"Nicht durch die Definition wird die Anwendung eines Begriffes festgelegt, sondern die Verwendung des Begriffes legt das fest, was man seine 'Definition' oder seine 'Bedeutung' nennt. Anders ausgedrückt: Es gibt nur Gebrauchsdefinitionen." (Popper 1994b:366f)
"Die Philosophie bedarf daher überhaupt keiner besonderen Terminologie;..." (Hegel: Wissenschaft der Logik:14)
Popper kennt demnach nur Nominaldefinitionen; diese dienen nur zur Abkürzung, stellen implizite Definitionen dar. Beiderlei Arten von Definitionen machen diese also grundsätzlich überflüssig.
Eine wichtige Funktion von Definition darin besteht, die logische Grammatik (Albert 1972c: 134f) von Begriffen und Urteilen deutlich zu machen. Ein implizites Definieren geht damit einher, dass Bedeutungen grundsätzlich kontextabhängig sind.[1]) Eine leistungsfähige Kommunikation setzt jedoch voraus, dass die Begriffsbedeutungen in deutlicher Beziehung zu einem bestimmten Sinnkontext stehen, im Idealfall "kontextunabhängig" verwendet werden können. Der Nachdruck, der oft auf gute Definitionen oder Explikationen gelegt wird, muss also nicht notwendigerweise die Annahme beinhalten, dass letztere den Endzweck des Erkennens darstellten.
„Pragmatically, a common ontology defines the vocabulary with which queries and assertions are exchanged among agents. Ontological commitments are agreements to use the shared vocabulary in a coherent and consistent manner. The agents sharing a vocabulary need not share a knowledge base; each knows things the other does not, and an agent that commits to an ontology is not required to answer all queries that can be formulated in the shared vocabulary." (Gruber 1993a:2)
Ob und wie man Definitionen für sinnvoll hält, hat also direkt mit Essentialismus im philosophischen Sinne nichts zu tun. Dabei steht das mangelhafte Textverständnis, das Popper bei seinen Lesern bzw. Textbenutzern gefunden hat, in eklatantem Widerspruch zu dem viel gehörten Lob, Popper schreibe einen gut lesbaren Stil. [2])
Insbesondere ist Poppers Position inkonsistent, wenn er Nominaldefinitionen als die einzig brauchbare wissenschaftliche Definitionsmethode anpreist, andererseits den Begriff im Ganzen der Theorie aufgehen lässt.
"Ist die skizzierte Auffassung richtig, dann ist es unmöglich, durch die Definition von Begriffen die Verwendungsart von Sätzen festzulegen. Denn das, was man gewöhnlich die Bedeutung eines Begriffes nennt, wird ja, gerade umgekehrt, durch die Verwendung der Sätze festgelegt, in denen die Begriffe auftreten." (Popper 1994b:368)
Die Begriffe werden nach letzterem durch ihre Verwendung innerhalb des theoretischen Systems definiert. Andererseits setzen gerade die Nominaldefinitionen mit ihrer Ersetzungsmethode kontextfreie Bedeutungen voraus.
Die Lehre vom Definieren ist mitnichten trivial (Stegmüller 1974a). Rickert hat der Definitionslehre eine Abhandlung gewidmet.[3])
Schon die Kompatibilität einer Definition zu vergangenen und künftigen Terminologien bzw. ihre Adäquanz zur Darstellung bestimmter Ontologien gibt eine Menge Probleme auf (Gruber 1993a,b). Jedenfalls verliert damit die Einführung einer Definition diesen Charakter völliger Beliebigkeit, der allzu leicht mit der Behauptung ihrer Konventionalität einhergeht.
„Die Auswahl guter Definitionen, die die Entwicklung eines deduktiven Systems möglich machen werden und neue analytische Implikationen enthüllen, ist eine wissenschaftliche Leistung, die besondere Fähigkeiten erfordert." (Hutchison 1964a:276)
Heutzutage dominiert die Auffassung, wonach Definitionen nicht falsch, sondern nur mehr oder minder adäquat sein können. Demnach behaupten Definitionen nichts, sondern dienen allein der Normierung des Sprachgebrauchs (Hägler 1994a:46,63). Nun ist diese Auffassung aber auch alles andere als eine absolut verbindliche, bis ins Letzte gesicherte Position. Sie steht in Verbindung mit bestimmten logisch-strategischen Zweckmäßigkeitserwägungen und erkenntnistheoretischen Hintergrundannahmen. Wenn diese geändert werden sollten, müssten auch evtl. grundlegende Prämissen der Definitionslehre über den Haufen geworfen werden.
[1]) "Es gibt sogar ein nach allen seinen abgeleiteten Teilen notwendiges, und als notwendig zu erweisendes System der philosophischen Terminologie, vermittelst der regelmässigen Fortschreitung nach den Gesetzen der metaphorischen Bezeichnung transzendentaler Begriffe; bloß ein Grundzeichen als willkürlich vorausgesetzt, da ja notwendig jede Sprache von Willkür ausgeht. Dadurch wird denn die Philosophie, die ihrem Inhalte nach für alle Vernunft gilt, ihrer Bezeichnung nach ganz national; aus dem Innersten der Nation, die diese Sprache redet, herausgegriffen, und wiederum die Sprache derselben bis zur höchsten Bestimmtheit vervollkommnend." (Fichte, Über den Begriff der Wissenschaftslehre:78f)
[2]) "However, faithful to his antidefinitionist stand, Popper never clarified satisfactorily what he meant by 'institution', 'social technology', or 'piece-meal social engineering'. (Other pet expressions of his, such as 'situation', 'historicism', 'indeterminism', and 'world 3', are similarly vague - hence a source of unending scholastic controversy.)" (Bunge 1996a:543) - "By not defining terms, one allows the uncritical consumer to experience a feeling of comprehension since the consumer has inferred his or her own meanings. These are unlikely to be the theorist's intended meanings, however, and so communication has not really taken place at all." (Markovsky 1996a:32)
[3]) Im Vorwort zur 3. Auflage umreißt er die gesamte Problemstellung: „Bringt man die Lehre von der Definition mit den logischen Problemen in Verbindung, die in unseren Tagen viel erörtert werden, dann kann man dabei die umstrittene Frage, in welchem Verhältnis ‘Erfahrung’ und ‘Denken’ zueinander stehen, in den Vordergrund stellen. Jede ausdrücklich zum Bewusstsein gebrachte oder erkannte Wahrheit hat die Form des Urteils, und zu seinem logischen Gehalt gehört notwendig sowohl ein ‘intuitives’ als auch ein ‘diskursives’ Moment. Das eine ist ebenso wenig entbehrlich wie das andere, wenn auch jedes von ihnen aus sehr verschiedenen Gründen vorhanden sein muss. Wir gehen jedenfalls in die Irre, falls wir glauben, wir kämen mit der empirischen Anschauung allein oder mit dem rationalen Denken allein beim Erfassen irgendeiner theoretischen Wahrheit aus. Das ist im Verlauf der Geschichte der Philosophie wiederholt und in überzeugender Weise nachgewiesen worden. und man sollte denken, besonders seit Kant könnte man daran nicht mehr zweifeln. Trotzdem entsteht von Zeit zu Zeit immer wieder die Tendenz, das eine der beiden Wahrheitsmomente auf Kosten des anderen in den Vordergrund zu schieben, und heute neigt man besonders dazu, die Anschauung oder die Intuition ‘phänomenologisch’ zu überschätzen, d.h. zu glauben, es sei möglich, durch bloßes ‘Sehen’ schon eine Wahrheit theoretischer Art zu erfassen. In der nachkantischen Philosophie hat besonders Fries in seiner ‘anthropologischen Kritik der Vernunft’ das ‘unmittelbare Erkennen’ betont, und um seine Bedeutung zu rechtfertigen, das Urteil als etwas logisch Sekundäres dargestellt: es wiederhole nur vor unserem Bewusstsein die andere, unmittelbare Erkenntnis. Derartige intuitionistische Tendenzen scheinen überall dort sich geltend zu machen, wo die Philosophie zur bloßen ‘Anthropologie’ oder zum Beschreiben von ‘Erlebnissen’ zusammenschrumpft. Das Urteil wird dann als der eigentliche Träger der theoretischen Erkenntnis geradezu verdächtig, ja als ‘Tod der Wahrheit’ herabgesetzt. Unter solchen Umständen ist, bei voller Anerkennung des anschaulichen Momentes in jeder Erkenntnis, besonders zu betonen, dass die Anschauung allein zum Erfassen theoretischer Wahrheit nie genügt. In unseren Zeiten tut man vielleicht gut, sich dafür nicht auf einen ‘Logiker’ wie Kant zu berufen, der zu ‘Konstruktionen’ neigte und daher den Freunden der Anschauung von vornherein verdächtig ist, sondern man kann Goethe zitieren, der ganz ‘Augenmensch’ war und das Anschauen in der Wissenschaft so hoch schätzte wie wenige. Auch er hatte bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar besonders bei der Farbenlehre, in der gewiß das Sehen für ihn im Vordergrund stand, bemerkt: ‘Das bloße Anblicken einer Sache kann uns nicht fördern’, und im Zusammenhang damit war er sich darüber klar geworden, ‘dass wir schon bei jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren’. So ist es in der Tat, und die Wissenschaftslehre hat daher die Aufgabe, immer wieder von neuem zu untersuchen, wieweit beim Erkennen einer Wahrheit das bloße ‘Sehen’ reicht, und wo das ‘Theoretisieren’, das sich nicht mehr auf eine reine Anschauung zurückführen lässt, beginnt. Mit diesen Problemen steht auch die vorliegende Arbeit in Verbindung. Sie behandelt die Definition als Begriffsbildung und Begriffszerlegung, und sie sucht zu zeigen, dass der fertige oder ‘definierte’ Begriff nicht etwa logisch früher als das Urteil ist, sondern seinem logischen Gehalt nach als ein Urteilsprodukt verstanden werden muss. Wissenschaftlich durchgeformte Urteile bringen also Gebilde miteinander in Verbindung, die selbst bereits Ergebnisse von Urteilen sind. Hat man das verstanden, so muss von einer besonderen Seite her klar werden, wie wenig es möglich ist, sich beim Erkennen nur auf die Anschauung zu stützen und dann das Urteil, das nie bloße Anschauung sein kann, für sekundär zu halten. So lange man in einem Urteil eine Verbindung von Begriffen als bloßen ‘Vorstellungen’ sieht, mag man freilich glauben, es sei sein für die Erkenntnis wesentlicher Gehalt in den Vorstellungen zu finden, die es aufeinander bezieht, und die Vorstellungen im Urteil kann man dann als anschaulich betrachten. Ja, man wird dann unter dieser Voraussetzung leicht dazu kommen, die Relation der Vorstellungen aufeinander, die mehr als anschaulich sein muss, als etwas für den Wahrheitsgehalt des Urteils Unwesentliches anzusehen und zu glauben, es komme für die Wahrheit im Grunde nur auf die in den Vorstellungen steckenden anschaulichen Faktoren an. Macht man sich dagegen klar, dass die Gebilde, die als Begriffe von Urteilen aufeinander bezogen werden, als definierte Begriffe erst durch Urteile zustande kommen, also weit davon entfernt sind, einen nur vorstellungsmäßigen und damit rein anschaulichen Charakter zu tragen, dann muss die Unentbehrlichkeit des nichtanschaulichen, diskursiven Momentes für jede wissenschaftliche Erkenntnis zutage treten." (Rickert 1929a:VIIff)
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