Nach Schumpeter (1987a:28) hingegen sind empirische Wissenschaft und Philosophie völlig unabhängig und getrennt voneinander, eine Position, die nicht nur neoklassische Ökonomen, sondern Theologen [1]) wie veritable Marxisten-Leninisten (Kopnin 1970:67) recht angenehm befunden haben. Demgegenüber ist Popper (1984a:XIX) zuzustimmen:
„... ich kann nichts Gutes an dem willkürlichen Vorschlag finden, das Wort ‘Philosophie’ so zu definieren, dass es einen Philosophen daran hindert, in seiner Eigenschaft als Philosoph auch nur einen bescheidenen Beitrag zu unserem Wissen von der Welt zu machen."
Die Kehrseite dieser Chance zur Kooperation zwischen Philosophie und Einzelwissenschaften besteht natürlich darin, dass damit umgekehrt den Einzelwissenschaftlern das Tor zur Kritik an Philosophen und Theologen sperrangelweit aufgestoßen wird. In dieser Problemsituation gründet auch Lenins (1947a) Kritik der Affinität des Positivismus zu reaktionärer, d.h. subjektiv-idealistischer Philosophie: Wer freiwillig, d.h. mit agnostischer Begründung auf mögliche wissenschaftliche Erkenntnis verzichtet, gibt die Bahn frei für irrationales Engagement. Popper [2]) und Albert sind über dieses Argument meist auch nicht viel weiter hinausgekommen. Es blieb jedoch Horkheimer und Adorno überlassen, in demagogischer Manier eine politische Verbindung zwischen Positivismus und Faschismus zu behaupten. Der Vergeltungsschlag erfolgte mit Poppers "Open Society". Wen wundert's noch: der Totalitarismusvorwurf als Kampfmittel philosophischer Schulen. Er ist auch heute noch so beliebt wie die Atmosphäre vergiftend, obwohl auch hier die zu häufige Benutzung zum Verschleiß geführt hat.
Das Problem wurde gestellt, ob es für die Aussagen der Philosophie ein Analogon zu der Wahrheit der Aussagen der empirischen Wissenschaft geben könne. In einem abgeschwächten Sinn wird man dies annehmen dürfen. Metaphysische und empirische Aussagensysteme stehen in einer dialektischen Beziehung wechselseitig möglicher Kritik zueinander. Man wird sagen können, dass ein bestimmtes philosophisches System der Wahrheit vergleichsweise zu konkurrierenden metaphysischen Systemen dann näher kommt, wenn es
1. in der größeren Übereinstimmung (d.h. Nichtwiderspruch) mit den am besten bewährten empirischen Theorien steht und deren Gehalt fruchtbar zu erweitern erlaubt;
2. in der größeren Nichtübereinstimmung mit konkurrierenden metaphysischen Systemen steht, die mit den unter (1) angeführten empirischen Theorien nicht übereinstimmen.
Übereinstimmung einer Metaphysik mit dem erreichten Stand der empirischen Wissenschaften reicht nicht aus und sagt allein genommen sehr wenig. In Richtung auf die Förderung des größtmöglichen Erkenntnisfortschritts kommt es auf die Proliferation von Metaphysik und empirischer Theorie an. Zu diesem Zwecke wäre die Nichtübereinstimmung metaphysischer Programme sogar zu maximieren.
"The greater the gap, the more fruitful the discussion" (Popper 1994a:36)
"And in such a case we should say that the discussion was fruitful if the clash of opinion led the participants to produce new and interesting arguments, even though these arguments are inconclusive."(37)
[1] ) "They mean not to defend science from metaphysics but to prevent science from conflicting with the speculations which are part-and-parcel of their religion (...) The positivism of most scientific positivists, then, is an aggressive pro-science anti-metaphysics attitude, whereas that of religious scientists is their way of separating science and religion so as to keep the peace between them. This clearly does not work, but at least it is not aggressive."(Agassi 1993a:25)
[2] ) « Il y a vingt ans, alors que je commençais l'étude systématique de l'épistémologie de Popper, j'étais encore marxiste. Au fur et à mesure que j'avançais dans la lecture, se découvraient des affinités avec l'oeuvre de Lénine. L'attaque sur le fond contre la ligne Berkeley-Mach. La revendication de la valeur objective de la science, c'est-à-dire de sa portée cognitive. L'idée que la réalité peut être sondée à l'infini (un point sur lequel Lénine insiste beaucoup) et, de là, que les théories scientifiques ne sont jamais conclusives. Et encore : la commune aversion pour le phénoménisme, tellement marquée chez Popper qu'elle le conduit à accepter pour sa propre philosophie la dénomination "d'essentialisme modifié". Non seulement la profession réalisme toujours plus appuyée. Enfin la forte revendication de la théorie de la "vérité comme correspondance" après le célèbre essai de Tarski et l'interprétation (discutable) que Popper en a donnée. » Lucio Colletti, Lénine et Popper,
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