Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Essentialismus und Fundamentalismus

Poppers Essentialismus-Kritik ist voll berechtigt, sofern sie sich gegen das funda­men­tali­sti­sche Begründungsdenken richtet, das häufig mit essentialistischer Begriffslogik ein­her­geht:

„Die Lehre, die ich ‘Essentialismus’ genannt habe, ist die Ansicht, dass die em­pi­rische Wissenschaft letzte Erklärungen in der Form essentieller oder we­sent­li­cher Eigenschaften suchen muss; wenn wir das Verhalten eines Dinges kraft sei­nes We­sens - seiner wesentlichen Eigenschaften - erklären können, dann kann keine weitere Frage gestellt werden und braucht auch keine gestellt zu werden ..." (Popper 1964a:76)

Das war es aber auch schon. Die Verschlingung des Essentialismus mit der Rechtferti­gungs­stra­tegie ist keineswegs logisch zwingend. Zumindest dachte Popper nicht daran, dies nachzu­wei­sen. Zudem: Was steht dem im Wege, eine rechtfertigungsorientierte essentialistische The­o­rie in eine fallibilistische Theorie umzudeuten? de facto geschieht dies bei jedem empirischen Test einer The­orie: denn logische Wahrheiten werden nicht direkt empirisch getestet, sondern da­durch, dass sie im Verein mit empirischen Aussagen konsistente Resultate zeitigen.

Es geht daher nicht an, dass Popper auf Grundlage seiner Essentialismus-Kritik seine Be­griffs­lehre und seine Definitionslehre als die wissenschaftlich allein richtige hinstellt, zu­min­dest solange nicht, bis alle gangbaren Alternativen untersucht und erwogen sind. Wie wir aber eben gesehen haben, trifft seine Kritik nicht den Essentialismus selbst bzw. die Begriffslogik, son­dern aus­schließlich die damit evtl.verknüpfbare Rechtfertigungsstrategie.

Im Übrigen steht Poppers Ablehnung von „Wortklauberei" in Widerspruch zu seiner Kritik der essentialistischen Metaphysik. Wenn Essentialismus eine metaphysische Doktrin bezeich­net, muss er eo ipso mehr als reine Wortklauberei sein. Es findet hier eine Analogie statt zwi­schen Kritik ei­ner Theorie aufgrund von Basisaussagen und der Destruktion eines Begriffs durch Kritik seiner wesentlichen Bedeutung:

Entweder wird deren Denkmöglichkeit oder deren nomologische Möglichkeit (d.h. mögliche Übereinstimmung mit den gegebenen Naturgesetzen) bestritten!

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