Die von Popper angegriffene Strategie der Immunisierung wurde vor allen Dingen von einigen neoklassischen Ökonomen bewusst eingesetzt (Robbins 1952a). Wird damit die neoklassische „Theorie" in eine Pseudo-Wissenschaft verwandelt, oder lediglich in eine Theoriesprache bzw. einen konventionalistischen Instrumentenkoffer? Diese Auffassung der Funktion von Sprache kann dazu führen, dass man meint, eine Sache sei schon erklärt, wenn man sie in der Sprache einer bestimmten Theorie beschreibe (Rüschemeyer 1968a:14). Gegen solcherart Theorie-Kritik, die vor allem Homans (1972a) in prägnanter Weise zu vertreten wusste, wendet sich wiederum Feyerabend, der den Begriff der wissenschaftlichen Erklärung sogar auf Äquivokation ausgeweitet wissen möchte, nämlich wenn im Falle von Inkommensurabilität von einer Sprache zu einer anderen übergegangen wird.
Mit bestimmten Sprachen sind immer nur bestimmte Weltanschauungen formulierbar oder Theorien explizierbar (Ajdukiewicz 1934b). So hat die Theorie des ökonomischen Gleichgewichts im Zuge ihrer strikteren Formalisierung zusehends Definitionscharakter gewonnen und damit den einer formalen Sprache. Selbst diese letzte Anwendungsmöglichkeit stößt jedoch auf schwerwiegende Einwände: Sie ist weder eine logisch konsistente Sprache, da sie mit den Paradoxien der vollkommenen Voraussicht belastet ist (Morgenstern 1964a), noch taugt sie zur Beschreibung kausaler Prozesse, da sie den Zeitfaktor grundsätzlich unberücksichtigt lässt (Albert 1954a:60). Das heißt aber, selbst Sprachen sind in einer gewissen Weise, d.h. indirekt, empirischen Widerlegungen zugänglich. Allerdings ist eine Sprache stets flexibler als eine in ihr formulierte bestimmte Theorie. Außerdem ist eine nicht präzise definierte Sprache in ihren semantischen Bezügen und im Hinblick auf ihre Grenzen zu anderssprachigen Termen offener.
Gerade die ideologiekritische Einwände gegen Parsons zeigen unabsichtlich, dass ein kategorialer Apparat oder eine ausgewählte Terminologie bereits eine eigene Weltperspektive beinhaltet, dass sich nur bestimmte Dinge damit formulieren lassen, andere dagegen nicht. Dies ist gerade der prinzipielle Angriffspunkt einer jeden Explikation, dass sie deutlich macht, was im Bedeutungshorizont eines Begriffes allein schon durch dessen systematische und historische Verankerung in einer Sprache enthalten liegt. Die Frage ist also nur vordergründig, ob man den Unternehmer "Kapitalist" nennen darf oder die Arbeiter "Arbeitnehmer" oder den Produktionsfaktor Arbeit "Proletariat". Namen sind Schall und Rauch - und doch sind wir in ihnen nicht frei! Jeder Terminus impliziert eine bestimmte Theorie. Im übrigen: Jeder Rechtsanwalt [1]) wird uns (gegen Honorarzahlung) bestätigen, dass wir keineswegs über die Freiheit verfügen, jemanden oder etwas einfach als das zu bezeichnen, was uns gerade in den Sinn kommt.
[1]) Im Urteil vom 25.11.1999 (29 U 2448/99) hat das Oberlandesgericht München aufgrund der Klage eines Versicherungskonzerns einer Musikband verboten, den Namen "Die Allianz" zu führen.
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