Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Relevanz und Redundanz der Arbeitswert­theorei

„Dass die klassische Nationalökonomie die Arbeitswerttheorie gelehrt habe, gehört ins Reich der Mythologie." (Niehans 1989a)

„Modern economics, as practiced by professional scholars, embodies con­fu­sions that are fundamentally methodological. These have their historical foun­da­tions in the failure of economists to establish an effective synthesis between the objective and the subjective theories of value." (Buchanan 1987a)

„Diese erheblichen Unterschiede von Einkommens- und Produktivitätsniveau machen auf ein latentes Freisetzungspotential an Beschäftigten aufmerksam, welches noch immer mehr oder weniger alle Wirtschaftsbereiche betrifft. Stellt man beispielsweise die Frage, wieviele Arbeitskräfte zur Erstellung des Brutto­inlandsprodukts von 1997 - bei unterstelltem Westniveau der Produktivität - be­nötigt würden, dann wären in den neuen Ländern noch immer etwa 2,4 Milli­onen Erwerbstätige (39,6 Prozent) ‘entbehrlich’." (Maretzke, Irmen 1999a:7f)

„Faced with a scarce resource -- in this case time to read -- an economist argues that the scarce resource has a real value and that misuse of that valuable resource has a real cost. We may not go through a careful process of assigning a dollar value to it, but we should nonetheless aim to use it as parsimoniously as we spend money. In a profession such as the law where the meter is always running, no one has any difficulty in understanding this. When we look inside the academy, this point is much less widely appreciated. No doubt one explanation is that academics usually love their work and thus draw a much looser boundary between work and leisure than do most people. But their days still only have 24 hours like everyone else's -- time constrained means time has a value." (Day 1993a)

"Kann man es sich ernsthaft leisten, die Aneignung der bäuerlichen Mehrarbeit durch den Adel - sei es in Gestalt der Fronarbeit, sei es in der von Abgaben und Renten - schlichtweg unter den Tisch fallen zu lassen?" (Hauck 1999a:260)

Ökonomische Theorien sterben nicht, sie werden einfach vergessen, stellt Niehans fest. Oder wie Galbraith (1970a:38) sagte:

„Der Feind des Herkömmlichen Konzeptes ist nicht der Verstand, sondern der Gang der Ereignisse."

Um aber dem Vergessen nachzuhelfen, stellt Niehans dem von ihm angegriffenen Mythos seinen ei­ge­nen Mythos, nämlich den mainstream-Mythos der neoklassischen Ökonomie gegenüber. Denn Sieger schreiben ihre Geschichte und bestimmen damit auch, was vergessen werden soll, nicht in die Lehr­plä­ne gehört oder aus der politischen agenda gestrichen wird. Niehans hält nämlich einfach das für „klassisch", was sich heute als mainstream-Doktrin durchgesetzt habe. Damit erhebt er einen absolu­ten Wahrheitsanspruch für die zeitgenössische Ökonomie [1]). Empirische Wahrheit ist aber für Nie­hans (1989a:15) sowieso unerreichbar, denn Theorie ist ihm nichts mehr als „analytisches Werkzeug". Die­ses in­stru­mentalistische Bild ist den meisten Ökonomen so recht ans Herz gewachsen, verpflichtet es doch einen Modellbauer zu rein gar nichts: Zu irgendetwas wird ein Modell immer nütze sein, und sei es zur Übung der mathematischen Fähigkeiten. Zu gerne übersehen wird dabei die unberechtigte Unterstellung, dass Mittel stets zweckneutral seien:

"Tools help to determine the tasks we will undertake, and languages influence what we will say. " (Boulding 1955a)

Niehans’ Geschichtsschreibung per Definitionstrick enthüllt sich aber nichts weiter als eine retro­spek­tive Nabelschau. Diese Art retrospektiver Theoriegeschichtsschreibung haben sich leider viele mo­der­ne Autoren mehr oder minder bewusst zu eigen gemacht. Daher ist es verständlich, dass Bha­radwaj (1989a:ch.III) heftige Kritik daran anmeldet, dass J. S. Mill eine ungebrochene Kontinuität der klas­sischen Theorie behauptet hatte und in ähnlicher Weise Hollander den historischen Ricardo für die Neoklassik zu vereinnahmen versuchte.Die klassische Ökonomie verfolgte aber eine völlig andere Problemperspektive als die neoklassische Preistheorie. Letztere nennt Bharadwaj (1989a:1)DSE" = „demand-and-supply-based equilibrium theories", also die Theorietradition in der Nachfolge von Walras. Demgegenüber heißt „klassische Theorie" in der Ökonomie:

„The classical theory we refer to had its beginnings in the works of William Petty in England and the Physiocrats in France. It advanced significantly through the contribution of Adam Smith and David Ricardo and found its comprehensive developments through radical recon­structions in Karl Marx. The DSE theories emerged in the third quarter of the nineteenth cen­tury, around the 1870s, spearheaded by the writings of Jevons, Menger and Walras. They rose to dominance eclipsing the classical approach not only for reasons of the logical and ana­lytical hurdles the latter theory met with, but also because of the unacceptability of its sharp theoretical positions stressing the conflict-ridden dynamics of capitalist distribution and ac­cu­mulation. The approach was prematurely abandoned and was superseded even while the logical problems remained unsufficiently explored and hence solved." (Bharadwaj 1989a:1)



[1]) oder möchte Niehans nach jedem Paradigmawechsel „klassisch" jedes Mal neu bestimmen?! Niehans dokumentiert damit in bemerkenswerter Weise die ökonomische Ideologie, die Marx schon bei seinen ökonomischen Zeitgenossen so verstimmt hat: Geschichte ist gewesen, ab heute gibt es keine Geschichte - d.h. Weiterentwicklung - mehr!

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