Hartfiel hat den Prozess der Modellbildung wie folgt rekonstruiert:
„Denn der Aufbau eines Modells für jeden einzelnen Ausschnitt aus der Erfahrungswirklichkeit erfordert zunächst eine Aufbereitung, eine Auflösung des konkret-historischen Wirklichkeitsgefüges, und zwar (1) in die im Modell berücksichtigten, weil für die jeweilige sozialwissenschaftliche Problemstellung als relevant angesehenen Größen (Variablen) und deren Beziehungen untereinander, und (2) in eine ’Residualwirklichkeit’, die vorerst in den ‘Datenkranz’ des Modells abgeschoben wird. Der Modellkonstrukteur zerlegt hier die von ihm unterschiedenen Erscheinungen bzw. Bestandteile der Wirklichkeit in ‘exogene’ und ‘endogene’, wobei die ‘exogenen’ Erscheinungen im Modell entweder gar nicht oder nur durch Variable vertreten sind, deren Werte als Parameter gesetzt werden, also als unabhängige (bestimmende) Größen auftreten."
(Hartfiel 1968a:19)
In Gegensatz zu Popper bezieht sich Albert in einschlägigen Arbeiten auf den durch die deutsche Wissenschaftsgeschichte schwelenden Methodenstreit und trifft historisch und philosophisch einsehbare Zuordnungen. Sein Vorgehen verliert aber dann alle Plausibilität, so wie er versucht, Poppers Essentialismus-Kritik dazwischen zu blenden. Denn da muss ein unbefangener Betrachter sofort erkennen, dass Poppers Charakterisierung des Essentialismus sowie seine kritischen Argumente vielleicht maßgeschneidert auf die aristotelisch (Kauder) fundierte österreichische Schule [1]) der Nationalökonomie passen, nur sehr eingeschränkt jedoch auf die Begriffslogik eines Hegel oder Marx. Somit steht Alberts Unterstützung der Essentialismus-Kritik Poppers in unverblümten Gegensatz zu seiner ausdrücklichen Präferenz der wirtschaftssoziologischen Orientierung, welche er an der heterodoxen, sprich: klassischen Ökonomie lobt. Albert (1963a:45ff) lehnt die vergleichsweise empiriefeindliche und autonomistische Einstellung der neoklassischen Ökonomie ab. Die frühere, noch relativ radikale Kritik Alberts (1976a:126, Anm.9) an der neoklassischen Ökonomie wird von ihm später allerdings um etliches zurückgenommen [2]), wie dann später Popper gar, konfrontiert mit der Methode der neoklassischen Ökonomie, kuriose, im Grunde nicht nachvollziehbare Schlenker um seine eigenen methodologischen Maximen herum vollführt. Für die grundlegenden Ideen der Tradition der theoretischen Nationalökonomie halte er nun nicht mehr die Kritik aufrecht, dass deren erklärende ihrer ideologischen Funktion untergeordnet sei. Verstehbar wird deren Apriorismus m.E. aber erst in ihrer philosophiegeschichtlichen Perspektive: in ihrer Rechtfertigung durch den kantischen Transzendentalismus.
Das von Albert geprägte Pejorativ „Modell-Platonismus" hat vielleicht, so könnte man dafürhalten, wie viele Schimpfworte den Nachteil, dass das damit negativ assoziierte und stilisierend Gekennzeichnete, hier: die Philosophie Platons, stark stereotypisierend abgewertet wird, so wie in manchen Fällen der Ausruf „Du dummer Esel!" eine völlig ungerechtfertigte Beleidigung aller dieser biologischen Gattung angehörenden Geschöpfe zu impliziert. Demgegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Fachdiskussion schon lange dazu gelangt ist, einen strikten Unterschied zu machen zwischen Platon einerseits und dem Platonismus andererseits ähnlich wie zwischen einerseits Aristoteles und andererseits dem Aristotelismus. Die Wirkungsgeschichte eines Autors beinhaltet stets eine zuweilen recht restriktive und einseitige Selektion aus dem zudem in unterschiedlichem Maße zur Verfügung stehenden authentischen Material; und es macht herzlich wenig Sinn, Autor und seine Rezeptionsgeschichte durchgängig als einen monolithischen Block zu behandeln (Dlubek, Skambraks 1967a).
Es findet sich gleichwohl bei Platon [3]) eine sehr schönes Beispiel der von Albert gemeinten „modell-platonistischen" Orientierungsweise.
[1]) „Kaufmann and Oskar Morgenstern imported the positivist critique into the Mises seminar from the Thursday evening sessions of the Vienna Circle. There the foundations of deductive theory were deemed to be either ‘conventions’ or ‘tautologies’, not synthetic a priori truths as Menger (and virtually all other rationalist thinkers) had believed." (Prendergast 1986a:9)
[2]) Alberts wissenschaftstheoretische Habilitationsschrift wurde 1955 an der Kölner Universität von Soziologen wie Ökonomen als jeweils ihrer Disziplin nicht eindeutig zurechenbar zurückgewiesen. Außerdem wurde er der Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei verdächtigt (Albert 1996a:31). "So zeigten sich auch die totalitären Tendenzen des sogenannten McCarthyism in den Vereinigten Staaten am deutlichsten in dem Versuch, nicht einfach Kommunisten zu verfolgen, sondern jeden Bürger dazu zu veranlassen, sich als Nichtkommunist auszuweisen." (Arendt 1986a:566)
[3]) „In der Politeia wird Glaukon getadelt, als er bei der Erläuterung der astronomischen Wissensbildung den Blick zum Himmel wendet. Dieser gehört in der Terminologie der Ideenlehre zur Sphäre der Erscheinungen, insofern zur Sphäre des Wissenschaftlich Unerklärbaren, im Gegensatz zur Himmel der Astronomen, der nur mit den ‘Augen des Geistes’ erblickt werden kann." (Mittelstraß 1981a:54) Dieser unverfälschte Platonismus wird heutzutage nur noch von neoklassischen Ökonomen erreicht, die in ihren mathematischen Modellen von Marktrationalität und Grenzproduktivitätsraten keine Spur von Ausbeutung ent-decken können, woraus gerade ein Nobelpreisträger der Ökonomie messerscharf schließen muss, dass eine solche einfach nicht existiert (vgl. z. B. Samuelson 1971a).
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