Zumindest ist zu dieser Emporhebung der Aussagenlogik die Begriffslogik als Alternative zu betrachten. So baut zum Beispiel Freytag (1961a:547f) auf der aristotelischen Syllogistik eine Begriffslogik auf und unternimmt den Nachweis, dass, indem Sätze als Begriffe aufgefasst werden könnten, die moderne extensionale Logik in seiner Begriffslogik enthalten sei.
Zweckmäßigkeitsargumente überhaupt sind jedoch selten zwingend; zumindest sind sie stets relativ zu den vorausgesetzten Zwecken. Popper erweckt jedoch den Anschein, dass die Begriffsorientierung an sich falsch oder doch in hohem Maße methodologisch ungesund wäre. Diese starke Behauptung kann durch diese aussagenlogisch begründete Zweckmäßigkeitsüberlegung keineswegs voll gestützt werden; sicherlich spielen methodologisch stets weitere, andere Zwecküberlegungen eine Rolle.
Die genetische Priorität der kognitiven Aussage wird von Klaus (1972a:32) im Anschluss an Rubinstein denkpsychologisch begründet. Diese These beruht indessen nach Holenstein auf einem logizistischen Vorurteil; d.h. für eine Psychologie nach dem Vorverständnis der heutigen Logik:
"Die Behauptung, dass die Prädikation eine oder gar die fundamentale sprachliche und kognitive Struktur ist, der keine andere Struktur vorausliegt, weder genetisch noch systematisch, ist charakteristisch für die allermeisten Sprachtheoretiker, die das Verständnis der Sprache nicht von der Struktur der Erfahrung her, von unten her, sondern von oben herab, von der Logik des Denkens her, suchen. Sie ist ein Logizismus - ... Hier (...) wird eine kognitiv und sprachlich sekundäre Form einer primären, fundierenden Form als Explikation unterschoben." (Holenstein 1980a: 26)
Dieses Argument betrifft auch Poppers principle of transference:
„What is true in logic is true in psychology." (Popper 1973a:24)
Dasselbe heuristische Prinzip nimmt Popper (1973a:6) analog auch für das Verhältnis von Logik zu Methodologie und Wissenschaftsgeschichte in Anspruch.
Demgegenüber kann Holenstein (1980a:27) darauf verweisen, dass in der kognitiven Entwicklung des menschlichen Individuums dem Prädizieren nichtkonstative Satzformen vorangehen wie der Anruf und der Befehl und dass die adjektivische Determination des Nomens der adjektivischen Prädikation vorangeht (36). Bevor der Mensch urteilen, d.h. Qualitäten über Dinge aussagen lernt, erfährt er Gegenstände im Zusammenhang mit intentionalem Handeln (28). Dass der Handelnde die Handlung selbst konstruiert, setzt seine Fähigkeit zu prädizieren voraus (30).
Aber auch Klaus (1972a:32) begründet die Priorität des Urteilens, bzw. der Aussage nicht allein psychologisch, sondern auch damit, dass es einfacher sei, von der Aussage, bzw. der Aussagenlogik auszugehen, um das Gebiet der Logik aufzubauen. Unter anderem hat Wittgenstein (1984a) einen Versuch in dieser Richtung unternommen; er scheitert jedoch an der Schwierigkeit, Aussage unabhängig vom Wahrheitsbegriff zu definieren (Hülser 1979a).
Freytag (1961a) konstruiert seine Begriffslogik, indem er die Wahrheit erst durch das Urteil in Frage kommen lässt; die logische Struktur zusammengesetzter Aussagen lasse sich zunächst ohne den logischen Begriff der Wahrheit analysieren.
Methodologie hingegen muss, unter Berücksichtigung von Psychologie und Logik und der Zielsetzung von Erfahrungswissenschaft, entsprechende Prioritäten setzen, welche jedoch keineswegs jeglicher Kritik entzogen sind:
"Theorien - und nicht Begriffe oder Daten - sind die Hauptinformationsträger der wissenschaftlichen Erkenntnis." (Spinner 1974a:113)
Die nach Popper angebliche (Mehrheits-) Meinung der modernen Wissenschaftsphilosophie steht jedoch in anscheinend starkem Gegensatz zur traditionellen Philosophie, als dessen Vertreter hier Kant angeführt werden kann. Seine Auffassung vom Erkenntnisprozess fasst dieser so zusammen:
„... da der natürliche Fortschritt der menschlichen Erkenntnis dieser ist, dass sich zuerst der Verstand ausbildet, indem er durch Erfahrung zu anschauenden Urteilen und durch diese zu Begriffen gelangt, dass darauf diese Begriffe in Verhältnis mit ihren Gründen und Folgen durch Vernunft und endlich in einem wohlgeordneten Ganzen vermittelst der Wissenschaft erkannt werden ..." (Kant II:907)
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