Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

02.10.2005

Was ist neu an der Globalisierung?

"Es ist dies die sogenannte zivilisierende Wirkung des auswärtigen Handels." (Marx GR:921)

Wurde im 19. Jahrhundert der Erdkreis von den englischen Kolonialherren zivilisiert, erleben heute Europa und die gesamte Welt eine Zivilisierung à la américaine.

Dabei werden die so­zi­alen Strukturen von Raum und Zeit neu geordnet.

Globalisierung vollzieht sich lokal (Berking 1998a). Denn sie findet nicht im superblauen und perwoll-gewaschenen Cyber-Himmel statt, sondern unten auf dem Planeten Erde. Sie ordnet territoriale wie sozio­po­litische Struk­turen neu.

Die Ubiquität des Globalismus [1]), insbesondere als kognitives Schema,zu bezeugen, könn­ten wir Schlimmeres tun, als zum Jahreswechsel 1998/99 dem Oberbürgermeister of the home town of Karl Marx, Mr. Schröer [2]) zu lauschen. Trier liegt nämlich ganz im Trend so­wohl der Republik wie des gesamten „globalen Dorfes".

Der methodo­lo­gi­sche Staatszentrismus [1]), den Marxens „Kapital“ mit der klassischen Ökonomie eines Smith und Ricardo teilt, wird in der neueren Soziologie immer mehr ersetzt durch die globale Perspektive der „Welt­ge­sell­schaft". Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob denn wirklich alles so ganz neu ist, wie es uns heute so gerne dargestellt wird (Nassehi 1998a:155).


[1]) obwohl zu erwähnen ist, dass „Das Kapital" nur ein Fragment der insgesamt von Marx ge­plan­ten Unter­su­chun­gen darstellt, in welcher auch ein eigener Abschnitt über den Weltmarkt ge­plant war (Rosdolsky 1968a). Methodologisch kann „Das Kapital" damit als Fallstudie am engli­schen Modell verstanden werden: "Was ich in diesem Werk zu erforschen habe, ist die kapitalisti­sche Produktionsweise und die ihr entsprechenden Pro­duktions- und Verkehrsverhältnisse. Ihre klassische Stätte ist bis jetzt England. Dies der Grund, warum es zur Haupt­illustration meiner the­oretischen Entwicklung dient. Sollte jedoch der deutsche Leser pharisäisch die Ach­seln zucken über die Zustände der englischen Industrie- und Ackerbauarbeiter oder sich optimistisch dabei be­ru­hi­gen, dass in Deutschland die Sachen noch lange nicht so schlimm stehn, so muss ich ihm zu­rufen: De te fabula narratur!" (MEW 23:12) - Giddens (1971a:188, Anm.10) hält die Entwicklung des englischen Kapitalismus im Gegenteil nicht für typisch, sondern eher für einen Ausnahmefall; hingegen halten die meisten Ökonomen sich berechtigt, vom Modellfall USA auf alle entwickel­ten Natio­nen Schlüsse zu ziehen. Es gibt aber andere Äußerungen Marxens, wo er den öko­no­mi­schen, politischen und philosophischen Entwicklungsvorsprung jeweils auf England, Frankreich und Deutsch­land verteilt sieht (Giddens 1971a:197).




[1]) "Doch da stellt in der Koalition eine Art Gesinnungsgemeinschaft aus Kommunisten, links­katholischen Christdemokraten und Gewerkschaftlern fest, dass das Herz immer noch links schlägt. Und so soll es bleiben, versprechen sie treuherzig, mögen sich die ökonomischen Naturge­setze tunlichst danach rich­ten. Das kann nicht gut gehen, weder in Italien noch anderswo." (Fi­scher 1999b)

[2]) „Die ‘Globalisierung’, ein viel verwandter Begriff zur Kennzeichnung unserer weltumfas­sen­den Vernetzun­gen, hat für uns alle merkliche Auswirkungen. Das gilt auch für die Kommunalpo­litik ’vor Ort’: Da unterhalten ehemals renommierte heimische Firmen in Trier nur noch ‘Zentralen’ - produziert wird irgendwo sonst in der Welt zu günstigen Preisen. Da brechen in Trier Märkte weg, weil andernorts in der Welt wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten kein Bedarf mehr an den hier er­zeugten Pro­duk­ten besteht. Mehr und mehr werden die Entscheidungen des Marktes global ge­troffen. Die Idee und Verpflichtungen einer ‘sozialen’ Marktwirtschaft weichen dem reinen Wett­be­werb. Soziale Schäden aber treffen die Menschen in der Stadt ‘vor Ort’, auch bei uns. In dieser Si­tuation wäre es jedoch kein zukunftsträchtiger Gedanke, die Globalisierung am Ende des zweiten Jahrtausends rückgängig zu machen. Wir müssen im Gegenteil die Herausforderungen, die durch die Globalisierung entstehen, annehmen und aktiv die Voraussetzungen für unsere Wettbewerbs­fä­higkeit verbessern. Dabei stellt sich immer drängender die Frage, ob und wie wir als Stadt für die Menschen in dieser Zeit Haltepunkte, Werte und Orientierung anbieten können. Ich bin sicher: Wir haben im Zeitalter der Globalisierung durchaus die Chance, durch solidarisches Miteinander Verankerung und Sicherheit zu vermitteln. Werte, die global in Unordnung geraten sind, können in unserer unmittelbaren Umgebung - in unserer Heimat - wieder neu zu einem ordnungspolitischen Gerüst aufgebaut werden." (RZ 22.12.98:3)

Keine Kommentare:

Blog-Archiv