Über das Erzählen von Histörchen aus der Perspektive des Kammerdieners [1]) vergisst Popper ganz darauf, dass es in der politischen Philosophie, sofern sie Philosophie und nicht Propaganda sein will, nicht auf private Bekenntnisse ankommt, und seien sie auch noch so publikumswirksam serviert. Sondern auf politische Philosophie, d.h.: systematische Exposition und kritischen Vergleich. Popper vernachlässigt hier, dass es bei den von ihm gewählten Thema ("Vom Essentialismus zum Totalitarismus") nicht um die persönliche politische Motivation eines Theoretikers geht, sondern um Wert und Gehalt von Theorien und Philosophien.
„Hier bemerken wir nur, dass der wissenschaftliche Charakter einer gegebenen analytischen Leistung unabhängig von den Beweggründen ist, um derentwillen sie vollbracht wird.“ - „Es mag manchmal ganz interessant sein, sich die Frage zu stellen, warum ein Mensch sagt, was er sagt; wie die Antwort aber auch ausfallen mag, sie sagt nichts darüber aus, ob das, was er sagt, richtig oder falsch ist.“ (Schumpeter 1965a:40f)
Die logische Scheidung zwischen Entstehungs- und Geltungszusammenhang einer Aussage (Reichenbach) ist zwar nur eine Begriffskonstruktion:
„... questions of truth or validity, not excluding the logical justification of the preference for one theory over another (the only kind of ‘justification’ which I believe possible), must be sharply distinguished from all genetic, historical, and psychological questions.” (Popper 1973a:67)
Sie ist keine „ontische Differenz“; das darf nicht vergessen werden. Es nimmt daher nur wenig wunder, wenn Feyerabend diese Unterscheidung aufgrund seiner Analyse wissenschaftshistorischer Fälle letztlich für praktisch untauglich [2]) und sogar schädlich hält. Das besagt jedoch nur soviel, als dass wir selbst bei einer Analyse von wissenschaftlichem Handeln die begriffliche Scheidung jedes Mal von neuem ziehen und kritisch abwägen müssen. Dies gilt allerdings schlechthin, wenn uns eine erkenntnistheoretisch fundierte Semantik zwingen sollte, die Bedeutung einer Aussage oder der Grad ihrer empirischen Bewährtheit zumindest teilweise mit ihrer Entstehung kausal, methodologisch oder hermeneutisch so in Zusammenhang zu bringen, dass letztere Bedingungen einen Einfluss auf den Geltungsstatus ausüben [3]). gossip ist vielleicht eine gewisse Hilfe, um Sprecher und seine Situation hermeneutisch zu erschließen. Dabei darf es jedoch nicht zum Selbstzweck werden, sich zum Schiedsrichter über das irrelevante Persönliche aufzuwerfen, sondern es kann lediglich um das Hilfsmittel zur Interpretation der fraglichen sachlichen Aussagen gehen.
[1]) „Es gibt keinen Helden für den Kammerdiener; nicht aber weil jener nicht ein Held, sondern weil dieser - der Kammerdiener ist, mit welchem jener nicht als Held, sondern als Essender, Trinkender, sich Kleidender, über-haupt in der Einzelheit des Bedürfnisses und der Vorstellung zu tun hat. So gibt es für das Beurteilen keine Handlung, in welcher es nicht die Seite der Einzelheit der Individualität der allgemeinen Seite der Handlung entgegensetzen und gegen den Handelnden den Kammerdiener der Moralität machen könnte." (Hegel, Phänomenologie des Geistes:724) „Solche Reflexion hält sich an das Subjektive der großen Individuen, als in welchem sie selbst steht, und übersieht in dieser selbstgemachten Eitelkeit das Substantielle derselben; - es ist die Ansicht der psychologischen Kammerdiener, für welche es keine Helden gibt, nicht weil diese keine Helden, sondern weil jene nur die Kammerdiener sind«..." (Hegel, Rechtshilosophie:192)
[2]) „The results obtained so far suggest abolishing the distinction between a context of discovery and a context of justification and disregarding the related distinction between observational terms and theoretical terms. Neither distinction plays a role in scientific practice. Attempts to enforce them would have disastrous consequences." (Feyerabend 1975a)
[3]) vgl. zu Davidsons „unified theory of language and action" Preyer, Roth
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen