Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Anti-Essentialismus ist Essentialismus

"Alle diese weitreichenden popperizistischen Konsequenzen (...) schlummerten für mehr als zwanzig Jahrhunderte 'verborgen und unentwickelt' in der We­sens­lehre des Aristoteles." (Popper 1980b:14)

"Obwohl der Popperizismus im Grunde seines Wesens antinaturalistisch ein­gestellt ist, lehnt er die Annahme, dass es in den Me­thoden der Naturwissen­schaften und der Sozialwissenschaften ein gemeinsames Element gibt, keines­wegs ab." (Popper 1987a:29)

„Ich habe versucht, die Bedeutung des Popperizismus als faszinierende gei­sti­ge Struktur aufzuzeigen. Ich habe versucht, seine oft subtile, so überzeugende und so trügerische Logik zu analysieren und nachzuweisen, dass sie an einer inhä­ren­ten und unaufhebbaren Schwäche leidet." (Popper 1987a:XIII)

Hiermit bringt Popper eindeutig zum Ausdruck, dass er den Popperizismus es­sen­ti­a­listisch auf­fasse und dass daher für diesen gelte, was ansonsten für kein ratio­na­les System von Aussa­gen gilt: Er kann nicht durch Kritik verbessert, sondern nur definitiv widerlegt und als ein Krebsgeschwür aus der Wissenschaft entfernt werden. Diese Auffassung möchte ich als den Anti-Essentialismus bei Popper an­se­hen.[1])

Dieser Anti-Essentialismus ist jedoch genau essentialistisch wie der Essenti­alis­mus, wogegen er sich richtet. Er unterscheidet sich nur in der Stoßrichtung, d.h. wie sich ein Auto, das nach links fährt, sich von einem Auto unterscheidet, das nach rechts fährt.

Gegenüber dieser ausdrücklichen Argumentationsführung Poppers verdient fest­ge­halten zu wer­den, dass Poppers Essentialismus-Kritik selbstwidersprüchlich oder doch zumindest ver­worren ist. Am Ende ist Popper (1979a) nämlich so frei, einzu­räu­men, dass er selbst einen mo­di­fizierten" Essentialismus vertrete, da er schon im­mer die These der Gesetzmäßigkeit der Rea­lität verfechte. Diese bislang nicht all­zu deutliche Präferenz Poppers war schon dadurch symp­tomatisch gewor­den, in­dem sich seine Kritik des Essentialismus nicht nominalistisch [2]), son­dern in der Aufführung eines Anti-Essentialismus produziert hatte, der in seiner negativen Fi­xierung auf sein Feindbild diesen begriffslogisch einfach reproduziert


[1]) Er unterscheidet sich damit etwa von Stirners Kritik am philosophischen Unwesen mit dem Wesens-Begriff: Was immer aber einem Menschen wirklich zu eigen sein kann, das gehört ihm we­der wesentlich noch zufällig an, sondern auf ursprüngliche, weil jeweils eigene Weise.“ (Löwith 1958a:382)

[2]) Das übersehen Jarvie u. Shearmur (1996a:447).

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