Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Die konventionalistischen Strategien der Ökonomen

Die von Popper angegriffene Strategie der Immunisierung wurde vor allen Dingen von eini­gen neo­klassi­schen Ökonomen bewusst eingesetzt (Robbins 1952a). Wird damit die neoklassi­sche Theorie" in eine Pseudo-Wissenschaft verwandelt, oder lediglich in eine Theoriesprache bzw. ei­nen konventionali­sti­schen Instrumentenkoffer? Diese Auffassung der Funktion von Spra­che kann dazu führen, dass man meint, eine Sache sei schon erklärt, wenn man sie in der Sprache einer be­stimmten Theorie beschreibe (Rüschemeyer 1968a:14). Gegen solcherart Theo­rie-Kritik, die vor allem Homans (1972a) in prägnanter Weise zu vertreten wusste, wendet sich wie­derum Feyera­bend, der den Begriff der wissenschaftlichen Erklärung sogar auf Äquivo­ka­ti­on ausgeweitet wissen möchte, nämlich wenn im Falle von Inkom­men­su­ra­bilität von einer Spra­che zu einer anderen übergegangen wird.

Mit bestimmten Sprachen sind immer nur bestimmte Weltanschauungen formulierbar oder The­orien explizierbar (Ajdukiewicz 1934b). So hat die Theorie des ökonomischen Gleichge­wichts im Zuge ihrer strikteren Formalisierung zusehends Definitionscharakter gewonnen und damit den einer formalen Spra­che. Selbst diese letzte Anwendungsmöglichkeit stößt jedoch auf schwerwie­gende Einwände: Sie ist weder eine logisch konsistente Sprache, da sie mit den Para­do­xien der vollkommenen Voraussicht belastet ist (Morgenstern 1964a), noch taugt sie zur Be­schreibung kau­saler Prozesse, da sie den Zeitfaktor grund­sätz­lich unberücksichtigt lässt (Albert 1954a:60). Das heißt aber, selbst Sprachen sind in einer gewissen Weise, d.h. indirekt, empiri­schen Widerlegungen zugänglich. Allerdings ist eine Sprache stets flexibler als eine in ihr for­mu­lierte bestimmte Theorie. Außerdem ist eine nicht präzise definierte Sprache in ihren seman­ti­schen Bezügen und im Hinblick auf ihre Grenzen zu anderssprachigen Termen offener.

Gerade die ideologiekritische Einwände gegen Parsons zeigen unabsichtlich, dass ein katego­ri­aler Appa­rat oder eine ausgewählte Terminologie bereits eine eigene Weltperspektive bein­hal­tet, dass sich nur be­stimm­te Dinge damit formulieren lassen, andere dagegen nicht. Dies ist ge­rade der prinzipielle Angriffs­punkt einer jeden Explikation, dass sie deutlich macht, was im Be­deutungsho­rizont eines Begriffes allein schon durch dessen systematische und historische Ver­ankerung in einer Sprache enthalten liegt. Die Frage ist also nur vordergründig, ob man den Unternehmer "Ka­pitalist" nennen darf oder die Arbeiter "Arbeit­nehmer" oder den Produk­tions­faktor Arbeit "Proletariat". Namen sind Schall und Rauch - und doch sind wir in ihnen nicht frei! Jeder Terminus impliziert eine bestimmte Theorie. Im übrigen: Jeder Rechtsanwalt [1]) wird uns (gegen Honorarzahlung) bestätigen, dass wir keineswegs über die Freiheit verfügen, je­manden oder etwas einfach als das zu be­zeichnen, was uns gerade in den Sinn kommt.




[1]) Im Urteil vom 25.11.1999 (29 U 2448/99) hat das Oberlandesgericht München aufgrund der Klage eines Versicherungs­kon­zerns einer Musikband verboten, den Namen "Die Allianz" zu führen.

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