkenntnis, 4, 1934, S. 259-287

Morgenstern 1964a: Oskar Morgenstern, Vollkommene Voraussicht und wirtschaftliches Gleichgewicht, in: Albert 1964a, S. 251-271

Albert 1964a: Hans Albert, (Hrg.), Theorie und Realität, Tübingen 1. Aufl. 1964

Müller-Goddefroi 1985a: H. Müller-Goddefroy, Wissenschaftslogik und Wissenschaftsprozeß. Zur Forderung nach Falsifizierbarkeit der Theorien der Nationalökonomie, Jahrbuch für Sozialwissenschaften, 36, 1985, S. 128-148

vgl.
Studienführer Hans Albert,
http://de.wikibooks.org/wiki/Studienf%C3%BChrer_Hans_Albert:_Dogmatismus_der_National%C3%B6konomie

09.01.2007

Hegel zu Paradigmawechsel in den Wissenschaften

Eine Änderung im Paradigma von Wissenschaften beginnt damit, dass die neue theoretische Idee erst einmal schlankweg geleugnet und ignoriert wird (S. 15).

Aber unbemerkt und uneingestanden machen sich dieselben Wissenschaftler die neue Idee in ihren Konsequenzen bereits zu eigen, obwohl sie noch immer gegen ihr eigentliches Grundprinzip wettern.

Kann man im Anfang von einer Zeit der theoretischen Gärung sprechen, so tritt die neue Theorie in der ersten Phase mit einer geradezu fanatischen Feindseligkeit gegen die ausgearbeiteten Formen des hergekommenen Theoriegebäudes auf, gegen die sie freilich zuerst nur ein abstraktes Prinzip geltend zu machen vermag.
Für die Ausarbeitung in detaillierte theoretische Formen fehlt sowohl die erforderliche Zeit, als auch befürchten die Vorkämpfer der neuen Idee, man verliere sich leicht in unwesentlichen Einzelheiten.

Aber die höhere Forderung geht darauf, dass das abstrakte Prinzip von der Idee zu einer Wissenschaft ausgearbeitet werde!

G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, Werke 5, Frankfurt 1. Aufl. 1986, Vorrede zur ersten Ausgabe, S. 15 f.

Anti-Metaphysik und der praktische Nutzen von Wissenschaft

Die Botschaft der Kantschen Philosophie wurde gemeinhin dahin gehend aufgefasst:
Der Verstand darf nicht die Erfahrung überfliegen, sonst werde das Erkenntnisvermögen theoretische Vernunft, was nichts als Hirngespinste gebären könne (S.13).

Also müsse man dem spekulativen Denken entsagen. Die Metaphysik sei mit Stumpf und Stiel auszurotten und aus der Reihe der Wissenschaften zu verbannen.
Sogar die Theologie entsagte der Metaphysik und warf sich auf das Gebiet des Gefühls, das praktisch Populäre oder Historisches.

Dem anti-metaphysischen Ressentiment verband sich "aus der Not der Zeit" der Ruf nach der praktisch nützlichen Anwendbarkeit von Wissenschaft, die daher erfahrungsorientiert und nicht zu theoretisch sein dürfe.

Folge war, dass das sonderbare Schauspiel herbeigeführt wurde, ein gebildetes Volk ohne Metaphysik zu sehen, "wie einen sonst mannigfaltig ausgeschmückten Tempel ohne Allerheiligstes" (S. 14).
Damit waren auch die gelehrten Einsiedler verschwunden, "jene Einsamen, die von ihrem Volke aufgeopfert und aus der Welt ausgeschieden wurden, zu dem Zwecke, dass die Kontemplation des Ewigen und ein ihr allein dienendes Leben vorhanden sei – nicht um eines Nutzens willen, sondern um des Segens willen".

G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, Werke 5, Frankfurt 1. Aufl. 1986, Vorrede zur ersten Ausgabe