Aus Annahmen, über die man sich einig ist, und wenn auch nur für die Dauer einer Diskussion oder eines Modellspiels, werden leicht Dogmen. Man braucht nur diejenigen fernzuhalten, welche nicht daran denken, sich an die Spielregel zu halten und diese Annahmen in Frage stellen. Wer gegen die Regeln der Konversation verstößt, gilt auch in Wissenschaftlerkreisen leicht als Flegel. Dann verhilft nur noch die Entfernung des Störenfrieds, das akademische Idyll zu erhalten.
So ist etwa Weimann (1989a) so frei, seiner Methodologie das neoklassische Paradigma samt der Zielsetzung der Legitimierung dezentraler Allokationsmechanismen als verbindlich vorzuschreiben - und das wohlgemerkt, um die empirische Orientierung überflüssig zu machen! Hier spricht ein junger Ökonom offen aus, was Myrdal (1932a) und Albert (1954a) noch ein umständlich nachzuweisender Ideologieverdacht bleiben musste. Zu diesem kühnen methodologischen Wurf stellt sich nur die Frage, worin sich Weimanns Projekt noch unterscheidet von einer Sektengründung, einem ähnlichen kulturellen Unternehmen wie einem Kirchenchor oder einem Schach- oder Computerklub? Wieso und mit welchem Recht soll ausgerechnet dieser Hobbyklub besonders gefördert werden? Und ist dieses Argument dann nicht geglückt?! - "Kein Ökonom hält sich an Poppers Falsifikationismus!" (Müller-Goddefroy 1985a) Die Schlussfolgerung liegt zumindest für Ökonomen auf der Hand: Eine Methodologie, der niemand folgt, kann nicht vernünftig sein. Schließlich gab es die neoklassische Ökonomie schon vor Popper, und alles klappte wie am Schnürchen: ein Modell folgte dem anderen und das Argument wurde immer feiner ausgesponnen. Nur ein paar Unbelehrbare, denen es wahrscheinlich schon von zu Hause aus am mathematischen Scharfsinn oder am Eros zur Versenkung in die Tiefen der oeconomia pura mangelte, fragten von Zeit zu Zeit nach dem Sinn dieser Beschäftigung. Während eine solche Sichtweise jeden Ökonom befriedigt, weil sie ihm das höchste Gut jedes Wissenschaftlers, nämlich seine Seelenruhe, belässt, ist ein Methodologe, der etwas auf sein Spezialfach hält [1]), eine ganz andere Schlussfolgerung zu ziehen geneigt. Allerdings haben sich die Vertreter der Grenznutzentheorie nur höchst selten nach dem Grenznutzen ihrer Theorie gefragt. Wer lässt sich aber schon gerne seine bewährten Methoden von andern Leuten miesmachen? Und noch dazu von solchen, die vom fachwissenschaftlichen Geschäft keine Ahnung haben können! Da muss ein Wissenschaftler schon schwer in seiner Seele erschüttert sein, um auf das Gerede von Philosophen [2]) acht zu haben. Ein Methodologe wird wie der Pfarrer immer erst dann gerufen, wenn das letzte Stündlein eines theoretischen Paradigma geschlagen zu haben scheint - oder dann und wann, wenn es etwas Besonderes im Kreise der Familie mit offiziellem Anstrich zu feiern gilt. So schwankt der kundenorientierte Methodologe zwischen der Rolle des Seelentrösters und des Lobhudlers. Beliebter als Ärzte sind aber immer die eigenen Hausmittelchen.
"In der Volkswirtschaft scheint es für den Beruf oft von größerem Nutzen zu sein, einer zwar falschen, aber doch höchst respektablen Theorie zu huldigen, als im Besitz der sicher erwiesenen Wahrheit zu sein." (Galbraith 1970a:8)
Aus der Reinheit der Theorie folgt, dass die Praxis ein schmutziges Geschäft sein muss.[1]) ein Tummelplatz von Dilettanten: Methodologie (Schumpeter 1965a)
[2]) „Und den Fachkollegen meiner Generation möchte ich sagen (...), dass man nicht wissenschaftlich ‘am Ende’ zu sein braucht, wenn man anfängt, sich über gewisse Zusammenhänge Gedanken zu machen." (Krelle 1964a: 238, Anm.1)
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