Popper ist auf diesem Felde aber nicht Fallibilist, der die Wahrheit zwischen Alternativen sucht, sondern (logizistischer) Dogmatiker. Seine persönliche Rezeption moderner Logik wird in seinen Händen zum ideologiekritischen Tomahawk gegen politisch unliebsame Philosophien und Gesellschaftstheorien.
Dabei scheint er zu übersehen, dass unterschiedliche Auffassungen über Logik legitimer Weise möglich sind.
Hägler (1994a:14) jedoch geht hier allein schon 3 Strängen nach, die alle in diesen philosophischen Knoten verschlungen sind:
1. Identität,
2. Modalität und die
3. Semantik singulärer und genereller Terme.
Wer wie Popper späterhin selbst die Theorieabhängigkeit der Bedeutung von Begriffen ins Blickfeld rückt, muss bedenken, dass dann auch eine scharfe Trennung [1]) von Definitionen und sachhaltigen Aussagen nicht ohne weiteres mehr möglich ist. Insofern könnte das Problem der Definitionslehre nicht unabhängig von einer Lösung der Fragen der Theoriekonstruktion sowie der Wahl der theoretischen und Beobachtungssprache gelöst werden.
Dass man sogar in der Mathematik zwischen der analytischen Darstellbarkeit und dem synthetischen „Charakter" eines Begriffs unterscheiden muss, zeigt Marx am Begriff der „Stetigkeit":
„Die von Frege gebrauchte Analogie bezeichnet prägnant den Umstand, dass die Methode analytisch-apriorischer Darstellung nicht ausreicht, um verständlich zu machen die Möglichkeit inhaltlich-relevanter mathematischer Lehrsätze. Weder lässt sich durch Zergliederung der den Begriff ‘Stetigkeit’ konstituierenden Elemente der Bereich seiner fruchtbaren Anwendbarkeit konstruieren, noch kann man behaupten, dass ein solcher Begriff lediglich durch Kombination der Zeichen, mit denen er dargestellt wird, ‘entsteht’ oder mit Beziehung auf sie verständlich würde." (Marx 1974a:97)
In den (zurückgebliebenen) Sozialwissenschaften sei der Essentialismus laut Popper (1980a: 262) schließlich bis heute vorherrschend und übe dort noch immer seinen verheerenden Einfluss [2]) aus. Seltsamerweise führen hier alle Wege nicht zu Marx oder nach Moskau, sondern laufen bei Husserl zusammen, der sich hier als poppersches Urbild von Gegenaufklärung entpuppt. Die vorstehende Sortierung von Theoretikern ist insofern schon höchst kurios, als zum Beispiel Weber, der allen bislang als ein Ausbund von Nominalismus (Sombart 1924a) gegolten hat, nunmehr von Popper frisch und frei dem Essentialismus zugeschlagen wird, vielleicht weil Weber als gelernter Jurist in „Wirtschaft und Gesellschaft" so viele Definitionen stehen hat. Denn wer Definieren für wichtig nimmt,wird als ein Wortklauber verdächtig. Der Schluss ist jedoch voreilig, daraus, dass von Webers fragmentarischen Manuskripten nicht viel mehr als Definitionen vorliegen, sei zu entnehmen, sein Erkenntnisprogramm habe sich darin erschöpft. Wegen seiner Kritik historischer Gesetzmäßigkeiten stellt beispielsweise Lenk gerade Weber als einen ausgesprochenen Vertreter des Nominalismus [3]) vor. Albert (1972c:49, Anm.25) wiftt Weber-Kritikern vor, dass ihr Essentialismus ihnen ein adäquates Weber-Verständnis verstelle. Trifft dasselbe evtl. auch auf Popper zu?!
[1]) „Nachdem bereits Duhem in gewissem Sinn erkannt hatte, dass Theorien die Bedeutungen der in ihnen enthaltenen Begriffe mitbestimmen und diese Bedeutungen andererseits nicht außerhalb der Theorie festgelegt werden können, hat Quine diese Aussage in aller Schärfe formuliert. Sprache und Theorie bilden eine Einheit, sozusagen das Netz, in dem wir die Wirklichkeit einzufangen trachten. Ob sie darin hängen bleibt, stellt sich heraus. Falls das Netz die Wirklichkeit nicht erfasst, werden wir ebenso gut sagen können, unsere Theorie sei falsifiziert, als uns gelänge es nicht mehr, die Welt in unserer Sprache zu beschreiben." (Kamlah 1978a:42)
[2]) "Die Theorie, dass sich zwar die physikalischen Wissenschaften auf einen methodologischen Nominalismus gründen, dass aber in den Sozialwissenschaften essentialistische ('realistische') Methoden angewendet werden müssten, wurde mir im Jahre 1925 von K. Polanyi klargemacht; Polanyi hat damals darauf verwiesen, dass sich durch Aufgeben dieser Theorie möglicherweise eine Reform der Methodologie der Sozialwissenschaften erreichen ließe. - Die Theorie wird in gewissem Ausmaße von den meisten Soziologen vertreten, insbesondere von J. ST. MILL (z. B. in seiner Logik, Bd. VI, Kapitel X, 2; vgl. auch seine historizistischen Formulierungen, z. B. in Bd. VI, Kapitel X, 2, letzter Absatz: "Das Grundproblem ... der Sozialwissenschaft besteht in der Auffindung von Gesetzen, nach denen jeder Zustand der Gesellschaftsordnung einen ihm nachfolgenden Zustand hervorbringt...", K. Marx, Max Weber (vgl. z. B. seine Definitionen 'Soziologische Grundbegriffe', in Wirtschaft und Gesellschaft (...), G. Simmel, A. Vierkandt, R. M. MacIver und vielen anderen. - Der philosophische Ausdruck all dieser Tendenzen findet sich in Husserls 'Phänomenologie', die eine systematische Wiederbelebung des platonischen und aristotelischen methodologischen Essentialismus ist. Im Gegensatz dazu läßt sich die nominalistische Haltung in der Soziologie meiner Ansicht nach nur in Form einer technologischen Theorie sozialer Institutionen entwickeln." Dass die Sozialwissenschaften durch die Einführung des Nominalismus revolutioniert würden, muss wahrlich zugegeben werden, weil dann alle bisher bekannte Sozialwissenschaft in Poppers Sinne "essentialistisch" ist. Leider unterließ Popper jeglichesBeispiel vermissen, wie eine nominalistische Sozialwissenschaft aussieht.
[3]) „Dem Nominalismus des weberschen Verfahrens entspricht die prinzipielle Skepsis gegenüber der Annahme objektiv gegebener sozialer Gesetzmäßigkeiten. Da für ihn jede teleologische Geschichtsdeutung von vornherein hinfällig ist, gelten ihm allgemeine Gesetze als bloße Abstraktionen, die 'uns von der Fülle der Wirklichkeit' abführen. Lediglich im Sinne einer hypothesenbildenden Vorarbeit für empirische Einzeluntersuchungen besitzen sie eine begrenzte Funktion: als Anweisung zur Typenbildung und Konstruktion von Regeln sozialen Handelns, die jedoch nur Wahrscheinlichkeiten darstellen. Weber ist auch hierin Nominalist. Die Funktion sozialwissenschaftlicher Begriffsbildung bleibt auf klassifikatorische und definitorische Bestimmungen verwiesen, während jeder Anspruch, mit Wissenschaftlicher Konstruktion etwas von der Struktur des soziologischen Objekts selber zu vermitteln, als Illusion denunziert wird. Theorie und Abstraktion bleiben danach den wirklichen Vorgängen im sozialen Leben äußerlich." (Lenk 1972a)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen