Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

14.01.2007

Politik gegen Arbeitslosigkeit

Moderator: Wie viel der Arbeitslosigkeit in Deutschland ist hausgemacht, wie viel ist Ausdruck der globalen Trends?

Horst Siebert: Nach meiner Meinung hängt die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland mit unserem Regelwerk für Arbeit zusammen, das wir in den letzten 30 Jahren entwickelt haben. Die Arbeitslosigkeit schiebt sich sei 1970 in jeder der 3 Rezessionen der 70er ,80er und 90er Jahre auf ein höheres Niveau. In Westdeutschland um jeweils 1 Million, und in den guten Jahren geht die Arbeitslosigkeit nicht nennenswert zurück. Der Mechanismus steuert also total falsch, und in der neuen Legislaturperiode braucht man sehr viel Mut, um dieses Regelwerk von Grund auf neu zu gestalten.

Elmar Altvater: Herr Siebert, da kann ich Ihnen überhaupt nicht zustimmen. Erstens haben wir hohe Arbeitslosigkeit in fast allen Industrieländern, mit gewissen Unterschieden, die es tatsächlich lohnen, genauer untersucht zu werden. Aber die Arbeitsmärkte sind in der BRD in den vergangenen Jahrzehnten sehr weitgehend flexibilisiert worden. In den neuen Bundesländern gibt es kaum noch Flächentarife, die immer als Ausdruck von Verkrustung am Standort Deutschland bezeichnet werden. Und gerade in Ostdeutschland ist die Arbeitslosigkeit höher als in Westdeutschland. Die Hartz-Kommission hat ja eine Fülle von Regeln vorgeschlagen zur Beschleunigung der Arbeitsvermittlung, zur Flexibilisierung der Lohnfindung und des Arbeitseinsatzes. Es wäre gut, wenn nun auch eine makro-ökonomische Politik beschäftigungspolitisch positive Wegmarken setzen würde. Arbeitslosigkeit ist nicht nur ein Problem des Arbeitsmarktes.

Horst Siebert: Na! Ist das nicht eine Illusion? Dass wir die Arbeitslosigkeit mit einer makro-ökonomischen Politik reduzieren können? Wie soll die aussehen? Höhere Staatsausgaben? Und damit höhere Staats-Verschuldung?

Elmar Altvater: Keine Illusion, sondern eine Alternative: Wir setzen sicherlich am Arbeitsmarkt an, aber es bringt nicht viel, wenn wir nicht auch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank beschäftigungspolitisch und nicht nur stabilitätspolitisch einbinden. Und wenn nicht eine entsprechende die Beschäftigung fördernde Fiskalpolitik betrieben wird. Das muss nicht in höhere Staatsverschuldung führen.

Horst Siebert: Wie soll das gehen? Das sind doch ganz alte Zöpfe. Aber es ist doch erfreulich, dass wir zum Abschluss einen richtigen Dissens-Punkt haben.

Elmar Altvater: Mein Ansatz ist - wie es heute häufig heißt - holistisch. Das heißt, alle Aspekte umfassend. Wir müssen am Arbeitsmarkt ansetzen, aber wir können nicht der makro-ökonomischen Regelung entsagen, und wir sollten uns obendrein bemühen, auch auf europäischer und globaler Ebene Arbeitsmarktpolitik abzusichern.

Horst Siebert: Diese Idee, mit der Makro-Ökonomie im Dienste der Arbeitslosigkeit halte ich für abwegig.

"Globalisierung - das Thema des 21. Jahrhunderts" zwischen Prof. Elmar Altvater und Prof. Horst Siebert