Die Rolle des Widerspruchs bei Hegel
Vor allem wäre erst einmal in einer gründlichen Untersuchung nachzuweisen, welche Rolle Kontradiktionen innerhalb der Methodologie Hegels spiele.
Vor allem:
Welcher Art sind dialektische Widersprüche?
Man muss sich hüten, Hegels Polemik gegen die formale Logik zu wörtlich zu nehmen. Es ist anzunehmen, dass auch Hegels Dialektik prinzipiell nicht um eine Minimallogik herumkommt. Nun hat Poppers Explikation der hegelschen Dialektik durch sein aussagenlogisches Modell ja den Zweck scheinbar doch erfüllt, eine Kontradiktion nachzuweisen, indem sie einfach die aussagenlogische Kontradiktion als das Wesen der Dialektik postulierte. Zynischerweise könnte man daher sagen, Popper habe damit sein Ziel des Nachweises der Irrationalität zu 100 % erreicht. Offenbar kann sich Poppers Explikation auf gewisse Deklarationen Hegels und einiger dem nachfolgender Marxisten stützen, welche Dialektik und formale Logik einander als unvereinbar (widersprüchlich?!) gegenüberstellen oder das Kontradiktionsverbot aufheben wollen. Diese Deklarationen sind aber wenig wert in Anbetracht der Unklarheit derjenigen, die da so sprechen, gerade über das, wovon sie sprechen. Es wäre daher zur Verdeutlichung des gemeinten Streitfalles immer auch die praktizierte Methodologie heranzuziehen. Meist sind diese Deklarationen nicht über mehr als ein Programm zu einer Logik hinausgekommen.
So zahlt Poppers Explikationsversuch ihren leichten Sieg damit, das in Frage stehende Problem zu trivialisieren. Anscheinend ging es hierbei nicht mehr um Philosophie, sondern um Rhetorik, gemäß der Zielsetzung einer „Kampfinterpretation“: Wie stelle ich die gegnerische Position möglichst so dar, dass ihre Irrationalität sofort in die Augen springt? Es ist daher gut das Argument der Verteidiger dialektischen Denkens nachzuvollziehen, dass eine derartige Formalisierung nicht schon den Gedanken dialektischer Methode erfasse. Man darf es sich jedenfalls nicht so leicht machen und einfach Poppers Kritik folgen, Hegels Dialektik sei nichts als eine reine Immunisierungsstrategie. Denn Hegels dialektische Methode ist nicht nur äußerlich kritisierbar, sondern auch immanent widerlegbar, wie Marx in seiner „Kritik des Hegelschen Staatsrechts“ gezeigt hat. Widerlegbar, indem man sie an Hegels Ansprüchen an seine eigene Methode misst, und darüber hinaus zumindest noch widerlegbar durch die Konfrontation mit den Anforderungen einer Minimallogik. Laut Kuhn arbeiten Wissenschaftler nach einem Paradigmawechsel, der stets als ein Gestaltwechsel aufgefasst werden müsse, in einer anderen Welt (Andersson 1988a:36f). Was ist dies aber anderes als eine moderne Formulierung der hegelschen Subjekt-Objekt-Dialektik? Demzufolge sind auch die philosophischen Prämissen dieser Methode kritisierbar, aber freilich nur für einen Philosophen.
Die durch Dialektik aufgeworfene Problematik erstreckt sich zumindest auf folgende Gebiete der philosophischen Interpretation, bzw. Systematologie sowie der Rekonstruktion von Begriffslogik und der davon betroffenen soziologischen Theoriebildung:
Ist eine (evtl. Minimal-) Logik denkbar, welche auf das Kontradiktionsverbot verzichtet?
Wie vollzieht Hegel in seiner Begriffslogik den dialektischen Übergang zwischen seinen Kategorien?
Worin besteht die antinomische Struktur philosophischer Systeme?
Inwieweit ist Marxens Dialektik im „Kapital“ materialistische Dialektik?
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