Definieren ist weder trivial noch eine rein technische Frage - sie ist nicht nur wissensrelevant, sondern geht wie die Frage der Wahl der Sprache mitten hinein ins Feld der Politik, wie die Rede von der "Definitionsmacht" überdeutlich macht.
Poppers (1973a:18) Ontologie ist zu Beginn das formal Darstellbare oder was sich damit kompatibel erweisen lässt - nur später schlägt er eine erkenntnislogische Volte hin zum Platonismus und erklärt Definitionslehre überhaupt für methodologisch irrelevant bzw. für Wortklauberei: „words do not matter, as long as one is not misled by them."
Im Vergleich zur These: Wörter sind das Ziel! stellt Poppers These: Wörter sind unwichtig! eine Überreaktion dar. Ohne Wörter kann man nicht sprechen. Der Ton macht die Musik. Ja, man kann prinzipiell jedes Wort durch ein anderes austauschen. In einem gegebenen Kontext lässt sich dieses Spiel aber auch nur bis zu einer gewissen Grenze praktisch durchführen. Ab einem gewissen Punkt sind wir gebunden, und diese Bindung ist folgenreich für den Diskurs und nur begrenzt reversibel. Popper unterstellt, dass Wörter egal, d.h. neutral seien. Dies kann jedoch nur unter der Voraussetzung gelten: In jeder beliebigen Sprache lässt sich grundsätzlich alles benennen, beschreiben, ausdrücken und argumentieren! Dies dürfte wohl aber kaum zutreffen.
Was wir als primitive Eigenschaften für das darzustellende Gebiet wählen, übt nachhaltige Auswirkungen aus auf die Ausdrucksfähigkeit unseres Wissenssystems.
"The selection of primitive elements for the expression of knowledge in a given domain is a basic problem in all representation schemes, whether the primitives are represented as nodes in a semantic net, predicates in logic formulas, or slots in a frame." (Barr, Feigenbaum 1981a: 148)
Begriffe haben zum Beispiel eine Indexierungsfunktion innerhalb eines semantischen Netzwerks. Die Möglichkeit, sie durch andere, etwas unscharf abgewandelte Begriffe zu ersetzen bzw. zu "überschreiben", ist sowohl ihre Leistungsstärke wie auch Quelle der Störanfälligkeit beim späteren Decodieren. Die Verschlagwortung eines Texts erfüllt bei großen Datenmengen eine wichtige Sortierfunktion, wo es zwischen Orientierungsnutzen und Kosteneffizienz einen trade off gibt. Eine solche Sortierfunktion kann auch durch Personalisierung (d.h. die Daten werden geordnet durch Beziehung etwa auf Autoren oder auf historische Akteure) oder durch chronologische Reihung erfüllt werden.
Die Störanfälligkeit eines solch flexiblen, weil unscharfen Indexsystems, bei welchem nur das leicht oder überhaupt nur zu finden ist, was indexmäßig auch erfasst ist, kann absichtsvoll zu politischen Zwecken beeinträchtigt und verzerrt werden durch "Begriffspolitik". In diesem Falle ist lediglich eine beschränkte Menge an Rohdaten nur über eine bestimmte Indexierung zu erreichen, und diese Indexierung legt eine bestimmte, nämlich die vom Begriffspolitiker beabsichtigte, Dateninterpretation nahe.
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