Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Hegels Absolutes

"... am wenigsten ist es der Logos, was außerhalb der logischen Wissenschaft ge­lassen werden soll." (Hegel: Wissenschaft der Logik:27)

Die Aufgabe ist gestellt, Hegels Philosophie immanent und transzendent zu kriti­sie­ren. Vorbedin­gung hierzu wäre dann erst einmal, Hegels Problemstellung zu eru­ieren sowie sei­ne Methoden und Lösungs­versuche zu rekonstruieren.

Zentral ist hier Hegels Philoso­phie­be­griff:

· Jede inhaltliche Frage, die erst einmal als bloße Erscheinung aufgenommen wird, muss Phi­lo­sophie auf das Absolute beziehen!

In dieser Aufgabe liegt für Hegel das Wesen der philosophischen Konstruktion.

„Das ‚Absolute’, begriffen als der formale wie materiale Ursprung aller ver­nünf­ti­gen Formen, in denen die Welt je zur Erscheinung kommt, als die Bedingung der Möglichkeit, dass Vernunft sich empirisch manifestiert,...“ (Adolphi 1989a: 18)

In erster Annäherung kann hier das Absolute als, wenn auch nicht identisch, so doch als funk­tio­nal-äquivalent mit dem Absoluten im Begriff der absoluten Wahrheit und dem Rationa­li­tätsbegriff bei Popper verständlich gemacht werden. Da hierbei in Gegensatz zu Schelling das Absolute in Beziehung zum Bereich des Empirischen gestellt wird, worin es erscheint, ist die Theorie des Ab­soluten eher eine Theorie der Spekulation und ihrer Bedingungen. In dieser Problemper­spektive unterscheidet sich schon Hegel (1962a) von Schellings Identitätsphiloso­phie, da mit die­sen Bedingungen auch der Aspekt der Geschichtlichkeit hereingenommen wird. Denn das Empiri­sche zeigt sich als Verstandeswissen in der Bildung des Zeit­alters. Treten in dieser die Gegensätze für den Verstand unversöhnlich auseinan­der, ergibt sich erst das Bedürf­nis der Philosophie, d.h. die Frage der Beziehung der Bestimmungen des endlichen Wissens auf das Absolute.

Somit gibt es für Hegel in jeder Philosophie sowohl Momente absoluter Wahrheit als auch Mo­mente, die der Bildung des Zeitalters angehören und für ihre Zeit und ihren Autor eigentüm­lich sind. Wenn Popper also Hegel vorwirft, das Verhältnis zwischen Absolutem und Endli­chem bei Hegel bestehe darin: Hegel halte seine ei­gene Philosophie für absolut wahr, alle an­de­ren jedoch für nur relativ wahr - so ist das nichts als eine kindisch boshafte Unterstellung - eine jedoch, die wie so viele anderen positivistischen Vorurteile auch Habermas [1]) übernommen hat. Um die­ses Missver­ständnis banalster Art bezüglich hegelscher Ansprüche aufzuklären, bringt uns schon die Lektüre der Einleitung Lassons [2]) zur „Enzyklopädie“ weiter.

Damit befindet sich Hegel jedoch (gemeinsam mit Popper) in Gegensatz zu einer „Theorie, wel­cher der Wahrheit einen Zeitkern zuspricht“ (Horkheimer, Adorno 1998a:ix). Für Hegel bildet Historizität eben nicht den Kern, sondern die Schale. Doch nur beide zusammen machen den Ap­fel aus.



[1]) "Erkenntnistheoretisch, und das heißt: als eine Kategorie möglicher Erkenntnis lässt sich Wis­senschaft nämlich nur begreifen, solange nicht Erkenntnis entweder überschwänglich mit dem absoluten Wissen einer großen Philosophie oder blindlings mit dem szientistischen Selbst­ver­ständ­nis des faktischen Forschungsbetriebs gleichgesetzt wird." (Habermas 1975a:12)

[2]) "Die Wahrheit der Philosophie fand er in ihrer Geschichte. Nicht die einzelnen Systeme, son­dern das Ganze, zu dem sich diese Systeme organisch zusammenfügen, bedeutete ihm die Ent­faltung der Wahrheit, die das begriffliche Denken aus dem Reichtum der ihm vorliegenden Erfah­rung sich vermittelt. Demnach muss eine jede philosophische Arbeit, soweit sie überhaupt auf wis­sen­schaftlichen Charakter Anspruch machen kann, als ein berechtigtes Glied in dem Zusam­men­han­ge des philosophischen Denkens anerkannt werden. Und das Mangelhafte an dem einzelnen Sy­stem ist dann gerade darin zu finden, dass es sich auf einem einzelnen Gesichtspunkt aufbaut und etwa schlechthin gegensätzlich gegen andere Systeme sich verhält. Bei solchen Philosophien, die ernsthaft um die organische Gestaltung des begrifflichen Denkens bemüht sind, erweist sich des­halb auch jeder anfängliche Eindruck von Einseitigkeit, von Beschränkung auf ein Prinzip, das sie für sich allein hätten, als ein bloßer Schein, der wohl durch die noch unvollkommene Art der Dar­stellung seitens ihres Autors hervorgerufen werden kann. Geht man über diese subjektive Er­scheinungsform des Systems auf seine objektive Stellung im Reiche des Gedankens weiter, so sieht man leicht, dass die Natur des Begriffes selbst dazu geholfen hat, die Einseitigkeit der Ausgangs­punk­te wieder aufzuheben und dem Grundgedanken des Systems eine umfassendere Bedeutung zu ver­leihen, die es aus seiner Vereinzelung in den lebendigen Zusammenhang mit den anderen Sy­ste­men zurückführt." (Lasson 1930b:XIf)

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