Insbesondere viele Politiker in den USA sonnen sich in der Gewissheit, dass ihre weltökonomische Rolle auf der Vorzüglichkeit ihrer eigenen Wirtschaftsordnung beruhe, und empfehlen sich daher anderen gerne als Vorbild.
Viele etablierte Ökonomen haben sich in die erste Reihe dieser Prediger (Olson, Giersch) des amerikanischen Modells eingereiht, insbesondere im Hinblick auf das Thema: Flexibilisierung des Arbeitsmarkts.
Es nimmt daher auch wenig wunder, dass derjenige, der die richtige Theorie hat, dazu auch die passenden Fakten [1]) findet und die richtige Wirtschaftspolitik gratis obendrein:
"Indeed, the specter of unemployment that is haunting Europe will not be exorcised unless governments are prepared to undertake major reforms of the institutional setup of the labor market." (Siebert 1997a:53)
Sieberts ökonometrische Untersuchungen sind aus Sicht der USA-Regierung im Prinzip überflüssig, da die Wahrheit längst schon politisch feststeht und die entsprechende Politik [2]) auf den Weg gebracht worden ist. Da zwischen Deutschland und den USA von einer „asymmetrischen Interdependenz" gesprochen werden muss, wird sofort augenfällig, wer hier welche strukturellen Defizite wirkungsvoll zu definieren in der Lage ist.
„In einer Welt hoher Kapitalmobilität, integrierter Güter- und Finanzmärkte sowie wachsender transnationaler Verflechtungen sind weder nationale Institutionen und Strukturen noch internationale Verteilungen von wirtschaftspolitischem Einfluss vor einer Politisierung in der trilateralen Diplomatie geschützt gewesen." (Deutsch 1991a:21)
Eine andere Frage ist jedoch, ob diese ökonomische Machtpolitik als gottgewollte ökonomische Rationalität von Europäern und anderen einfach so hinzunehmen sei.[3])
Ist das US-"Jobwunder" denn wirklich ein leuchtendes Vorbild für die europäischen Volkswirtschaften?
„Well, the poverty rate for children in France is 6%. The poverty rate for children in the United States is 22%. Now, which country do you think cares more about the next generation?" (Faux 1998a)
Doch Deutschland ist schon längst am Aufholen: 42.000 Kinder wachsen mit Sozialhilfe auf. Fast 40 % aller Sozialhilfe-Empfänger sind unter 18 Jahren (TV 24.02.00). Insgesamt lebt in städtischen Bereichen jede dritte 1-Eltern-Familie von Sozialhilfe, stellt der Armutsbericht Rheinland-Pfalz 1998 fest.
Palley kommt zu einer ganz anderen Einschätzung als die offiziell vermittelte neoliberale Ideologie:
"First and foremost, the U. S. model is fool's gold in the sense that, although it has generated relatively more jobs, these jobs have been produced at great cost in terms of income inequity, stagnating wages, and increased income insecurity. (...)
This diagnosis emphasizes microeconomic factors associated with labor market practices and institutions, whereas the real cause of the United States' superior performance concerns macroeconomic policy. (...)
Third, the construction of an opposition between the United States and European models establishes a false dichotomy in which policy makers are forced to choose between either high unemployment with moderate social protections or lower unemployment with low levels of social protection and high income inequality. In fact, both the U. S. and the European models are pathological, and both should be rejected." (Palley 1998a:338)
Palley gibt hierzu folgende Empfehlung:
"Economic policy should aim for full employment with a high degree of social protection and relative income equality. These were the conditions that characterized the Golden Age of 1950-73." (Palley 1998a:339)
Zudem befinden sich jedoch die USA in einer unterschiedlichen konjunkturellen Situation und verfolgen eine andere als in Deutschland gewohnte Geldpolitik [4]).
[1]) "Für die PDS gilt : Zehn Jahre Niedriglohnsektor als Flächenversuch in Ostdeutschland reichen aus, um die neoliberale These von den zu hohen Löhnen zu widerlegen - die nach diesen Annahmen zu erwartende massenhafte Zuwanderung von Arbeitsplätzen (aus Westdeutschland) blieb aus." (Die existierenden Niedriglohnbereiche sind das Problem - für eine positive Weichenstellung durch den Öffentlich geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS). Erklärung des Bundes-Koordinierungsrates der AG Betrieb & Gewerkschaft der PDS vom 8. Januar 2000 in Hamburg angesichts der Vereinbarungen im "Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit",
[2]) „Zum dritten dienten die Gipfeltreffen der Politisierung binnenwirtschaftlicher Strukturen und innenpolitischer Institutionen. Die Regierungen der trilateralen Staaten sahen sich zunehmend der Kritik an solchen Institutionen ausgesetzt, die die internationalen Transaktionen in deutlicher Weise negativ beeinflussten und die internationale Zusammenarbeit somit erschwerten. Man denke hier nur an die Kontroversen über das japanische kleingewerbliche Distributionssystem, das als nationale Markteintrittsbarriere wahrgenommen wurde, oder an die europäische Organisation von Arbeitsmärkten, die von den USA als eine Behinderung internationaler wachstumspolitischer Abstimmung wahrgenommen wurde." (Deutsch 1991a:11)
[3]) „Les arguments d’ordre politique, culturel et moral, qui ont une valeur supérieure, nous conduiraient à repousser cette tentation, cette facilité qu’est <l’américanisation>. Mais n’aborderons même pas, pour la moment, cet aspect politique des choses. Restons sur le terrain de l’analyse strictement économique. Nous y voyons, et c’est essentiell, que l’autonomie n’est pas d’abord une idée morale, c’est d’abord un besoin économique." (Servan-Schreiber 1967a:69f)
[4]) "While we did not develop a full model to explain the rise of unemployment in Europe, the most perfunctory examination of monetary policy would suggests an obvious villain. Even after a recent cut in interest rates, the real short-term interest rate set by the European central bank still stands at more than 1.5%. For much of the last decade, the various European central banks were holding real short-term interest rates in the range of 3.0%-4.0% in order to bring inflation rates down to the levels required by the Maastricht accords. That persistently high real interest rates led to slow economic growth and high unemployment should come as no surprise to macroeconomists. In striking contrast, the Federal Reserve Board, under the leadership of Alan Greenspan, allowed the real interest rate to fall to zero in 1992 and to remain at zero for nearly two full years. This was in response to a much less serious problem of unemployment and excess capacity than is currently confronting Europe. The United States has benefited enormously from the Federal Reserve Board’s willingness to ignore the consensus on NAIRU in the conduct of monetary policy." (Baker, Schmitt 1999a)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen