Die theoretische Funktion der pattern variables bei Parsons verdolmetscht Rüschemeyer [1]).
Es liegt all dem vermutlich eine Konfusion zugrunde, die durch Kants irreführenden Ausdruck „transzendentale Deduktion" mitverursacht ist. Denn Kants Verfahren liegt nicht eine Deduktion im Sinne deduktiver Logik zugrunde, sondern eher eine rückwärtsschreitende Abstraktion [2]). In keiner Konklusion sind jedoch die Prämissen einer Deduktion in irgendeinem Sinne "enthalten" (Albert 1972c:117f). So wäre zumindest zu unterscheiden, ob im Sinne eines Rechtfertigungsprogramms soziologische Theorien von a priori gültigen Kategorien soziologischer Erkenntnis abgeleitet werden sollen, oder ob diese Kategorien einfach zu verstehen sind als Abstraktionsprodukte und Konvergenzen unterschiedlicher Paradigmata der Soziologie, so wie sie Parsons in „The Structure of Social Action" [3]) auch tatsächlich präsentiert hat. Diese Kategorien unterlägen mit ihren darauf basierenden empirischen Theorien grundsätzlich dem empirischen Test. Wenn Merton (1968a: 50) aber gegenüber allgemeinen Theorien als Negativum ins Feld führt, dass so wenig konkrete Hypothesen daraus abgeleitet würden, so verkennt er damit die Logik der Abstraktion bzw. das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem. Das Konkrete ist immer reicher an Bestimmungen als das Abstrakte bzw. das Allgemeinere; hingegen besitzt das Allgemeine eine größere Reichweite.
[1]) „Die pattern variables sind Alternativen der Orientierung, zwischen denen der Handelnde zu ‘wählen’ hat, bevor seine Situation einen eindeutigen Sinn für ihn bekommt; sie bezeichnen formale Möglichkeiten der ‘Definition der Situation’ (im Sinne von W. I. Thomas). Sie sind also zunächst Elemente der Modellrekonstruktion jedes einzelnen Aktes und können somit auch zur Charakterisierung der verschiedenen Systeme, d.h. Organisationen interdependenter Akte verwandt werden. Ihre wichtigste Anwendung liegt in der Charakterisierung institutionalisierter sozialer Beziehungen. Die pattern variables dienen dann der Beschreibung und Klassifikation und dem systematischen Vergleich sozialer Strukturen. In der jüngsten Formulierung werden diese Orientierungsalternativen auf außerordentlich komplexe Weise in einen gewandelten theoretischen Bezugsrahmen eingeordnet, der von vier Grundproblemen jedes sozialen Systems ausgeht, den Problemen der Zielorientierung, der Anpassung an die Umwelt, der Integration und der Regelung sozial-emotionaler Spannungen." (Rüschemeyer 1968a:26f)
[2]) analog "reasoning forward": "The object is to bring the situation, or problem state, forward from its initial configuration to one satisfying a goal condition." und "reasoning backward": "The goal statement, or problem statement, is converted to one or more subgoals that are (one hopes) easier to solve and whose solutions are sufficient to solve the original problem." (Barr, Feigenbaum 1981a:23)
[3]) "Rather than a call for criticism, the watchwords of professionalized sociology became: continuity, codification, convergence, and cumulation. Talcott Parsons' Structure of Social Action was the paradigm of such a posture, and its ideology of 'continuity' was taken up and amplified by his students." (Gouldner 1971a:17)
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