Der Streit zwischen Positivisten und Metaphysikern dreht sich nur vordergründig darum, was als „Positivismus“ gelten kann. Als Problem steht im Hintergrund die gute alte Frage:
In welchem Verhältnis stehen Philosophie und empirische Wissenschaft zueinander?
Positivismus tritt nämlich an, Wissenschaft vor den ewigen Abgründen und endlosen Irrwegen der Metaphysik zu retten. Er ist immerzu pro-wissenschaftlich, anti-metaphysisch. Auf dem Weg zu seinem Ideal, der absolut gewissen wissenschaftlichen Wahrheit, wirft er mutig alles über Bord, was dabei hinderlich oder unbeweisbar erscheint.[2]) Der Metaphysiker hingegen versteht sich als ein Selbstdenker, welchem nicht einmal Wissenschaft sakrosankt ist. Von der Warte des Selbstdenkers aus ist Wissenschaft genauso seinem systematisierenden Denken unterworfen wie alles andere. Und darin sieht er kein Entkommen! Denn auch ein Anti-Metaphysiker treibt Metaphysik in diesem nämlichen Sinne, sobald er nur sein Selbstdenken ausspricht. Da dieser aber oft expliziten Stellungnahmen vermeidet oder dieselben schlichtweg verweigert, erscheint der Positivist dem Metaphysiker notgedrungen als sturer Denkverbieter.
Hierzu abschließend einige Thesen:
· Philosophieren ist unvermeidlich.
· Zu sagen, was „Wissenschaft“ sei, ist nicht mehr (empirisch-) wissenschaftlich (Popper 1994b:385).
· Wenn wir durch die Methode der kritischen Prüfung Erkenntnisfortschritt erzielen möchten, müssen wir auch unsere philosophischen Voraussetzungen explizit und systematisch aufstellen.
· Erkenntnisfortschritt setzt ein dialektisches Verhältnis zwischen Philosophie und Einzelwissenschaften im Sinne wechselseitiger Kritik voraus.
· Dazu gehört vor allem auch eine Methode des kritischen Vergleichs von Theorien, die gemäß divergierenden Metatheorien entworfen wurden.
· Es verfügt keine bestimmte Metatheorie über ein dauerhaftes bzw. unwiderrufliches Privileg, als letzte Wahrheitsinstanz aufzutreten.
[1]) Es soll die Angst vor der Metaphysik genommen werden: "Aus Angst vor der Metaphysik (die Angst ist nur zu berechtigt, solange man nicht über ein brauchbares Abgrenzungskriterium verfügt) klammert sich der (induktivistisch orientierte) Empirist möglichst fest an die unmittelbaren Daten der Erfahrung." (Popper 1994b:288) Angst geht mit niedriger Ambiguitätstoleranz einher, und diese mit Dogmatismus und Konformismus. Ist Abgrenzung jedoch eine rationale Strategie, Angst zu reduzieren? Wie die Hegel-Phobie zeigt, verstärkt sie nur letztere.
[2]) „Der Primat der Gewissheit hat zum Erkenntnisverzicht geführt,“ sagt Albert (1972c:351), allerdings in einem anderen Zusammenhang.
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