Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Neue Wege des Funktionalismus

Kurioserweise ist Alberts Aufsatz zum „Modell-Plato­nis­mus" im selben Sammelband ein Aufsatz Königs vorangestellt, wo dieser mit wissen­schafts­lo­gi­schen Argumenten gegen die Theorie der Gesellschaft zu Felde zieht, gleichzeitig aber das Programm einer aprioristischen Soziologie vertritt, wobei er zum Beispiel Parsons’ pat­tern variables als eben einen solchen Ver­such bewertet.

Die theoretische Funktion der pat­tern variables bei Parsons verdolmetscht Rüschemeyer [1]).

Es liegt all dem ver­mutlich eine Konfu­si­on zu­grun­de, die durch Kants irreführenden Aus­druck „transzendentale De­duktion" mitver­ursacht ist. Denn Kants Ver­fahren liegt nicht eine De­duk­tion im Sinne de­duktiver Logik zu­grun­de, son­dern eher eine rück­wärts­schreitende Ab­straktion [2]). In keiner Konklusion sind je­doch die Prä­missen einer Deduktion in irgendeinem Sinne "ent­halten" (Albert 1972c:117f). So wäre zumin­dest zu unterscheiden, ob im Sinne ei­nes Recht­fer­tigungs­pro­gramms soziologische Theorien von a priori gültigen Kategorien sozio­lo­gi­scher Erkenntnis ab­geleitet werden sollen, oder ob diese Kategorien einfach zu verstehen sind als Ab­strak­ti­ons­pro­dukte und Konver­gen­zen unter­schiedli­cher Paradigmata der Soziologie, so wie sie Parsons in „The Structure of So­cial Action" [3]) auch tatsächlich präsentiert hat. Diese Ka­tegorien unterlä­gen mit ihren dar­auf basierenden empirischen Theorien grundsätzlich dem em­pirischen Test. Wenn Merton (1968a: 50) aber ge­genüber allgemei­nen Theorien als Ne­ga­ti­vum ins Feld führt, dass so wenig konkrete Hypo­the­sen daraus abgeleitet würden, so verkennt er damit die Logik der Abstraktion bzw. das Ver­hält­nis von Allgemeinem und Besonderem. Das Konkrete ist im­mer reicher an Be­stim­mungen als das Abstrakte bzw. das Allge­meinere; hin­gegen besitzt das All­gemeine eine grö­ße­re Reich­wei­te.



[1]) „Die pattern variables sind Alternativen der Orientierung, zwischen denen der Handelnde zu ‘wählen’ hat, bevor seine Situation einen eindeutigen Sinn für ihn bekommt; sie bezeichnen for­male Möglichkeiten der ‘Defi­ni­tion der Situation’ (im Sinne von W. I. Thomas). Sie sind also zunächst Ele­mente der Modellrekonstruktion je­des einzelnen Aktes und können somit auch zur Charakte­ri­sie­rung der verschiedenen Systeme, d.h. Organisa­tio­nen interdependenter Akte verwandt werden. Ih­re wichtigste Anwendung liegt in der Charakterisierung institu­ti­o­na­lisierter sozialer Beziehungen. Die pattern variables dienen dann der Beschreibung und Klassifikation und dem systematischen Ver­gleich sozialer Strukturen. In der jüngsten Formulierung werden diese Ori­entierungsal­ter­nati­ven auf außerordentlich komplexe Weise in einen gewandelten theoretischen Bezugsrahmen einge­ordnet, der von vier Grundproblemen jedes sozialen Systems ausgeht, den Problemen der Zielori­en­tierung, der Anpassung an die Umwelt, der Integration und der Regelung sozial-emotionaler Span­nungen." (Rüschemeyer 1968a:26f)

[2]) analog "reasoning forward": "The object is to bring the situation, or problem state, forward from its initial configuration to one satisfying a goal condition." und "reasoning backward": "The goal statement, or problem statement, is converted to one or more subgoals that are (one hopes) easier to solve and whose solutions are sufficient to solve the original problem." (Barr, Feigenbaum 1981a:23)

[3]) "Rather than a call for criticism, the watchwords of professionalized sociology became: con­ti­nuity, codification, convergence, and cumulation. Talcott Parsons' Structure of Social Action was the paradigm of such a posture, and its ideology of 'continuity' was taken up and amplified by his stu­dents." (Gouldner 1971a:17)

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