Wenn aber Nominalismus Kritik an Wortklauberei ist, kann es schon allein deswegen Dialektik nicht berühren, da es dieser um begriffliche Argumentation, genauer: um die Bezugsetzung von Begriffen zu divergierenden unterschiedlichen theoretischen Bedeutungen, d.h. also: nicht um Worte, sondern um Begriffe geht. Poppers Anti-Definitionismus ist hier in derselben misslich-herrlichen Lage wie die des Dialektikers, der vorgeblich sein Denken prinzipiell nicht zu präzisieren vermag: Hätte uns Popper eine präzisere Definition, bzw. Explikation von „Essentialismus" bzw. „Definition" gegeben, könnte die Auseinandersetzung mit seinen Positionen um Einiges ersprießlicher ausfallen. Während Poppers (1992a,b) Essentialismus-Kritik eine Immunisierungsstrategie darstellt, ist sein definitorischer Abgrenzungsversuch von „Wissenschaft", den er in der „Logik der Forschung" zu leisten unternimmt, ein klarer Fall von Essentialismus.
„Man entschloss sich, an gewissen Ideen festzuhalten, komme was da wolle, und das Ergebnis war natürlich das Überleben dieser Ideen." (Feyerabend 1976a:64)
Sogar in Poppers „Logik der Forschung" hat sich der essentialistische Wolf eingeschlichen, im ökonomischen Schafspelz der Österreichischen Schule:
„'Definitionen sind Dogmen, nur die Deduktionen aus ihnen sind Erkenntnisse', sagt Menger, und sicher gilt das für die Definition des Wissenschaftsbegriffes..." (Popper 1984a:27)
Anscheinend handelt es sich bei diesem falschen Zungenschlag um einen Import methodologischer Missverständnisse aus der Ökonomie [1]) in die kritisch-rationale Wissenschaftstheorie. Auch Lakatos (1974a:245) stutzt bei dieser Ableitung neuer Einsichten aus Definitionen, findet jedoch den Gedanken zu unklar, als dass er widerlegt werden könne. Definitionen sind konventionell (so man Poppers Nominalismus folgt) und daher logisch gesehen künstlich fabrizierte Tautologien. Da eine Deduktion nie mehr aus den Prämissen herausholen kann, als in ihnen selbst enthalten ist, werden wir auch keine neuen oder gar empirischen Erkenntnisse durch die Deduktion aus analytischen Prämissen erlangt. Anders gesagt: die abgeleiteten Sätze sind nicht minder tautologisch als die zugrunde gelegten Prämissen. Engels kritisierte dasselbe Verfahren als "aprioristische Methode",
"die Eigenschaften eines Gegenstandes nicht aus dem Gegenstand selbst zu erkennen, sondern sie aus dem Begriff des Gegenstandes beweisend abzuleiten. Erst macht man sich aus dem Gegenstand den Begriff des Gegenstandes; dann dreht man den Spieß um und misst den Gegenstand an seinem Abbild, dem Begriff. Nicht der Begriff soll sich nun nach dem Gegenstand, der Gegenstand soll sich nach dem Begriff richten." (Engels 1970a:89)
[1]) Natürlich kann es sich hierbei nur um die österreichische Schule handeln: Mises, Hayek; vgl. Kauder.
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