Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

02.10.2005

Thesen über Popper (7)

Rationale Mittel langten Popper zu seinen Zwecken von Ideologiekritik nicht aus­. Er versah sich, Ideologie zu bekämpfen, indem er sich bemühte, eine Ge­­genide­o­lo­gie zu erschaffen. In dem von Popper(1969a:373) deklarierten war of ideas sollen Theorien anstelle von Men­schen erledigt werden [1]). Zentrale Stel­le in Poppers Bestrebungen nimmt daher nicht kritisch begriffene Po­litik, son­dern Be­­griffspolitik ein, womit Inhalte und Positionen ent­we­der besetzt oder aus dem Dis­­kurs [2]) ausgeschaltet werden. wird Ide­o­logie schon durch eine Ge­gen­ideologie [3]) zu Vernunft gebracht.[4]) Ein „Krieg der Ideen“ ist so in­kom­patibel mit Phi­lo­sophie wie „Realpolitik“ mit Wissenschaft. In der Moderne war denn auch der „Krieg der Ideen“ stets Vorbote und Vorbereiter des militä­ri­schen.


[1] ) Dahinter liegt die fragwürdige Unterstellung, dass politische Einstellungen politisches Handeln und damit po­litische Entwicklungen bestimmten. Ausgeblendet erscheint, dass die sog. „Macht der Verhältnisse“ die Dinge oft anders laufen lassen als irgendjemand geplant hat.

[2] ) "Cultural theorists use the term 'discourse' to describe 'the cultural 'fixing' of certain meanings, and their con­stant reproduction and circulation.' The fixing of a discourse brings closure to social debate. It shifts attention away from how explanations and justifications are constructed and how cultural meanings are embedded in these justifications. As a result, 'other possible ways of making sense ... have been absented, discouraged or closed out' (O'Sullivan et al., 1994:93). This leaves a form of intellectual totalitarianism in the absence of critical aware­ness." (Sosteric, Gismondi, Ratkovic 1998a) Vgl. hierzu Derridas Begriff der "Dekonstruktion": "Dekonstruktion gibt dort Dekonstruktionen zu lesen, wo sie nicht allein Gehalte von Diskursen entziffert, sondern diese Gehalte aus der Konstitution eines Diskurses heraus versteht. Sie gelingt also als Kritik genau in dem Maß, in dem sie auch die Konstitution eines Diskurses befragt. Von dieser Konstitution her nämlich lässt sich denken, dass der Diskurs über sich selbst hinausgeht." (Bertram 1999a:236f)

[3] ) Gegenideologie bezeichnet den Unterschied, ob man dem Impuls des kritischen Denkens Priorität einräumt oder lediglich mit allen Mitteln bestimmte Inhalte transportieren möchte. Letztere Absicht geht mehr auf poli­ti­sche Wirkung denn Erkenntnis, Selbstreflexion wird hintan gestellt, die eigene Interessiertheit verdeckt. Wahr­hei­ten in ihrer unsicheren Zerbrechlichkeit sind gemeinhin der frechen Arroganz, der selbstsicheren Lüge und dem perfektionierten Betrug fast hilflos ausgeliefert.

„So stellt man mitunter im Westen die sowjetische Staatsscholastik, die längst erstarrt und nach manchen An­zei­chen bereits im Absterben begriffen ist, als verführerische und dynamische Macht hin und folgert daraus, dass man ihr eine eigene ‘abendländische’ Weltanschauung entgegensetze müsse, wenn man ihr nicht erliegen wolle. Dass die ‘Überwindung des dialektischen Materialismus’ nicht mit Hilfe vormarxistischer Ideologien vom We­sten her geleistet werden kann, sondern nur auf Grund der sich in Ost und West gleichermaßen vollziehenden Ent­wicklung einer modernen postmarxistischen Wissenschaft möglich ist, wird geflissentlich übersehen." (Topitsch 1966a:50)

[4] ) so wenig wie sich Rassismus einfach durch Umdrehen beheben lässt (Sayyid 1998a:382)

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