„Yet just what is anathema in linguistics is now taken for granted by logical empiricists, a mythical ‘observation language’ replacing the English of the translators. Let us commence field work in this domain also and let us study the language of new theories not in the definition factories of the double language model, but in the company of those metaphysicians, experimenters, theoreticians, playwrights, courtesans, who have constructed new world views!" (Feyerabend 1970a:225)
In Kritik an Adorno wendet sich Spinner dagegen, die Totalitäts-Idee so zu verwenden, dass infolgedessen das einzelne philosophische System gegen externe Kritik immunisiert wird. Global gesehen, beinhaltet diese Idee die Vorstellung, die Kritik einer philosophischen Totalität bzw. Weltanschauung sei nur immanent zulässig:
Man müsse sich erst auf den Standpunkt des Systems stellen, um dieses zu verstehen; daher sei erst dann Kritik überhaupt möglich. Also sei vernünftige Kritik immer nur als immanente sinnvoll vorzustellen.
Spinner erkannte hier auf eine „Halbierung des Kritizismus" und taufte dies Prinzip „Adorno-Kriterium":
„Das Adorno-Kriterium schließt alle logischen Relationen - zum Beispiel die der Deduzierbarkeit, der Ableitbarkeit, des Widerspruchs (!) und der Reduzierbarkeit - zwischen den fraglichen Begriffen und Theorien prinzipiell aus und als Folge davon jede Möglichkeit des unmittelbaren Vergleichs." (Spinner 1969a: 342, Anm.47)
Man kann jedoch darüber streiten, ob man dasselbe mit vollem Recht nicht auch hätte "Popper-Kriterium" nennen können. Denn Popper entwickelt den vergleichbaren Gedanken, indem er eine immanente von einer transzendenten Methode der Kritik unterscheidet und hierbei nur erstere für effektiv hält.
"Eine solche Kritik, die eine Position durch Voraussetzungen bekämpft, die ihr fremd sind (weshalb man eben sagt, dass diese Kritik transzendiert), die einen theoretischen Bau an einem ganz anderen messen will, kann grundsätzlich immer ebenso gegen die eine Position gewendet werden, wie gegen die andere. Sie ist also für die Diskussion völlig nichtssagend (auch dann, wenn sie recht überzeugend klingt). Ihr gegenüber muss nachdrücklich die Forderung erhoben werden, dass alle erkenntnistheoretische Kritik immanente Kritik sein muss." (Popper 1994b:53f)
In der später erfolgen Anmerkung hierzu distanziert Popper sich von dieser Ansicht, doch nur halbherzig:
"Darüber bin ich jetzt ganz anderer Ansicht: auch eine transzendente Kritik kann überaus aufschlussreich sein, obwohl sie zu einer klaren Widerlegung niemals hinreicht." (*1)
Danach scheint Popper hier die Auffassung zu vertreten, dass ausschließlich eine immanente Kritik logisch wirksam, d.h. "vernichtend" sein könne. Dies steht wohl in eklatantem Widerspruch zu seiner Kuhn-Kritik, wonach es immer rationale Entscheidungsmöglichkeiten zwischen konkurrierenden Paradigmata gebe.
Überspitzt gesagt, wäre gemäß dem Adorno-Kriterium eine Kritik einer These erst nach vollzogener Konversion [1]) möglich. Diese Argumentationsfigur ist der abendländischen Theologie durch Augustin vertraut.[2]) It’s the same old story. Richtig ist wohl die Überlegung, dass eine Aussage erst hermeneutisch nachvollzogen werden muss, bevor sie sinngemäß angewandt und geprüft werden kann (eine Trivialität, der aber Poppers kreativ rekonstruierte Ideengeschichte systematisch zuwiderhandelt). Falsch ist, dass Verstehen einen Prozess vollkommenen Identifikationslernens voraussetzte. Dieser Gedanke vermag aber nur Apologeten einzuleuchten. Allerdings macht das deutlich, was von einer solchen Kritik zu erwarten ist, wenn nur Gläubige ihren eigenen Glauben kritisieren dürfen und dann vielleicht auch die Mittel der Kritik aus demselben entnehmen sollen, weil sie sonst exkommuniziert würden oder schon per Definition aus dem Kreis der Kritikberechtigten ausgeschlossen wären. Der Denkfehler liegt hier wohl darin, zu unterstellen, nur vollzogene Konversion erlaube erst erfolgreiche Anwendung hermeneutischer Verfahren.
[1]) Tatsächlich zeigt der Übergang Feuerbachs ebenso wie Marxens auf Hegels Philosophie psychisch alle Anzeichen einer Art „Konversion" oder zumindest einen emotional stressgeladenen „Gestalt switch" - der hier jedoch auch einen Karrierebruch implizierte, wie sich den betreffenden Briefen der beiden studiosi an ihre respektiven Väter unschwer entnehmen lässt. Feyerabend (1976a: 317) möchte derlei Erfahrungen keineswegs auf die Kindheitsentwicklung beschränkt sehen: „Der Versuch, die Grenzen eines gegebenen Begriffssystems zu durchbrechen, gehört wesentlich zu solchen Forschungen (und sollte auch ein wesentlicher Bestandteil jedes interessanten Lebens sein)." Toulmin (1978a:129) meldet hingegen Zweifel an, ob Konversion das angemessene Erklärungsmuster für die sog. „Wissenschaftliche Revolutionen" darstellt. Andersson (1988a:121) weist gegen Feyerabend daraufhin, dass Gestaltwahrnehmungen keinesfalls letzte unüberschreitbare Gegebenheiten darstellen: „Das gestaltpsychologische Modell der Erfahrung ist insofern richtig, als es die Theorieabhängigkeit der Erfahrung zeigt. Die Versuche, mit diesem Modell zu zeigen, dass die Erfahrungen und Prüfsätze mit verschiedenen Paradigmata inkommensurabel seien, sind dagegen misslungen, weil Gestaltwahrnehmungen nicht als letzte, unkritisierbare unmittelbare Erfahrungen aufgefasst werden müssen, sondern als kritisierbare implizite Hypothesen behandelt werden können." Es gebe nicht nur einen Theorienpluralismus, sondern auch einen Pluralismus von Deutungen eines bestimmten vorliegenden Beobachtungsmaterials (122).
[2]) „Der augustinische Weg der Selbsterkenntnis und Wahrheitssuche ist an eine Voraussetzung geknüpft, die die erste Prämisse des frühmittelalterlichen Denkens darstellt: Die Wahrheit zeigt sich nur denjenigen als personaler Gott, denen der christliche Glaube vollziehbar ist. Glaubend kann der Mensch seine Wissensmöglichkeiten entfalten, und sein Wissen wird ihn in seinem Glauben bestärken." (Schöpf 1981a:164)
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