Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

15.01.2007

Hans Albert über Ausbeutung bei Marx

"Um die in diesem vom ökonomischen Denken normativ ausgezeichneten Sonderfall steckende machtkomponente zu enthüllen, sah sich Karl Marx genötigt, eine Wertlehre zu konstruieren, die den Ausbeutungsbegriff definitorisch mit dem Privateigentum an den Prduktionsmitteln verknüpfte, eine Lehre von großer ideologischer Brisanz, aber ohne jeden Erklärungswert."

Hans Albert, Traktat über rationale Praxis, Tübingen 1978, S. 112

Hätte Marx gesetzt:
Ausbeutung = def. Privateigentum an Produktionsmitteln,
so dürfte es demzufolge bei ihm kein Privateigentum an Produktionsmitteln ohne Ausbeutung geben.
Gibt es aber wohl, denn er kennt auch Kleinproduzenten, d.h. allein und selbst produzierende Produktionsmitteleigentümer.

Also was soll dann dieser Einwand bedeuten?
Marx hat sich sehr viel Mühe gegeben, das hinter der scheinbaren Äquivalentausch-Beziehung liegende Ungleichgewicht zwischen dem Pm-Eigentümer und dem Pm-Eigentumslosen herauszuarbeiten; der eine produziert, der andere verfügt über die Mehrergebnisse der Produktion.

Hans Albert hat sich anscheinend weniger Mühe gegeben, Marxens theoretische Problemstellung und deren Lösung näher zu besehen.
Von einer tautologischen Lösung per Definition ist hierbei nichts zu sehen.
Ist auch schwerlich möglich, weil Marx hier eine Erscheinungsebene mit einer Wesensebene miteinander in Beziehung setzt. Solches zu leisten, geht logisch über eine Definitionsrelation hinaus.

2 Kommentare:

meffo hat gesagt…

Die Situation für den Kritiker Albert ist gravierender, als es auf den ersten Blick aussehen mag.

1.) Ob eine Aussage als eine Definition aufzufassen ist, ergibt sich erst aus der Verwendung in dem theoretischen Zusammenhang, in dem die Aussage gestellt ist.
Es fehlt bei Albert aber sowohl Problem- wie Theorieexplikation.
Vermutlich bezieht er sich auf seine üblichen Gewährsleute in dieser Sache: Myrdal, Schumpeter, Robinson, Popper; vielleicht auch Samuelson.
Wenn diese Personen Marxens Theorie rekonstruieren, dann aber meist auf die Weise, dass sie Marxens eigene politische Ökonomie-Problemstellung ignorieren. Und Marxens Aussagen auf ihre eigenen (teilweise modellplatonistischen) Erkenntnisziele reduzieren.
2.) Marxens Liebäugeln mit Hegel war mehr als eine Redeweise oder Terminologie zu Verdunklungszwecken.
In jedem Fall jedoch kann man nicht Marx Nominaldefinitionen mit all ihrer Willkürlichkeit zur Last legen, und ihn andererseits (wie Popper etwa) des Essentialismus zeihen.
Popper reichte es aus, Hegel und Popper Essentialisten und Historizisten zu nennen (ohne dies durch eine Explikation derer Problemstellungen und Lösungsversuche exakt zu belegen); seine Namensgebung, tw. Beschimpfung kann man gut als Beispiel für Nominaldefinitionen der schlechteren Art ansehen.
Wenn jedoch an dem Essentialismus-Vorwurf gegen Marx etwas dran sein sollte, dann ist das Marx insofern auch gutzuschreiben, dass er Wesensbeschreibungen nicht als beliebige Veranstaltungen angesehen hat, also damit wohl einen erklärenden Anspruch verbunden hat.
3.) Am meisten stört die Kritiker der Ausbeutungsthese wohl die normative Konnotationen. Albert selbst hat wohl eingesehen, dass Kryptonormativität von Aussagen zwar ungesund für eine Wissenschaft sind; dass das aber nicht notwendiger Weise dazu führt, derartige Aussagen an sich für empirische Erklärungen sachlicher Art völlig wertlos zu machen. (Dann könnte man Poppers Pamphlete samt und sonders auf den Müll werfen!)
Man (bzw. ein Kritischer Rationalist, oder auch ein einfacher Sprachanalytiker) kann also immer bei einer Aussage oder einer Theorie zwischen Sachbehauptung und Bewertung trennen.

meffo hat gesagt…

Ausbeutung
 gesellschaftliches Verhältnis zwischen Gruppen von Menschen, die sich in entgegengesetzter Stellung zu den Produktionsmittel befinden. Ausbeutung ist immer Ausbeutung des Menschen durch Menschen.

Die Ausbeutung ist allgemein durch die Tatsache gegeben, dass sich die Eigentümer der Produktionsmittel unentgeltlich fremde Arbeit (das Mehrprodukt und in bestimmten historischen Situationen auch Teile des notwendigen Produkts) aneignen.
Die Ausbeutung entstand, als die gesellschaftlichen Produktivkräfte ein Mehrprodukt ermöglichten, das durch die jeweiligen Eigentümer der Produktionsmittel angeeignet wurde.

MARX' Mehrwerttheorie hat das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung aufgedeckt. Entsprechend der Stellung, die die verschiedenen Gruppen von Menschen im Ausbeutungsverhältnis einnehmen, bilden sie die bestimmten Klassen der jeweiligen Gesellschaft. Ausbeutungsverhältnisse bedingen den Klassenantagonismus und den daraus folgenden Klassenkampf. Die Geschichte der Ausbeutung ist identisch mit der Geschichte der Klassengesellschaft und des Klassenkampfs.

Die Geschichte kennt ebenso viele Formen der Ausbeutung, wie es in ihr auf dem Privateigentum und der Klassenspaltung beruhende ökonomische Gesellschaftsformationen gibt:
 Sklavenarbeit auf der Grundlage des Eigentums an den Produktionsmitteln und den unmittelbaren Produzenten in der Sklavenhaltergesellschaft;
 Frondienste und Fronleistungen auf der Grundlage des beschränkten Eigentums an den unmittelbaren Produzenten, die eigene Produktionsmittel besitzen, und dem Eigentum an Boden in der Feudalgesellschaft;
 Lohnarbeit in der kapitalistischen Gesellschaft: der Arbeiter verkauft seine Arbeitskraft an den Eigentümer der Produktionsmittel, den Kapitalisten. Die kapitalistische Ausbeutung ist die historisch letzte Form der Ausbeutung.
Es ist dei historische Mission der Arbeiterklasse, durch die sozialistische Revolution und den Aufbau des Sozialismus und Kommunismus jede Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen.

Georg Klaus, Manfred Buhr (Hrg.) Philosophisches Wörterbuch, 1, 11. (= 10.) Aufl. Berlin 1975