"... am wenigsten ist es der Logos, was außerhalb der logischen Wissenschaft gelassen werden soll." (Hegel: Wissenschaft der Logik:27)
Die Aufgabe ist gestellt, Hegels Philosophie immanent und transzendent zu kritisieren. Vorbedingung hierzu wäre dann erst einmal, Hegels Problemstellung zu eruieren sowie seine Methoden und Lösungsversuche zu rekonstruieren.
Zentral ist hier Hegels Philosophiebegriff:
· Jede inhaltliche Frage, die erst einmal als bloße Erscheinung aufgenommen wird, muss Philosophie auf das Absolute beziehen!
In dieser Aufgabe liegt für Hegel das Wesen der philosophischen Konstruktion.
„Das ‚Absolute’, begriffen als der formale wie materiale Ursprung aller vernünftigen Formen, in denen die Welt je zur Erscheinung kommt, als die Bedingung der Möglichkeit, dass Vernunft sich empirisch manifestiert,...“ (Adolphi 1989a: 18)
In erster Annäherung kann hier das „Absolute“ als, wenn auch nicht identisch, so doch als funktional-äquivalent mit dem Absoluten im Begriff der absoluten Wahrheit und dem Rationalitätsbegriff bei Popper verständlich gemacht werden. Da hierbei in Gegensatz zu Schelling das Absolute in Beziehung zum Bereich des Empirischen gestellt wird, worin es erscheint, ist die Theorie des Absoluten eher eine Theorie der Spekulation und ihrer Bedingungen. In dieser Problemperspektive unterscheidet sich schon Hegel (1962a) von Schellings Identitätsphilosophie, da mit diesen Bedingungen auch der Aspekt der Geschichtlichkeit hereingenommen wird. Denn das Empirische zeigt sich als Verstandeswissen in der Bildung des Zeitalters. Treten in dieser die Gegensätze für den Verstand unversöhnlich auseinander, ergibt sich erst das Bedürfnis der Philosophie, d.h. die Frage der Beziehung der Bestimmungen des endlichen Wissens auf das Absolute.
Somit gibt es für Hegel in jeder Philosophie sowohl Momente absoluter Wahrheit als auch Momente, die der Bildung des Zeitalters angehören und für ihre Zeit und ihren Autor eigentümlich sind. Wenn Popper also Hegel vorwirft, das Verhältnis zwischen Absolutem und Endlichem bei Hegel bestehe darin: Hegel halte seine eigene Philosophie für absolut wahr, alle anderen jedoch für nur relativ wahr - so ist das nichts als eine kindisch boshafte Unterstellung - eine jedoch, die wie so viele anderen positivistischen Vorurteile auch Habermas [1]) übernommen hat. Um dieses Missverständnis banalster Art bezüglich hegelscher Ansprüche aufzuklären, bringt uns schon die Lektüre der Einleitung Lassons [2]) zur „Enzyklopädie“ weiter.
Damit befindet sich Hegel jedoch (gemeinsam mit Popper) in Gegensatz zu einer „Theorie, welcher der Wahrheit einen Zeitkern zuspricht“ (Horkheimer, Adorno 1998a:ix). Für Hegel bildet Historizität eben nicht den Kern, sondern die Schale. Doch nur beide zusammen machen den Apfel aus.
[1]) "Erkenntnistheoretisch, und das heißt: als eine Kategorie möglicher Erkenntnis lässt sich Wissenschaft nämlich nur begreifen, solange nicht Erkenntnis entweder überschwänglich mit dem absoluten Wissen einer großen Philosophie oder blindlings mit dem szientistischen Selbstverständnis des faktischen Forschungsbetriebs gleichgesetzt wird." (Habermas 1975a:12)
[2]) "Die Wahrheit der Philosophie fand er in ihrer Geschichte. Nicht die einzelnen Systeme, sondern das Ganze, zu dem sich diese Systeme organisch zusammenfügen, bedeutete ihm die Entfaltung der Wahrheit, die das begriffliche Denken aus dem Reichtum der ihm vorliegenden Erfahrung sich vermittelt. Demnach muss eine jede philosophische Arbeit, soweit sie überhaupt auf wissenschaftlichen Charakter Anspruch machen kann, als ein berechtigtes Glied in dem Zusammenhange des philosophischen Denkens anerkannt werden. Und das Mangelhafte an dem einzelnen System ist dann gerade darin zu finden, dass es sich auf einem einzelnen Gesichtspunkt aufbaut und etwa schlechthin gegensätzlich gegen andere Systeme sich verhält. Bei solchen Philosophien, die ernsthaft um die organische Gestaltung des begrifflichen Denkens bemüht sind, erweist sich deshalb auch jeder anfängliche Eindruck von Einseitigkeit, von Beschränkung auf ein Prinzip, das sie für sich allein hätten, als ein bloßer Schein, der wohl durch die noch unvollkommene Art der Darstellung seitens ihres Autors hervorgerufen werden kann. Geht man über diese subjektive Erscheinungsform des Systems auf seine objektive Stellung im Reiche des Gedankens weiter, so sieht man leicht, dass die Natur des Begriffes selbst dazu geholfen hat, die Einseitigkeit der Ausgangspunkte wieder aufzuheben und dem Grundgedanken des Systems eine umfassendere Bedeutung zu verleihen, die es aus seiner Vereinzelung in den lebendigen Zusammenhang mit den anderen Systemen zurückführt." (Lasson 1930b:XIf)
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