Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

08.10.2005

Der Staatsphilosoph

Aus dem Blickwinkel der eigenen „Karriere“ zeichnet Feuerbach diese köstliche Ka­ri­katur [1]) eines „Staatsphilosophen“ mit Pensionsberechtigung. Hieraus erkennt man auch un­schwer, auf­grund welcher historischen Gewitztheit die bayrische Staatsregierung [2]) in unse­ren Tagen noch so an dem Kruzifix­auf­han­gen in den Schulen hängt. Ein einzelnes bayrisches Dorf ohne Kir­che, und, o welch Omen! schon ging Gott und Bayern ein Theo­lo­giestudent ver­lo­ren, dem zu allem Überdruss es sogar noch gelang, manche Preußen von Hegel abzubringen und zum Ma­terialismus zu bekehren.



[1]) „Wie verschieden ist doch mein äußerliches Schicksal von dem der nächst vorangegangenen Phi­loso­phen, wenn anders ich mich als den letzten, untersten, an die äußerste Grenze des Philo­so­phen­tums hinaus­ge­schobenen Phi­losophen diesen öf­fentlich und allgemein anerkannten Gei­stes­he­roen anreihen darf. Wie wenig genierte sie das andere Ich? Ich für mich selbst al­lein - kein Ein­wand, keine Opposition, keine Ahnung eines Andern störte die­se selige Identität. Dass es ein an­de­res Ich noch gebe, das machten sie erst hinterdrein zu­fällig oder durch Klü­gelei ausfindig. Das an­de­re Ich, der Mensch, das Weib, der Leib war vom Staate aner­kannt und versorgt, das Ich des Den­kers brauchte daher nicht an dies andere Ich zu denken, es spiel­te als Pro­fes­sor auf dem vom Hof- oder Universitätsschreinermeister glatt gehobelten, von jeder anstößigen, an das Da­sein eines An­dern schmerz­lich erinnernden Unebenheit gereinigten Katheder die Rolle des absoluten Geistes. In Hegel er­reich­te diese Rolle ih­ren Kulminationspunkt, er ist das realisierte Ideal, das Muster eines deut­schen Professors der Philosophie, ei­nes philosophischen Scholarchen. Der absolute Geist ist nichts anderes als der absolute Professor, der die Philosophie als Amt betreibende, in der Professur seine höchste Seligkeit und Bestimmung findende, den Ka­the­der­stand­punkt zum kos­mo­logischen und welthistorischen, Alles bestimmenden Standpunkt machende Professor. Wie ganz anders ist mein Schick­sal, das mich nicht auf den Schultern der Staatsmacht, nicht auf Kosten Anderer über die Notwendigkeit, an das Dasein eines an­dern Ich außer dem Ich des Denkers zu denken, erho­ben und auf das Katheder der absoluten Philosophie gestellt hat, das mich im Gegenteil in tiefster Niedrigkeit, Verlassenheit und Obskurität, aber eben deswegen auch glück­li­cher Einsamkeit auf ein Dorf, das nicht einmal - o wie ent­setz­lich, wie unheilschwanger - eine Kirche hat, verbannte! Zwei Jahre in Berlin Stu­dent, und 24 Jahre auf einem Dor­fe als Privatdozent!" (Feuerbach 1874a:120)

[2]) Während in Baden-Württemberg eine kopftuchtragende Lehrerin nicht zum Schuldienst zu­ge­lassen wird, kämpft Bayern für ein Gesetz, wonach in jedem Klassenzimmer ein Kruzifix aufzu­hängen ist. "Den Be­son­nenen überrascht es nicht, dass das Bundesverfassungsgericht in Kontinui­tät zu seiner bisherigen Recht­sprechung und ganz im Sinne einer Tradition, die es auch zu bewah­ren gilt, daran festgehalten hat, dass unter dem Titel der Toleranz nicht die Preisgabe von Rechten ei­ner Minderheit erkauft werden kann. Wer für To­le­ranz plädiert, schlägt sich auf die Seite der Schwa­chen und möchte diese vor der Übermacht der Starken be­wah­ren." (Grethlein 1996a) Ist Ba­y­ern in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zurückgekehrt? „But the religi­ous wars which follo­wed the reformation proved that a plural society could only survive if it respected the principles of to­le­ration." (Bell 1965a:122) Auch in puncto Kirchensteuer, theologische Fakultäten und Religi­ons­un­ter­richt ist einiges revisionsbedürftig, sollte für christliche Kirchen und Islam glei­ches Recht gel­ten. War­um eigentlich nicht? - "Alle Religionen seindt gleich und guth, wan nuhr die leute, so sie pro­fesiren, Ehrlige leute seindt, und wen Türken und heihden kämen und wollten das land pöpli­ren, so wollen wir sie Mosqueen und Kirchen bauen." Friedrich II. von Preußen (zit. nach Berbig 1999a:32).- Abgesehen davon, dass es sich bei Religionsfreiheit um ein Menschenrecht han­delt, ist Toleranz auch die bessere, um nicht zu sagen, die einzig vernünftige Politik.- ,„A number of parent respondents suggested that a separate Islamic education system was desperately needed and felt an­guish in certain schools not receiving recognised status - despite repeated attempts." (Ab­bas 1996a) - „Die schreckliche Erfahrung des Bosnien-Krieges hat die Erkenntnis verstärkt, dass Euro­pa mehr ist als nur eine materielle Interessengemeinschaft, es ist eben auch eine Wertege­mein­schaft. Deshalb findet gegenwärtig im Ko­so­vo die Absage an Hun­tingtons These vom clash of ci­vi­li­sa­ti­ons statt. Das sogenannte christliche Abendland kämpft dort für die Men­schen­rech­te eines musli­mi­schen Volkes. Und welche Bedeutung das in unserem Ver­hält­nis zu unseren islamischen Nach­bar­re­gio­nen hat, das darf bei der Analyse des Kosovo-Konfliktes nicht ver­ges­sen werden." Außen­mi­nister Fischer, ZEIT 16/1999, (Huntington 1993a)

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