Wenn Werte nicht absolut begründet werden können, so können diese doch kritisch an Alternativen geprüft werden, d.h. also der fallibilistischen Methode unterzogen werden (auch Webers letzte Wertentscheidungen!). Also findet hier eine methodologisch analoge Behandlung von Theorien und ethischen Systemen statt.
Auf diesem gewandelten methodologischen Hintergrund ist aber auch das Wertfreiheitspostulat und der diesem nach Kant unterliegenden Dualismus von Sein und Sollen neu zu fassen. Dass von Sein nicht auf Sollen geschlossen werden kann, beruht gerade auf diesem Dualismus. Es war aber nun ein Teil des hegelschen Programms, diesem Dualismus zu entgehen. Marx suchte Hegel hier auf materialistischer Basis zu folgen. Habermas sucht dieses Programm fortzusetzen, indem er auf die Alltagspraxis von Kommunikation [1]) zurückgreift, wo Aussagenwahrheit, Richtigkeit von Normen, Wahrhaftigkeit und Authentizität ein einheitliches Geschehen bilden.
Es ist nicht a priori zu entscheiden, ob derartige Alternativen zum kantischen Dualismus vernünftig vertretbar sind oder nicht, sondern nur durch genaue Ausarbeitung und kritische Prüfung der sich anbietenden Alternativen. Dabei könnte es sich aber auch herausstellen, dass beide vertretbar sind, aber beide gleichzeitig unterschiedliche Vor- und Nachteile aufweisen. [2])
Das Wertfreiheitspostulat enthält dann lediglich die Minimalforderung: Wertungen sollten auf jeden Fall identifizierbar und intersubjektiv kontrollierbar sein. Dazu ist nicht auf jeden Fall erforderlich, dass Wertungen und empirische Beschreibung im Text auseinandergehalten werden. Die Art und die Logik der Wertung muss für den Kommunikationspartner stets prinzipiell nachvollziehbar sein. Wenn diese Minimalforderung erfüllt ist, ist auf jeden Fall Rationalität gewahrt. Insofern ist Königs (1973a:23ff) Kritik am Totalitätsbegriff nur insoweit berechtigt, als dieser Begriff von den von ihm angegriffenen Vertretern der Theorie der Gesellschaft nicht genügend expliziert und mit eindeutiger Bedeutung verwendet wird. Seine Kritik schießt über das Ziel hinaus, wenn er die Theorie der Gesellschaft für unwissenschaftlich hält, nur weil sie Wertungen enthält. Nicht aber dieses ist schon irrational; sondern nur, wenn diese Wertungen erschlichen oder für Dritte nicht kontrollierbar sind.
[1]) “The most important achievement of such an approach is the possibility of clarifying a concept of communicative rationality that escapes the snares of Western logocentrism. Instead of following Nietzsche's path of a totalizing and self-referential critique of reason, whether it be via Heidegger to Derrida, or via Bataille to Foucault, and throwing the baby out with the bathwater, it is more promising to seek this end through the analysis of the already operative potential for rationality contained in the everyday practices of communication. Here the validity dimensions of propositional truth, normative rightness, and subjective truthfulness or authenticity are intermeshed with each other. From this network of a bodily and interactively shaped, historically situated reason, our philosophical tradition selected out only the single thread of propositional truth and theoretical reason and stylized it into the monopoly of humanity.“ (Habermas 1985c:196f)
[2]) „We may have to get used to the idea that every single specific reconstruction has some demerits along with whatever merits it may possess.” (Feigl 1974a:3)
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