Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Ist aus einer Kontradiktion alles ableitbar?

Poppers Widerlegungsversuch beruht auf der These:

Aus einer Kontra­diktion ist jede belie­bi­ge Aussage ableitbar.

Diese These weist Vetter aber als nicht stich­hal­tig zurück. Denn dabei setzt Pop­per in der Prämisse seines Beweises eine Kontra­diktion als gül­tige Wahr­heit ein:

„Demgegenüber scheint uns die häufig vorgebrachte Begründung für das Prin­zip der Widerspruchsfreiheit, dass nämlich aus p&-p jede beliebige Aus­sa­ge ab­leitbar sei, was einen Kalkül unbrauchbar machen würde, nicht stichhaltig zu sein. (...) Man kann eben nicht eine Kontradiktion als wahre Prämisse vor­aus­set­zen. Eine sich daran anschließende Deduktion nach dem modus ponens wür­de nur besagen: wenn p&-p wahr wäre, dann wäre die beliebige Aussage r wahr. Aber p&-p ist eben notwendig nicht wahr.“ (Vetter 1962a:9)

Demnach ist der Schluss einfach falsch. Nach Poppers Argumentation soll er nicht nur falsch sein, sondern er behauptet: Wenn der Schluss wahr wäre, würde Beliebiges daraus folgen. Da der Schluss aber nach Poppers eigenen Vorausset­zun­gen niemals wahr sein kann, d.h. nach Vetter über­haupt nicht als Prämisse zu­gelassen werden kann, so ist Poppers Schluss eine wenn nicht völlig falsche, dann doch in jedem Fall nutzlose Überlegung.

In der Philoso­phiegeschichte erfuhr das Prinzip der Widerspruchsfreiheit insbe­son­dere durch Aristoteles eine einflussreiche philosophische Grundlegung (Au­ben­que 1961a; Zwergel 1972a). Nikolaus v. Kues war der erste große philoso­phi­sche Kritiker der unumschränkten Anwendungsfähigkeit dieses Prinzips (Otto 1981a: 250). Vet­ter (1962a:84) sucht mit Textstellen zu erweisen, dass Hegel, En­gels und Le­nin im Gegensatz zu Marx, Stalin und Mao Tse-tung das Prinzip des ausge­schlos­senen Wider­spruchs explizit ablehnten. Im Vergleich zu Pop­pers ein­silbigen Verriss der Dialektik liefert Vetter dabei einen Überblick über die ein­schlä­gigen mar­xistischen Autoren sowie eine weiter gehende lo­gi­sche Ana­lyse.[1])



[1]) wie schon Conze (1932a)

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