Die Eigentumsrechte sind aber für Marx (wie schon für Adam Smith [1]) das A und O zur Erklärung von Wirtschaft und Gesellschaft:
„Political economy proceeds from the fact of private property. It does not explain it. It grasps the material process of private property, the process through which it actually passes, in general and abstract formulae which it then takes as laws. It does not comprehend these laws -- i.e., it does not show how they arise from the nature of private property. Political economy fails to explain the reason for the division between labor and capital. For example, when it defines the relation of wages to profit, it takes the interests of the capitalists as the basis of its analysis -- i.e., it assumes what it is supposed to explain. Similarly, competition is frequently brought into the argument and explained in terms of external circumstances. Political economy teaches us nothing about the extent to which these external and apparently accidental circumstances are only the expression of a necessary development. We have seen how exchange itself appears to political economy as an accidental fact. The only wheels which political economy sets in motion are greed, and the war of the avaricious -- Competition." (Marx, ÖPM:510)
Für Marx war mit den Eigentumsrechten allerdings auch die entsprechende Aufspaltung der Gesellschaft in unterschiedliche Klassen verknüpft, was die ökonomische Theorie lange Zeit, teilweise bis heute noch ignoriert (Dobb 1973a:24). Die Freiheit des Marktes ist für Marx (GR:545) "freie Entwicklung auf einer bornierten Grundlage - der Grundlage der Herrschaft des Kapitals".
Was hätte Marx aber erst zu einer Ökonomie gesagt, die nicht einmal mehr das Tauschhandeln am Markt untersucht, sondern wie die Gleichgewichtsökonomie alle Realproblematik in den Datenkranz abgeschoben hat (Albert 1954a:48)? Die herkömmliche Preistheorie bzw. Mikroökonomie behandelt Organisationen und Institutionen wie die Schwerkraft: sie werden zwar als existent vorausgesetzt, kommen aber im Modell weder als exogene noch endogene Variablen vor. Anders als die Schwerkraft sind Institutionen und Organisationen jedoch selten invariant; tatsächlich variieren sie in Zeit und Raum und üben einen wichtigen Einfluss auf ökonomische Größen aus. In der Produktion werden nicht nur Inputs in Outputs transformiert, sondern auch Eigentumsrechte ausgetauscht; und die Zielfunktionen der Austauschenden werden maximiert unter einschränkenden Bedingungen, die sich aufgrund von Organisationsstruktur und real wirksamen Institutionen ergeben. Aufgrund dieser Einsicht wurde eine Synthese zwischen neoklassischer Ökonomie und Institutionenökonomie angestrebt in der neuen Institutionenökonomik (NIK). Eggertsson (1990a) unterscheidet zwischen „neo-institutional economics", die am harten Kern der neoklassischen Annahmen, nämlich stabile Präferenzen, rationale Wahl und Gleichgewicht festhält, und „New Institutional Economics", welches rationale Wahl ablehnt, wie z.B. Williamson (1985a).
Die NIK hat ihre Aufmerksamkeit auf mehrere Problemfelder gerichtet, woraus sich entsprechend unterschiedliche Forschungsprogramme ableiten:
1. die Transaktionsökonomik,
2. die Verfügungsrechtsanalyse (property rights),
3. die ökonomische Vertragstheorie.
Die NIK geht dabei wie die neoklassische Ökonomie von einem bestimmten Menschenbild bzw. einem Bild des handelnden Individuums aus, lockert dabei aber teilweise die äußerst restriktiven Annahmen des homo oeconomicus.
Schon Marx hat Eigentumsrechte auch unter normativen Aspekten der Gestaltbarkeit gesehen:
„So wherever landed property is divided up, monopoly will inevitably reappear in an even more repulsive form -- unless, that is, the division of landed property itself is negated or abolished. This does not mean a return to feudal property, but the abolition [Aufhebung] of private property is land altogether. The first step in the abolition of monopoly is always to generalize and extend its existence. The abolition of monopoly, when it has reached its broadest and most comprehensive existence, is its complete destruction. Association, when applied to the land, retains the benefits of large landed property from an economic point of view and realizes for the first time the tendency inherent in the division of land, namely equality. At the same time, association restores man's intimate links to the land in a rational way, no longer mediated by serfdom, lordship, and an imbecile mystique of property. This is because the earth ceases to be an object of barter, and through free labor and free employment once again becomes authentic, personal property for man. One great advantage of the division of the land is that its masses, who are no longer prepared to tolerate servitude, are destroyed by property in a different way from those in industry." (Marx ÖPM:508)
Diese Ansätze werden teils zur Erklärung, teils zur normativen Bewertung der unterschiedlichen Ausgestaltung (Rechtsplanung) von Eigentums- und Vertragsrechten verwendet. In der neueren Zeit tritt verstärkt der umweltpolitische [2]) Aspekt hinzu.
Vergangen ist nicht vergangen. Denn Vergangenheit ist unsere Zukunft. Fromme (1999a) beklagt, dass der Bevölkerung der ehemaligen DDR der echte Eigentumsbegriff abhanden gekommen sei. Sie habe an dem perversen Gedanken Gefallen gefunden: Nutzung begründe Eigentum. Die Revolution von 1989 sei zu rasch rechtlich kanalisiert worden, daher nur halb vollzogen. Leider habe das Bundesverfassungsgericht zu voreilig die Bestandskraft der Enteignungen zwischen 1945 und 1949 in seinem Urteil vom 23.04.1991 bestätigt und in einem Beschluss vom 18.04.1996 noch gar bekräftigt. Bei Fromme hat sich die "Mauer in den Köpfen" zum Zaun um die unverlierbaren Rechte von Alt-Eigentümern rekonstituiert. Es tritt die Perversität ein, dass von reaktionärer Seite eine Revolution als halb vollendet beklagt wird. An diesem historischen Konfliktstoff und bei aller scheinbaren Umwertung der Werte lässt sich dennoch ermessen, wo ökonomisch gegründetem Liberalismus im Zweifelsfall immer noch das Herz schlägt: der Einzige [3]) und sein Eigentum. Insofern haben manche DDR-Bürger doch schnell gelernt und sich an die kapitalistische Mentalität angepasst [4]); unzulässig schnell indes für manche "Alt-Eigentümer". Vielleicht zeigt sich aber darin nur, dass die "ostdeutsche Elite" Fleisch vom Fleisch der "westdeutschen Elite" ist, und dass die Tränen darüber, dass die ostdeutsche Elite ihre kommunistischen Werte zugunsten kleinbürgerlichem Profitdenken verraten hat, Krokodilstränen sind.
"In short, the social function of morality is to stop contention about the distribution of advantages." (Gouldner 1971a:271)
Die Ideologie des privaten Eigentümers verfügt evolutionstheoretisch gesprochen über die besseren Chancen, zur Dominanz zu gelangen. So wie sich der Schurke gegenüber dem Anständigen immer durchsetzen wird. Ihre wahre Überlebenskunst zeigt sich aber erst in ihrer Virusform. Das verschlankte und virtuelle Unternehmen als der allen sozialökologischen Zwängen ledige Parasit kann auch als ein brauchbares Vorbild für den personalen Lebensentwurf genommen werden - Stirner als Werbespot für den consumer und als Management-Ideologie für den angehenden Unternehmerfunktionär. Es ist geradezu der Parasiten-Philosophie axiomatisch, dass alles, was der Parasit zur eigenen Lebensgestaltung benötige, ihm damit auch schon als sein natürliches Eigentum bestimmt sei. Parasiten gehen zugrunde a) am Untergang ihrer Wirtspopulation, b) an wirksamen Immunisierungsstrategien derselben, c) an eigenen Parasiten.
[1]) vgl. Recktenwald 1990a
[2]) „Schon 1968 prägte Hardin mit seinem gleichlautenden Artikel die Diskussion um die natürlichen Ressourcen, die durch eine Rivalität in der Nutzung einerseits (i.e. genutzte Einheit des A steht B nicht mehr zur Verfügung) und durch die (technische) Unmöglichkeit, den Ausschluss zu praktizieren andererseits gekennzeichnet sind. Das Zusammenspiel dieser beiden Eigenschaften bildet den Ursprung der Tragik: der Wettlauf um Erträge bei fehlendem Anreiz, Nutzungskosten, wie sinkende Regenerationsfähigkeit, zu berücksichtigen, führt zu Übernutzung. Die Theorien, die diese Sicht verstärkten, bilden das Gefangenendilemma und Olsons 'Logik der kollektiven Aktion'. Bei diesen Ansätzen handelt es sich jedoch um 'unmanaged' Commons, die auch als open-access-Ressourcen (sozusagen freier Zugang für alle) bezeichnet werden." (11) "Für die abgegrenzte Gruppe stellt das Common Property im Sinne 'Privateigentum' dar. Gemeinsam ist ihnen der Ausschluss von Nicht-Eigentümern. Der entscheidende Unterschied liegt in der Nicht-Übertragbarkeit der Nutzungsrechte und in deren Zweckbindung, d.h. die Mitglieder haben neben Rechten zur Nutzung auch Pflichten. 'Privateigentum' führt indes häufig zu Monokulturen und kann damit eine solche wichtige Funktion im Gegensatz zum Common Property nicht erfüllen. Vor allem bestehen im Gegensatz zum open-access Anreize zur effizienten und nachhaltigen Nutzung." (Fischer 1997a:12) - "Im Unterschied zu unverbindlichen Deutungen von Nachhaltigkeit nennen die demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten wirtschaftliche und politische Eigentums- und Machtstrukturen, die sozial-ökologischem Wandel entgegenstehen, beim Namen, wir wollen sie verändern und schließlich überwinden - wie diese dem Grundgesetzgebot der Gemeinwohlpflichtigkeit des Eigentums entspricht." Der sozial-ökologische Umbau in einem alternativen Reformkonzept. Dieter Klein auf der Ökologischen Konferenz der PDS am 30. Oktober 1999,
[3]) Wie auch Hegel bewährt, kann Eigentum die Basis einer Sphäre persönlicher Freiheit darstellen. Dennoch darf man Eigentum und Freiheit nicht schlechthin miteinander identifizieren. „Liberalism is, indeed, a principle that picks out a protected sphere, but one that is protected against unwanted interference, not against use in trading with others." (Barry 1989a:19)
[4]) „... was Dir ein undurchdringliches Geheimnis bei vollem Magen bleibt, das wird so durchsichtig wie reines Wasser bei leerem" (Feuerbach, Zur Moralphilosophie, 1874a:259)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen