Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

02.10.2005

Was ist am Positivismus positiv?

Wissenschaft lebt aber von beiderlei Prinzip. Wie aber Marx wieder hegelia­ni­siert, so wurde mit Popper Feyerabend gemacht. fact-believers vs. believers in theoretical argument, bzw. Prie­ster und Narren (Kolakowski 1984a:276). Das Problem ist jeweils, für jede anstehende Frage das opti­ma­le Produktmix zu finden. Der Feh­ler ein­zel­ner Philosophien wird Philosophie schlecht­hin ange­la­stet und gebiert den Auf­stand der impli­ziten Phi­lo­so­phen gegen die expliziten. Die explizite setzt sich aber erhobenen Hauptes offen der Kritik aus und ist die­ses Vorgehens we­gen umso höher zu schät­zen. Wie auch Feyerabend (1963a; 1976a:61) nicht ermüdete her­auszu­stel­len, be­steht zwischen der Pro­li­fe­ration von Theorien („spe­kulativem“ Denken) und em­pi­ri­scher Me­thode nicht nur kein Ge­gen­satz, son­dern: Gute Empi­rie setzt alter­na­ti­ve Theorien vor­aus, weil nur durch diese Tat­sa­chen über­haupt erst feststellbar wer­den. Es be­steht demnach über­haupt kein Grund zu Angst vor Meta­phy­sik [1]).

Der Streit zwischen Positivisten und Metaphysikern dreht sich nur vordergründig darum, was als „Positivis­mus“ gelten kann. Als Problem steht im Hintergrund die gute alte Frage:

In welchem Verhältnis stehen Philosophie und empirische Wissenschaft zuein­an­der?

Positivismus tritt nämlich an, Wissenschaft vor den ewigen Abgründen und end­lo­sen Irrwe­gen der Metaphysik zu retten. Er ist immerzu pro-wissenschaftlich, an­ti-metaphysisch. Auf dem Weg zu seinem Ideal, der absolut gewissen wissen­schaft­lichen Wahrheit, wirft er mutig al­les über Bord, was dabei hinderlich oder un­be­weisbar erscheint.[2]) Der Metaphysiker hingegen versteht sich als ein Selbst­den­ker, welchem nicht einmal Wissen­schaft sakro­sankt ist. Von der Warte des Selbstdenkers aus ist Wissenschaft genauso sei­nem sy­ste­mati­sieren­den Den­ken un­ter­worfen wie alles andere. Und darin sieht er kein Ent­kom­men! Denn auch ein Anti-Meta­phy­siker treibt Metaphysik in diesem nämlichen Sinne, so­bald er nur sein Selbstdenken aus­spricht. Da dieser aber oft expliziten Stellungnahmen ver­mei­det oder die­selben schlichtweg verwei­gert, erscheint der Positivist dem Metaphysiker not­ge­drungen als stu­rer Denk­verbieter.

Hierzu abschließend einige Thesen:

· Philosophieren ist unvermeidlich.

· Zu sagen, was „Wissenschaft“ sei, ist nicht mehr (empirisch-) wissen­schaftlich (Popper 1994b:385).

· Wenn wir durch die Methode der kritischen Prüfung Erkenntnisfortschritt er­zie­len möchten, müssen wir auch unsere philosophischen Voraus­set­zungen ex­pli­zit und sy­s­tematisch aufstellen.

· Erkenntnisfortschritt setzt ein dialektisches Verhältnis zwischen Philoso­phie und Einzel­wissenschaften im Sinne wechselseitiger Kritik voraus.

· Dazu gehört vor allem auch eine Methode des kritischen Vergleichs von Theo­ri­en, die gemäß divergierenden Metatheorien entworfen wurden.

· Es verfügt keine bestimmte Metatheorie über ein dauerhaftes bzw. unwi­der­rufliches Pri­vileg, als letzte Wahrheitsinstanz aufzutreten.



[1]) Es soll die Angst vor der Metaphysik genommen werden: "Aus Angst vor der Metaphysik (die Angst ist nur zu berechtigt, solange man nicht über ein brauchbares Abgrenzungskriterium ver­fügt) klammert sich der (induktivistisch orientierte) Empirist möglichst fest an die un­mittel­ba­ren Daten der Erfahrung." (Popper 1994b:288) Angst geht mit niedriger Ambiguitäts­tole­ranz einher, und diese mit Dogmatismus und Konfor­mis­mus. Ist Ab­gren­zung jedoch eine rationale Strategie, Angst zu reduzieren? Wie die Hegel-Phobie zeigt, verstärkt sie nur letztere.

[2]) „Der Primat der Gewissheit hat zum Erkenntnisverzicht geführt,“ sagt Albert (1972c:351), al­ler­dings in einem anderen Zu­sammenhang.

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