Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Anti-Definitionismus

Wenn aber Nominalismus Kritik an Wortklauberei ist, kann es schon allein deswegen Dialek­tik nicht berühren, da es dieser um begriffliche Argumentation, genauer: um die Bezugsetzung von Begriffen zu divergierenden unterschiedlichen theoretischen Bedeutungen, d.h. also: nicht um Worte, sondern um Begriffe geht. Poppers Anti-Definitionismus ist hier in derselben miss­lich-herrlichen Lage wie die des Dialektikers, der vorgeblich sein Denken prinzipiell nicht zu prä­zisie­ren vermag: Hätte uns Popper eine präzisere Definition, bzw. Explikation von Essenti­a­lismus" bzw. Definition" gegeben, könnte die Auseinandersetzung mit seinen Positionen um Einiges er­sprießlicher ausfallen. Während Poppers (1992a,b) Essentialismus-Kritik eine Immu­ni­sierungsstrategie darstellt, ist sein definitorischer Abgrenzungsversuch von Wissenschaft", den er in der „Logik der Forschung" zu leisten unternimmt, ein klarer Fall von Essentialismus.

„Man entschloss sich, an gewissen Ideen festzuhalten, komme was da wolle, und das Ergebnis war natürlich das Überleben dieser Ideen." (Feyerabend 1976a:64)

Sogar in Poppers „Logik der Forschung" hat sich der essentialistische Wolf eingeschlichen, im öko­nomi­schen Schafspelz der Österreichischen Schule:

'Definitionen sind Dogmen, nur die Deduktionen aus ihnen sind Erkennt­nis­se', sagt Menger, und sicher gilt das für die Definition des Wissen­schaftsbe­grif­fes..." (Popper 1984a:27)

Anscheinend handelt es sich bei diesem falschen Zungenschlag um einen Import methodolo­gi­scher Missverständnisse aus der Ökonomie [1]) in die kritisch-rationale Wissenschaftstheorie. Auch Lakatos (1974a:245) stutzt bei dieser Ableitung neuer Einsichten aus Definitionen, findet je­doch den Gedanken zu unklar, als dass er widerlegt werden könne. Definitionen sind konven­tionell (so man Poppers Nominalismus folgt) und daher logisch gesehen künstlich fabrizierte Tau­tologien. Da eine Deduktion nie mehr aus den Prämissen herausholen kann, als in ihnen selbst enthalten ist, werden wir auch keine neuen oder gar empirischen Erkenntnisse durch die Deduktion aus analyti­schen Prämissen erlangt. Anders gesagt: die abgeleiteten Sätze sind nicht minder tautologisch als die zugrunde gelegten Prämissen. Engels kritisierte dasselbe Verfahren als "aprioristi­sche Methode",

"die Eigenschaften eines Gegenstandes nicht aus dem Gegenstand selbst zu er­kennen, sondern sie aus dem Begriff des Gegenstandes beweisend abzulei­ten. Erst macht man sich aus dem Gegenstand den Begriff des Gegenstandes; dann dreht man den Spieß um und misst den Gegenstand an seinem Abbild, dem Begriff. Nicht der Begriff soll sich nun nach dem Gegenstand, der Gegen­stand soll sich nach dem Begriff richten." (Engels 1970a:89)



[1]) Natürlich kann es sich hierbei nur um die österreichische Schule handeln: Mises, Hayek; vgl. Kauder.

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