Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

22.10.2005

Einheitsvernunft oder plurifunktionelle Rationalität?

"(...) gibt es überall wohl ein höheres Prinzip der Entscheidung, wenn über Wahrheit gestritten wird, als die Vernunft"? (Kant XI:311)

Wir haben nicht die Wahl zwischen Rationalität und Irrationalität, sondern ob wir auf eine ge­sunde oder kranke Art rational sein wollen. Dazu müssen wir aber wissen, welche Art von Ra­tionalität vernünftig ist, oder ob das Absurde das letztlich Vernünftigere darstellt.

Rationalität ist notwendig auf die Einhaltung von Regeln oder Kriterien orientiert. Spinners (1994a) Konzept der okkasionellen Rationalität" erscheint gerade aus diesem Grunde angreif­bar. Denn den eigentümlichen Charakter dieser zweiten Vernunftart gelingt es Spinner nicht ty­pologisch plausibel zu machen. Rationalität ohne Kriterien ist ein leerer Dezisionismus und wi­derspricht seinem eigenen Prinzip. Eine Verherrlichung der „Entscheidung an sich" fügt sich dem allgemeinen Kulturverschleiß ein (Adorno 1971a:26), der sich auf puren Dezisionismus noch etwas zugute hält - nur dass derlei Kulturkritik, die fälschlich den Grundsatz voraussetzt, dass die Wirklichkeit als Kultur gewertet werden könne und müsse, letztlich bloß im phrasen­dreschenden Seufzen darüber versinkt, dass die edle Annahme eben doch nicht wahr, demnach falsch sei.

Die Frage steht allerdings, welcher unterschiedlichen Art diese Regeln oder Kriterien sein sollen:

deterministisch,

probabilistisch,

je nach dem Modell eines der Entscheidungsverfahrens, für welches man optiert.

Vielleicht kann in dieser Situation auch eine Prüfung von Lösungsvorschlägen aus der Truhe des Neukantianismus weiterhelfen. Denn bereits der Neukantianismus hatte im Zusammenhang begriffslogischer Untersuchungen das Problem der Wertung des Einzigartigen aufgeworfen, wie das Lask (1914a) gerade im Anschluss an Rickert an der philosophischen Entwicklung von Fichte aufzuweisen unternommen hatte. Dabei prüfte er, in welcher Weise die Logik der Wer­tung singulärer Gebilde („Wertindividualität") sich kategoriell von der Subsumierbarkeit unter generelle Wertkategorien („rationalistische Wertungslogik") unterscheiden ließe:

„Aber historische Erscheinungen, wie etwa einzelne Persönlichkeiten, lassen sich niemals dadurch erschöpfend würdigen, dass nachgeprüft wird, wie weit sie den Satz des Widerspruchs oder den kategorischen Imperativ in sich ver­wirklicht haben. (...) Die Wertung dringt hier nicht in den Kern der Individua­li­tät ein, sondern haftet an einem Teil, an einem Merkmal, das unzähligen Exem­pla­ren derselben Wertungssphäre gemeinsam sein muss. Um dieses Gemeinsa­men, nicht um seiner individuellen Eigenart willen, erhält das Objekt seinen Wert. Es erscheint zwar als ein einzelnes Wertvolles, aber nicht wertvoll in sei­ner Einzigkeit." (Lask 1914a:10f)

Wo der Standpunkt „Individualität, Wirklichkeit, bestimmtes Dasein der Charaktere" (Höl­der­lin 3:255f) ist, muss auch die umgebende Welt aus diesem Standpunkte erscheinen. Lask führt als exem­pla­rischen Gegensatz dafür Kant und Hegel an:

„Beim abstrakten Wertschema wird das Wertexemplar mit dem Wertall­ge­mei­nen, beim hegelschen Verfahren Wertindividualität mit Wertindividualität, näm­lich einzelne Gliedindividualität mit der sie realiter umfassenden Gesamt­in­divi­du­alität in Beziehung gesetzt." (Lask 1914a:13)

Außer einer an Hegel anschließenden Kritik der kantischen formalen Moralität (Werner 1974a) stößt man dann aber bei Lukács auf kollektiven Dezisionismus in Reinkultur:

„Diskussionen konnten eine Lösung nicht hervorbringen. Von beiden Seiten wur­den schon Bände voll von Argumenten zur Beurteilung der Situation ge­schrie­ben. Eine Überzeugung war hier von vornherein unmöglich, weil die tief­ste Quelle der Überzeugung mit keinem Argument erfassbar war: nämlich der einheitliche und entschlossene Wille des Proletariats, die Gewalt an sich zu rei­ßen." (Lukács 1968a:76)

Die Koinzidenz von Dezisionismus und einer politisch willkürlich einsetzbaren Legitima­ti­ons­i­deologie lässt sich hier wie selten fein säuberlich studieren. Wir entgehen diesem Sumpf je­doch nicht, wenn wir nicht über kognitive und/oder wertmäßige Kriterien verfügen, die über das Einmalige der konkreten Entscheidungssituation hinaus verweisen.

Die Frage allerdings ist berechtigt:

Darf Rationalitätstheorie sich auf die Vernunft des Individuums zurückziehen?

Damit wird 1. ein moralisches Problem wie 2. ein Problem individueller Informationsverar­beitungskapazität aufgeworfen.

ad1):
Wenn wir schon unsere Entscheidungen letztlich allein treffen müssen, so steht es uns gut an, sie unseren Mitmenschen gegenüber zu verantworten, sie argumentativ zu begründen. Zudem: Woher nehmen wir denn sonst unsere Kriterien?

ad2):
Wir stehen in realen kausalen und kommunikativem Zusammenhängen mit unseren Mitmen­schen, sind auf deren Unterstützung angewiesen, sogar lebensnotwendig abhängig. Geht es um Interaktionsprozesse zwischen mehreren handelnden Subjekten, ist keiner mehr frei in sei­ner Ent­scheidung. Das intersubjektive Ergebnis ist vom Individuum meist nicht beabsichtigt, zu­min­dest nicht in allen Nebenfolgen; zumeist ist es auch unmöglich für jeden einzelnen Be­tei­lig­ten, dieses vorherzusehen und geplant zu beeinflussen.

Dies sind alles Bedingungen, die eine Rationalitätstheorie nicht vernachlässigen darf und die er­zwingen, bei der Konzeption einer Rationalitätstheorie von vornherein eine Form inter­sub­jek­ti­ver, m.a.W.: kollektiver Rationalität ins Auge zu fassen.

„Jeder von uns denkt seine eigenen Gedanken; die Begriffe aber haben wir mit unseren Mitmenschen gemeinsam." (Toulmin 1978a:49)

Damit scheint Popper (1973a:22) bis zu einem gewissen Grade übereinzu­stim­men, wenn er sagt:

„I do not know of anything more ‘rational’ than a well-conducted critical dis­cus­sion."

1 Kommentar:

pvnam_3 hat gesagt…

«««««« mini---..---spam »»»»»»
ETHNIC SEPARATISM
--- Don't be Idiots!!!
--- The way to go... it isn't 'lick-the-boots' to the Majority of the Europeans!
--- The way to go... it is 'make war' against the White Parasite... i.e., the ETHNIC SEPARATISM:
(... before being too late...)
-1- a space (50%) of Total Competition (i.e., a globalisation space);
-2- another space (50%) of Natural Reserve: for the preservation of Natives Ethnic Identity.
{ see: 50-separatism-50 }


NOTE 1: The Space of Total Competition (50%)... will be for the Europeans (the majority: i.e., White Parasite)... that... want to be in the Parasite-Enjoy ... i.e.:
-1- they claim to enjoy immigrant servile labour at 'price of rain';
-2- they claim to enjoy the existence of persons to pay the retirement pension [ in spite of... they doesn't make a Society where exist Demographic Renewal!!! ]

NOTE 2: The Space of Natural Reserve (50%)... will be for the Europeans (a minority)... whom they intend to be in the Planet - with dignity, courage and determination - fighting for the Survival of his Ethnic Identity.

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