"Nur was Gegenstand der Freiheit ist, heißt Idee. Wir müssen also auch über den Staat hinaus! - Denn jeder Staat muss freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; und das soll er nicht; also soll er aufhören. Ihr seht von selbst, dass hier alle die Ideen, vom ewigen Frieden u.s.w. nur untergeordnete Ideen einer höheren Idee sind: Zugleich will ich hier die Prinzipien für eine Geschichte der Menschheit niederlegen und das ganze elende Menschenwerk von Staat, Verfassung, Regierung, Gesetzgebung bis auf die Haut entblößen. Endlich kommen die Ideen von einer moralischen Welt, Gottheit, Unsterblichkeit, - Umsturz alles Afterglaubens, Verfolgung des Priestertums, das neuerdings Vernunft heuchelt, durch die Vernunft selbst. - Absolute Freiheit aller Geister, die die intellektuelle Welt in sich tragen und weder Gott noch Unsterblichkeit außer sich suchen dürfen." (Hegel, Das älteste Systemprogramm:3)
Nur das eine schließt Hoffnung ganz aus: der Beweis, dass etwas völlig unmöglich ist. Doch selbst Beweise sind noch angreifbar.
„Wie andere vor mir, so gelangte auch ich zu dem Resultat, dass die Idee einer utopischen sozialen Planung großen Stiles ein Irrlicht ist, das uns in den Sumpf lockt. Die Hybris, die uns versuchen lässt, das Himmelreich auf Erden zu verwirklichen, verführt uns dazu, unser gute Erde in eine Hölle zu verwandeln - eine Hölle, wie sie nur Menschen für ihre Mitmenschen verwirklichen können." (Popper 1987a:VIII)
So ersetzt Popper die Doktrin von der Unvermeidlichkeit der kommunistischen Revolution durch die Doktrin des unvermeidlichen Scheiterns revolutionärer Hoffnungen. Wenn ersteres "Popperizismus" genannt wird, so stellt letzteres offenbar einen popper-made Popperizismus dar. Methodologisch ist jedoch fragwürdig, dass Popper hier den Eindruck erweckt, er könne eine empirische Frage durch politisch-moralische Erwägungen bzw. allein mittels Logik lösen. Wenn "Utopismus" bedeutet, die wirklichen Triebkräfte des sozialen Lebens zu verkennen (Sombart 1908a:44), so ist praktisch Popper hier selber Utopist.
Als "utopistisch" wird kritisiert, was aufgrund nomologischen Wissens als nicht herstellbar angesehen wird.[1]) Die Grenzen unseres nomologischen Wissens - also das, was mit jedem wissenschaftlichen Fortschritt sich laufend ändert -, wird dabei als unproblematische Gegebenheit unterstellt. Poppers Anti-Utopismus impliziert demnach einen bias, wodurch das Bestehende bzw. das normativ verzeichnete Bild der gegenwärtigen Gesellschaft insgeheim fortgeschrieben und in alle Ewigkeit extrapoliert wird. Kernpunkt einer jeden Ideologie ist es aber, eine Fiktion als Grundlage der Realität zu nehmen.
Popper macht viel Aufhebens davon, dass Marx die nichtbeabsichtigten Folgen von absichtsvollem Handeln erkannt habe. Wesentlich ist jedoch, dass man nicht bei solcher Grundeinsicht stehen bleibt, sondern welche Folgerungen man daraus zieht:
Entweder: Nicht beabsichtigte Nebenwirkungen heißt: Die Folgen meines Handelns sind unkalkulierbar. Also ist alles rationale Planen sinnlos. Wir müssen voll auf die Vorsehung (unsere Eliten, den Markt) vertrauen. Alles regelt sich von selbst am besten, weil unsere Welt grundsätzlich in Ordnung ist und unser Schöpfer barmherzig.
Oder: Wir können den Bereich unseres Einflusses und unseres Wissens stets erweitern. Also müssen wir in Forschung investieren und unsere Planungen und Handlungsweisen ständig zu verbessern suchen.
[1]) "... man kann annehmen, dass das Wort »Ideal« nunmehr die allgemeine Bedeutung dessen trägt, was keine Wahrheit in sich hat ..." (Hegel, Aufsätze:20)
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