"Now essentialism is an interesting and worth while doctrine to study, with a glorious history and many adherents. Perhaps it is true that essentialism has a bad name today, so much that in many quarters it is enough to label some view as essentialist and one is thought to have made a devastating criticism of it." (Hattiangadi 1972a:83)
Popper (1979a:20) sieht im Essentialismus: „Was mich immer noch von den meisten zeitgenössischen Philosophen trennt". Es geht hier aber nicht etwa um Ansprüche auf philosophische Originalität, sondern um den Befund, dass sich Popper spätestens seit seinem „ersten philosophischen Misserfolg" in einem Gespräch mit seinem Vater ein Leben lang mit einem Problem herumgeschlagen hat, das ihm anscheinend bis zum Lebensende nicht völlig klar geworden ist. Er ging dabei an gegen den „Versuch, etwas Wichtiges aus der ‘wahren’ Bedeutung von gewissen Worten abzuleiten" [1]):
„Ich erinnere mich, dass ich nach der Diskussion versuchte, mir die Richtlinie, die Maxime, einzuprägen, niemals über Worte und ihre ‘wahre’ Bedeutung zu argumentieren; denn solche Diskussionen sind irreführend und unwichtig." (Popper 1979a:17)
Diese Klugheit ist aber nur sehr oberflächlich, das Problem nur scheinbar einfach. Wenn Popper nicht über Wortbedeutungen streiten will, warum dann über Essentialismus? Was ist der Unterschied, ob jemand etwas aus einer Theorie oder aus einer etablierten Wortbedeutung ableitet? Entscheidet die Quelle über den Wert eines Arguments? Wenn Wissenschaft eine Beziehung rationaler Kommunikation darstellt (also mindestens zwei Menschen erfordert, die miteinander in vernünftiger Weise kommunizieren), so wäre die Verweigerung des Diskurses über die Voraussetzungen des Diskurses nichts weiter als dogmatisch.
Wer so tut, als habe er durch eine unklare oder undeutliche Antworten eine Aufgabe richtig gelöst, mystifiziert damit seine Gesprächspartner. Poppers Abhandlung des Essentialismus stellt eine solche Mystifikation seines Publikums dar. Denn er verwendet Essentialismus als Argument, um 1. der traditionellen Philosophie und Sozialwissenschaften eine unzulängliche Logik zu unterstellen und 2. behauptet, dieser sei eine politische Tendenz zum Totalitarismus eingebaut. Dabei versäumt es Popper aber, begrifflich oder theoretisch hinreichend deutlich zu machen, was er 1. unter „Essentialismus" und 2. unter „Totalitarismus" versteht. Wenn Popper sich weigert, sich an einer Diskussion der Frage zu beteiligen:
Welches ist die „richtige" Bedeutung des Worts X?
so ist das selbstverständlich akzeptabel. Inakzeptabel ist jedoch, dass er mit dieser fast trivialen Frage sehr viele andere vermengt, die er in derselben trivialen Weise damit zu beantworten scheint, tatsächlich aber wieder einmal weit über sein Ziel hinausschießt. Poppers polemisch-ablehnende Haltung gegenüber „Wortklauberei" verhilft dazu, folgende Probleme in einer trivialisierenden Art und Weise herunterzuspielen:
1) Definitionslehre,
2) Universalien-Streit
3) Verhältnis Begriff, Theorie, System, Modell, Sprache
[1]) Popper meint hier wohl an Stelle „Worte" vermutlich „Wörter". Auch der Unterschied zwischen „Wort" und „Begriff" ist hier relevant und außer Acht gelassen.
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