Von diesem Argument wird Feyerabends (1976a) These der Inkommensurabilität differierender kognitiver Systeme insofern nicht getroffen, als er dieses Konzept nur differenziert bei bestimmten umfassenden Theoriesystemen anwendet, die covert classifications bzw. „Kryptotypen" im Sinne Whorfs (1956a), d.h. entsprechende Wahrnehmungsgewohnheiten erzeugen. Ein logischer Gehaltsvergleich zwischen solchen Theorien, Desiderat der Methodologien sowohl von Popper als auch von Lakatos [1]), werde dadurch verunmöglicht:
„Moreover, these standards, which involve a comparison of content classes, are not always applicable. The content classes of certain theories are incomparable in the sense that none of the usual logical relations (inclusion, exclusion, overlap) can be said to hold between them. This occurs when we compare myths with science. It also occurs in the most advanced, most general and therefore most mythological parts of science itself." (Feyerabend 1976a:321)
Feyerabend räumt triviale Arten der Vergleichbarkeit [2]) durchaus ein, besteht aber zurecht auf die Erforschung der Bedingungen, wobei und wodurch Vergleiche hergestellt werden und sich herstellen lassen. Feyerabends (1976a:391) Begriff von „Inkommensurabilität" [3]) hebt sich dadurch von dem Kuhns ab, dass er weniger psychologisch und nicht ubiquitär ist noch unvermeidlich zu Sinnverschiebungen und Zusammenbruch sinnvoller Kommunikation führt. Niemand bestreitet, dass sich Sprachen immer lernen und ineinander übersetzen lassen können. Dennoch können immer begrenzt spezifische Schwierigkeiten auftreten, wie sie Giddens (1971a:viii) beispielsweise im Hinblick auf die englische Übersetzung von "Geist" oder "représentation collective" vermeldet. Popper und Lakatos benötigen jedoch für ihre Methodologie mehr, um diese auch auf alle intertheoretischen Beziehungen anwenden zu können: eine perfekte Übersetzung. Eine absolut präzise Übersetzung gibt es aber nicht! (Feyerabend 1970a:225; Popper 1979a: 27). Für Andersson (1988a:123) reduziert sich das Problem der Inkommensurabilität letztlich darauf, solche Prüfsätze aufzufinden, die als unproblematisch zu beurteilen man sich einigen kann. Ob ein solcher Konsens stets erzielt werden kann, ist wohl aber eine offene Frage, die keine Logik oder Methodologie zu beantworten hoffen darf, sondern der wirklichen Kommunikation der Wissenschaftler überlassen bleiben muss.
[1]) „There is no falsification before the emergence of a better theory." (Lakatos 1970a:119)
[2]) z.B. kann eine physikalische Theorie harmonischer klingen als eine konkurrierende, wenn sie mit Gitarrenbegleitung vorgelesen wird
[3]) zuerst eingeführt in 1962a, im gleichen Erscheinungsjahr wie Kuhn. Zur Priorität bzgl. „Inkommensurabilität" und einem illustrativen Beispiel siehe Feyerabend (1970a:219f)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen