Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Popper vermischt Theorie und Geschichte

„Die Menschen mischen das Chronikschreiben mit älteren Geschichts­kon­struk­tionen verschiedener Art - vorher gibt es Mythen, magische Personen­fol­gen (so mussten Negerstämme die Königsahnen aufzählen, damit das Bier gut gerate) ...(Neurath 1931a:18)

Heinrichs (1986a:3f) wendet sich gegen einen Historismus, der sich mit der Philoso­phie und Geistesgeschichte als einer reichen Materialsammlung begnügt, die es, gleichsam wie ein Samm­ler mit seinen Briefmarken verfährt, nur zu ordnen und anzuschauen gilt. Letztes Ziel muss dem Philosophen oder Wissenschaftler dagegen das systematische Erkenntnisinteresse bleiben. So wie das historische Interesse Voraussetzung für das syste­ma­tische und umgekehrt ist, so gefährlich und irreführend wird es, wenn beide unter der Hand eine wilde Ehe eingehen, d.h. miteinander un­methodisch vermischt werden.

„Suitable recognition of the difference between the history and systematics of hi­story might result in the writing of authentic histories.” (Merton 1968a:2)

Poppers Erkenntnisziel ist unverkennbar systematisch und aktuell politisch; dies jedoch über alle Ma­ßen und methodisch so unreflektiert, dass die historische Betrachtung dabei in die Bin­sen gehen muss. Seine Strategie der historischen Interpretation, bzw. seine eigentümliche Art, Theorie und Geschichte miteinander zu mischen, beliebt nämlich so anachronistisch zu ver­fah­ren wie Ein Yankee an König Ar­tus Hof (Mark Twain). Ein solches „mo­der­nes Barbaren­tum“ erschüttert und de­pri­miert [1]).

Man kann schwerlich Popper von dem Vorwurf des „ab­strakten Historizismus“ freispre­chen, wie Ilyenkov diesen formuliert hat:

„The result of application of the principle of abstract historicism is this: the hi­sto­ry of a cer­tain phenomenon is described in terms of facts pertaining to the hi­sto­ry of quite different phe­nomena, those that merely prepared the emergence of the former phenomenon histo­ri­cal­ly. By this trick, the given concrete histo­ri­cal pheno­menon appears to the theoretician either eternal or in any case very an­cient, much more ancient than it actually is.” (Ilyenkov 4)



[1]) So ergeht es Heintel (1984a:14), der allerdings keine Namen nennt: „Ist doch für ein an die­ser Tradition gebildetes Denken nichts so deprimierend als die - oft im Namen vermeint­lich ‘fort­schrittlicher’ Wissenschaftlichkeit - propagierten Nivellierungen und Sim­plifikationen des phi­lo­so­phi­schen Problembestandes, deren Vertreter bei und trotz aller geschulten Intellektualität ihr ‘mo­der­nes’ Barbarentum für jeden Kundigen nur allzu deutlich und oft erstaunlich naiv zur Schau stel­len."

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