Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

08.02.2007

Transformationsproblem

Das Transformationsproblem bezeichnet innerhalb der Arbeitswerttheorie von Karl Marx die Frage, ob ein konsistentes formales Verfahren angegeben werden kann, das erlaubt, die Arbeitswerte von Waren in Produktionspreise umzurechnen.

Die Problemstellung

Nach dem Wertgesetz werden Waren gemäß ihrem Wert, d.h. der in sie gesteckten gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit ausgetauscht (Das Kapital, Band I):

Warenwert = c + v + m

  • Warenwert = Wert der produzierten Waren
  • c = konstantes Kapital (Abnutzung der eingesetzten Produktionsmittel)
  • v = variables Kapital (Ersatz des Wertes der hierbei aufgewandten Arbeitskraft)
  • m = Mehrwert

In Das Kapital, Band III wird jedoch als zusätzliche Annahme eingeführt, dass die vom Kapitalisten erzielte Profitrate m / (c+v) dazu tendiert, sich über alle Branchen auszugleichen (Tendenz der Bildung einer Durchschnittsprofitrate).
Die unter diesen Bedingungen berechneten Produktionspreise weichen von den so zuvor berechneten Warenwerten systematisch ab.

Das Problem stellt sich wie in ähnlicher Weise schon bei David Ricardo ebenfalls für Karl Marx, nämlich inwieweit die Wertbestimmung gemäß der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit mit der Struktur der relativen Preise bzw. Tauschwerte vereinbart werden kann bzw. inwiefern sie sich in einem konsistenten formalen Verfahren so ableiten lassen, dass die ursprünglich ermittelten Tauschproportionen erhalten bleiben.
In Marxens eigenen Worten:
"Infolge der verschiednen organischen Zusammensetzung der in verschiednen Produktionszweigen angelegten Kapitale; infolge daher des Umstandes, daß je nach dem verschiednen Prozentsatz, den der variable Teil in einem Gesamtkapital von gegebner Größe hat, sehr verschiedne Quanta Arbeit von Kapitalen gleicher Größe in Bewegung gesetzt werden, werden auch sehr verschiedne Quanta Mehrarbeit von ihnen angeeignet oder sehr verschiedne Massen Mehrwert von ihnen produziert. Demgemäß sind die Profitraten, die in verschiednen Produktionszweigen herrschen, ursprünglich sehr verschieden. Diese verschiednen Profitraten werden durch die Konkurrenz zu einer allgemeinen Profitrate ausgeglichen, welche der Durchschnitt aller dieser verschiednen Profitraten ist. Der Profit, der entsprechend dieser allgemeinen Profitrate auf ein Kapital von gegebner Größe fällt, welches immer seine organische Zusammensetzung, heißt der Durchschnittsprofit. Der Preis einer Ware, welcher gleich ist ihrem Kostpreis plus dem im Verhältnis ihrer Umschlagsbedingungen auf sie fallenden Teil des jährlichen Durchschnittsprofits auf das in ihrer Produktion angewandte (nicht bloß das in ihrer Produktion konsumierte) Kapital, ist ihr Produktionspreis."

[Marx: Das Kapital, S. 2862 ff.. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 6171 ff. (vgl. MEW Bd. 25, S. 167 ff.)]

Problemgeschichte

Karl Marx hat die vier Bände von Das Kapital fast in umgekehrter Reihenfolge veröffentlicht als er sie geschrieben hat; nach seinem Tode wurden die verbleibenden Manuskripte von Friedrich Engels herausgegeben. Es ist damit ziemlich abwegig zu unterstellen, Marx wäre sich eines Konsistenzproblems erst während des Arbeitens an Band III bewusst geworden (wie dies bereits Böhm-Bawerk insinuiert hatte).

Herausgeber Engels hat dieses Problem öffentlich zur Diskussion gestellt; das führte im Laufe der Jahrzehnte zu einer regelrechten "Preisrätsel-Literatur".

Erster Höhepunkt war die Kontroverse zwischen Eugen von Böhm-Bawerk und Rudolf Hilferding. Als erster hat Ludwig von Bortkiewicz begonnen, auf die Problemstellung neuere mathematische Methoden anzuwenden. Schließlich hat Paul A. Samuelson sich den formalen Aspekten des so aufgeworfenen Problems angenommen und nachgewiesen, dass es keinen Algorithmus geben könne von Arbeitswerten hin zu Produktionspreisen.

Dieser Nachweis stützt sich wohl gemerkt auf eine rein formale Betrachtungsweise der Problemstellung, d.h. die Konsistenz der Annahmen und der darauf basierenden Berechnungsweisen. Es bleibt indes immer noch dahingestellt bzw. umstritten, welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben im Hinblick auf das Theoriegebäude insgesamt der Marxschen Politischen Ökonomie sowie deren empirischer Erklärungskraft.

Obwohl offensichtlich Marx wie Engels der Lösung dieses Problems gerade auch in seiner formalen Darstellungsform einen hohen Erkenntniswert eingeräumt haben, muss gefragt werden, warum die Arbeitswerttheorie darauf bestehen muss, die Einkommensverteilung (inkl. Erzeugung von Mehrwert) und die relative Preisstruktur in ein und demselben Modell zu erklären. Wie Pierangelo Garegnani nachgewiesen und es sich nicht zuletzt in der Kapitalkontroverse herausgestellt hat, ist die von Paul A. Samuelson als Alternative dazu favorisierte Gleichgewichtstheorie mit ihrer Grenzproduktivitätstheorie weit entfernt davon, die Frage der Wertbestimmung (hier: des Kapitals) gelöst zu haben.

Die Kritiker glauben jedoch hiermit entweder Marx eine grundsätzliche Inkonsistenz im ökonomischen Modelldenken nachgewiesen zu haben, oder zumindest doch dies, dass die Wertrechnung gegenüber der Rechnung in Produktionspreisen völlig überflüssig sei. Hintergrund ist hierbei, dass man hiermit auch die Marxsche Ausbeutungs- und Mehrwerttheorie für erledigt hält.

Literatur

  • Friedrich Eberle, (Hrg.), Aspekte der Marxschen Theorie 1. Zur methodologischen Bedeutung des 3. Bandes des ‘Kapital’, Frankfurt 1973
  • L. von Bortkiewicz, Wertrechnung und Preisrechnung im Marxschen System, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 3, XXIII and XXV, 1906
  • Paul A. Samuelson, Understanding the Marxian Notion of Exploitation: A Summary of the So-Called Transformation Problem Between Marxian Values and Competitive Prices, Journal of Economic Literature, 2, 1971, S. 399 ff.
  • P. Wicksteed, The common sense of political economy, and selected papers and reviews on economic theory, 2 Bde. London 1933
  • Vilfredo Pareto, Marxisme et économie pure, Bd. 9, Oeuvres complètes, Genf 1966
  • V. Dmitriev, Essais économiques esquisse de synthèse organique de la théorie de la valeur-travail et de la théorie de l'utilité marginale, Paris 1968
  • E. Burmeister, A. Dobell, A mathematical theory of economic growth, New York 1970
  • R. Dorfman, P. Samuelson, R. Solow, Linear programming and economic analysis, New York 1958
  • Wassili Leontief, Input-output economics, New York 1966
  • M. Morishima, F. Seton, Aggregation in Leontief Matrices and the Labour Theory of Value, Econometrica, April 1961, S. 203-220

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich meine erstens, dass das Bortkiewicz-System inkonsistent ist und dass man zweitens sehr wohl einen Algorithmus angeben kann, mit dessen Hilfe Arbeitswerte in Produktionspreise umgerechnet werden können. Eine ausführliche Begründung finden Sie in "Die Mär vom Marxschen Tranformationsproblem" unter
http://www.jost-kaschube.de/