Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

These der Inkommensurabilität

Von diesem Argument wird Feyerabends (1976a) These der Inkommensurabilität diffe­rie­ren­der kognitiver Systeme insofern nicht getroffen, als er dieses Konzept nur differenziert bei be­stimmten umfassenden Theoriesystemen anwendet, die covert classifications bzw. „Krypto­ty­pen" im Sinne Whorfs (1956a), d.h. entsprechende Wahrnehmungsgewohnheiten erzeugen. Ein lo­gi­scher Gehaltsvergleich zwischen solchen Theorien, Desiderat der Methodologien sowohl von Popper als auch von Lakatos [1]), werde dadurch verunmöglicht:

„Moreover, these standards, which involve a comparison of content classes, are not always applicable. The content classes of certain theories are incom­pa­rable in the sense that none of the usual logical relations (inclusion, exclusion, over­lap) can be said to hold between them. This occurs when we compare myths with science. It also occurs in the most advanced, most general and the­refore most mythological parts of science itself." (Feyerabend 1976a:321)

Feyerabend räumt triviale Arten der Vergleichbarkeit [2]) durchaus ein, besteht aber zurecht auf die Erforschung der Bedingungen, wobei und wodurch Vergleiche hergestellt werden und sich herstellen lassen. Feyerabends (1976a:391) Begriff von Inkommensurabilität" [3]) hebt sich dadurch von dem Kuhns ab, dass er weniger psychologisch und nicht ubiquitär ist noch un­vermeidlich zu Sinnverschiebungen und Zusammenbruch sinnvoller Kommunikation führt. Nie­mand bestreitet, dass sich Sprachen immer lernen und ineinander übersetzen lassen kön­nen. Dennoch können immer begrenzt spezifische Schwierigkeiten auftreten, wie sie Gid­dens (1971a:viii) beispielsweise im Hinblick auf die englische Übersetzung von "Geist" oder "repré­sen­ta­tion collective" vermeldet. Popper und Lakatos benötigen jedoch für ihre Methodologie mehr, um diese auch auf alle intertheoretischen Beziehungen anwenden zu können: eine per­fek­te Über­set­zung. Eine absolut präzise Übersetzung gibt es aber nicht! (Feyerabend 1970a:225; Pop­per 1979a: 27). Für Andersson (1988a:123) reduziert sich das Problem der Inkommensurabilität letztlich dar­auf, solche Prüfsätze aufzufinden, die als unproblematisch zu beurteilen man sich ei­nigen kann. Ob ein solcher Konsens stets erzielt werden kann, ist wohl aber eine offene Fra­ge, die kei­ne Logik oder Methodologie zu beantworten hoffen darf, sondern der wirklichen Kom­muni­ka­tion der Wissenschaftler überlassen bleiben muss.



[1]) „There is no falsification before the emergence of a better theory." (Lakatos 1970a:119)

[2]) z.B. kann eine physikalische Theorie harmonischer klingen als eine konkurrierende, wenn sie mit Gitarrenbegleitung vorgelesen wird

[3]) zuerst eingeführt in 1962a, im gleichen Erscheinungsjahr wie Kuhn. Zur Priorität bzgl. „In­kom­mensurabilität" und einem illustrativen Beispiel siehe Feyerabend (1970a:219f)

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