Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Ein Wirtschaftsmodell wählen

Albert (1997a) hat sich schon wiederholt mit dem Problem der Wahl der Wirtschaftsordnung ausein­an­der gesetzt, zuletzt in einem Artikel, welcher ein Buch von Bouillon bespricht. Im Stil der Betrach­tung fällt schon auf, dass die Frage liberaler Minimalstaat vs. Wohlfahrtsstaat ganz dogmatisch ab­strakt, ausgehend von Definitionen von Freiheit" etc. erörtert wird, ganz unbe­la­stet von der metho­di­schen Kritik, die man zuvor so gerne utopischem Denken angedeihen ließ. Worin besteht das Re­sul­tat kritisch-rationaler Essentialismus-Kritik, wenn Beweise für die Vor­züge des Liberalismus in Definiti­o­nen gesucht werden, wo die Kritik am sozialen Vakuum, wenn Staat und Markt im luftleeren Raum, in der staatsfreien Utopie eines Steuerparadieses, kon­struiert werden? Wo bleibt die konkret-histori­sche Problemanalyse, wo der konkret-prak­ti­sche Vorschlag? Die Anwendung formallogischen Den­kens auf Ideologisches kann zu nichts wei­ter führen als zur Ausbildung einer neuen Scholastik.

Dabei würde vielleicht nur allzu deutlich, dass die Konzeption des Minimalstaates auf nichts ande­res als auf die Ausplünderung der Kollektivgüter zugunsten der historisch zufälligen In­ha­ber von pro­perty rights hinausläuft, wie man das so schön live in Ostdeutschland und beim Ent­ste­hen des Kapi­talis­mus als „Modernisierung“ [1]) erfahren hat. Galbraith (1968a) sprach schon vor Jahren von dem Gegensatz zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut. Albert fun­giert hier als wohlwollender Kritiker mehr oder minder liberaler Konstruk­tio­nen im Sand­kasten der Vertrags­the­o­rien mit meist nicht expliziertem ernsten ideologischen oder politischen Hintergrund. Dennoch deutet er dezent die Aussichtslosigkeit solcher Akro­ba­tik am Begriffs­mo­dell an:

„Im Rahmen einer streng individualistischen Konzeption, wie sie für die öster­reichische Schu­le charakteristisch ist, dürfte es nicht einfach sein, ein Kriterium gemeinwirtschaftlicher Effizienz zu formulieren." (Albert 1997a:615)

Albert ist somit bei seiner Formulierung wie gewöhnlich sehr zurückhaltend. Nüchtern be­trachtet, sind jedoch die Aussichten, vom monadischen österreichischen Robinson eine logische Verbindung zur Gesellschaft zu schlagen so erfolgversprechend wie Hegels Emanation des End­lichen aus dem Unendlichen. Fichte sprach an solchen logischen Hau-ruck-Stellen schlicht von einem „Wunder“.

Popper jedoch wie der Chefökonom der Deutschen Bank Yardeni (1993#23, 1997#34, 1997#35) akzeptieren unbesehen das neoklassische Marktmodell sowohl als fast zutreffende Beschrei­bung unserer Realität wie als normative Konzeption. Eine Konzeption, die zumindest Weber (1998a:190) nicht anstand, als Paradebeispiel einer begrifflichen "Utopie" anzuführen. Marx (GR:917) gelingt mit einer winzigen sarkastischen Bemerkung den Modell-Platonismus bloß­zu­legen:

"An sich sind die Harmonien da."

Das Modell neoliberaler ökonomischer Effizienz ist weder in sich selbst stichhaltig noch ist es von höchster politischer Priorität, wie es den Anschein zu erwecken sucht.

"But the problem of increasing efficiency, as Harvard philosopher John Rawls taught us in A Theory of Justice (1971), represents only one societal concern among others. Equality and justice are of even greater consequence, and they must be taken into account by policymakers, since an economic system that is wi­dely viewed as unjust cannot, should not, endure." (Kapstein 1999a)

Im Zuge der globalen Vorherrschaft der Ideologie des Globalismus gewinnt allerdings diese normative Konzeption des „vollkommenen Wettbewerbs" zunehmend den Charakter einer self-fulfilling prophecy. Schließlich beruht ja darin die letzte Sehnsucht eines jeden politischen Wunsch­denkens, eine Prophezeiung zu werden, die sich von selbst verwirklicht.

"... contrary to that theory, prices are almost entirely socioeconomic noise, with­out signaling biophysical conditions; the Austrian School notion of markets as communicating information about resources is totally wrong, at least as regards information about the biophysical embedding ('natural capital supports') of the eco­nomy. NC Economic processes are inadequate to achieve sustainable scale; they are at most epiphenomena of their biophysical embedding." (Alan McGowen)



[1]) Marx (GR:363) nennt die dabei stattfindende Ausräuberung kollektiver Ressourcen durch private Ak­qui­siteure anstandslos wertfrei ‘primäre Akkumulation’. Es "gehört die Bedingung, dass der Kapitalist durch eigne Arbeit oder sonstwie - nur nicht durch schon vorhandne, vergangne Lohnarbeit - geschaffne Werte in die Zirkulation hereinbringen muss, um sich als Kapital zu set­zen, zu den antediluvianischen Bedingungen des Kapitals; zu seinen historischen Voraussetzungen, die eben als solche historische Voraussetzungen ver­gang­ne sind und daher der Geschichte seiner Bildung angehören, keineswegs aber zu seiner kontemporären Geschichte, d. h. nicht in das wirk­li­che System der von ihm beherrschten Produktionsweise gehören." (Marx GR:363)

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