Albert (1997a) hat sich schon wiederholt mit dem Problem der Wahl der Wirtschaftsordnung auseinander gesetzt, zuletzt in einem Artikel, welcher ein Buch von Bouillon bespricht. Im Stil der Betrachtung fällt schon auf, dass die Frage liberaler Minimalstaat vs. Wohlfahrtsstaat ganz dogmatisch abstrakt, ausgehend von Definitionen von „Freiheit" etc. erörtert wird, ganz unbelastet von der methodischen Kritik, die man zuvor so gerne utopischem Denken angedeihen ließ. Worin besteht das Resultat kritisch-rationaler Essentialismus-Kritik, wenn Beweise für die Vorzüge des Liberalismus in Definitionen gesucht werden, wo die Kritik am sozialen Vakuum, wenn Staat und Markt im luftleeren Raum, in der staatsfreien Utopie eines Steuerparadieses, konstruiert werden? Wo bleibt die konkret-historische Problemanalyse, wo der konkret-praktische Vorschlag? Die Anwendung formallogischen Denkens auf Ideologisches kann zu nichts weiter führen als zur Ausbildung einer neuen Scholastik.
Dabei würde vielleicht nur allzu deutlich, dass die Konzeption des Minimalstaates auf nichts anderes als auf die Ausplünderung der Kollektivgüter zugunsten der historisch zufälligen Inhaber von property rights hinausläuft, wie man das so schön live in Ostdeutschland und beim Entstehen des Kapitalismus als „Modernisierung“ [1]) erfahren hat. Galbraith (1968a) sprach schon vor Jahren von dem Gegensatz zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut. Albert fungiert hier als wohlwollender Kritiker mehr oder minder liberaler Konstruktionen im Sandkasten der Vertragstheorien mit meist nicht expliziertem ernsten ideologischen oder politischen Hintergrund. Dennoch deutet er dezent die Aussichtslosigkeit solcher Akrobatik am Begriffsmodell an:
„Im Rahmen einer streng individualistischen Konzeption, wie sie für die österreichische Schule charakteristisch ist, dürfte es nicht einfach sein, ein Kriterium gemeinwirtschaftlicher Effizienz zu formulieren." (Albert 1997a:615)
Albert ist somit bei seiner Formulierung wie gewöhnlich sehr zurückhaltend. Nüchtern betrachtet, sind jedoch die Aussichten, vom monadischen österreichischen Robinson eine logische Verbindung zur Gesellschaft zu schlagen so erfolgversprechend wie Hegels Emanation des Endlichen aus dem Unendlichen. Fichte sprach an solchen logischen Hau-ruck-Stellen schlicht von einem „Wunder“.
Popper jedoch wie der Chefökonom der Deutschen Bank Yardeni (1993#23, 1997#34, 1997#35) akzeptieren unbesehen das neoklassische Marktmodell sowohl als fast zutreffende Beschreibung unserer Realität wie als normative Konzeption. Eine Konzeption, die zumindest Weber (1998a:190) nicht anstand, als Paradebeispiel einer begrifflichen "Utopie" anzuführen. Marx (GR:917) gelingt mit einer winzigen sarkastischen Bemerkung den Modell-Platonismus bloßzulegen:
"An sich sind die Harmonien da."
Das Modell neoliberaler ökonomischer Effizienz ist weder in sich selbst stichhaltig noch ist es von höchster politischer Priorität, wie es den Anschein zu erwecken sucht.
"But the problem of increasing efficiency, as Harvard philosopher John Rawls taught us in A Theory of Justice (1971), represents only one societal concern among others. Equality and justice are of even greater consequence, and they must be taken into account by policymakers, since an economic system that is widely viewed as unjust cannot, should not, endure." (Kapstein 1999a)
Im Zuge der globalen Vorherrschaft der Ideologie des Globalismus gewinnt allerdings diese normative Konzeption des „vollkommenen Wettbewerbs" zunehmend den Charakter einer self-fulfilling prophecy. Schließlich beruht ja darin die letzte Sehnsucht eines jeden politischen Wunschdenkens, eine Prophezeiung zu werden, die sich von selbst verwirklicht.
"... contrary to that theory, prices are almost entirely socioeconomic noise, without signaling biophysical conditions; the Austrian School notion of markets as communicating information about resources is totally wrong, at least as regards information about the biophysical embedding ('natural capital supports') of the economy. NC Economic processes are inadequate to achieve sustainable scale; they are at most epiphenomena of their biophysical embedding." (Alan McGowen)
[1]) Marx (GR:363) nennt die dabei stattfindende Ausräuberung kollektiver Ressourcen durch private Akquisiteure anstandslos wertfrei ‘primäre Akkumulation’. Es "gehört die Bedingung, dass der Kapitalist durch eigne Arbeit oder sonstwie - nur nicht durch schon vorhandne, vergangne Lohnarbeit - geschaffne Werte in die Zirkulation hereinbringen muss, um sich als Kapital zu setzen, zu den antediluvianischen Bedingungen des Kapitals; zu seinen historischen Voraussetzungen, die eben als solche historische Voraussetzungen vergangne sind und daher der Geschichte seiner Bildung angehören, keineswegs aber zu seiner kontemporären Geschichte, d. h. nicht in das wirkliche System der von ihm beherrschten Produktionsweise gehören." (Marx GR:363)
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