Wenn FP die Annahmen, wovon er jeweils ausgeht, als vorläufig unproblematisch dahingestellt sein lässt, so schließt er für Habermas damit die Radikalität des Zweifelns aus.
Hier kann man in der Tat mit Hegel weiterfragen, ob mit dem Vorsatz des radikalen Zweifelns nicht auch schon der Vorsatz des Zweifelns selbst, also die sog. cartesianische Methode bezweifelt werden müsse. Es scheint dann allerdings, dass wir damit nicht zu einem voraussetzungslosen Anfang, sondern zu überhaupt keinem Anfang gelangen, vielmehr der Zweifel ohne einen beträchtlichen Schuss Dogmatismus nie zu seinem Ziel, nämlich einem Anfang gelangen könne.
Der Fehler liegt darin, dass das Prinzip der kritischen Prüfung zu schnell aufgegeben wird. So lässt Popper (1994b) als völlig befriedigend nur immanente Kritik zu. Außerdem darf FP eine RM-Philosophie nicht schon einfach dadurch für widerlegt halten, dass FP RM als letztlich undurchführbar nachweist (durch das Argument des Münchhausen-Trilemma). Durch dieses grundsätzliche Argument ist man nicht schon der Kritik der Einzelthesen der jeweiligen Philosophie enthoben - denn FP darf sich gerade selbst nicht ohne Selbstwidersprüche auf die RM stützen, um mit der Widerlegung der Grundposition auch schon alle abgeleiteten Thesen als widerlegt zu bezeichnen ).
Also muss doch wohl der Fehler in der von Habermas geforderten Radikalität liegen? Dieses Problem des Anfangs , von Hegel selbst schon mehrfach hin- und hergewälzt, stellt sich aber sowohl dem linear verfahrenden Fundamentalismus wie auch der meist zirkulär auftretenden kohärenztheoretischen Variante der Rechtfertigungsstrategie. Freilich könnte eine Kohärenztheorie auch fallibilistisch gedeutet werden, mit der kritischen Prüfung als Vehikel des Fortschreitens. Hegel verglich das didaktische Problem, wie und wo man zu spekulieren beginne, mit dem Problem des Schwimmenlernens auf dem Trockenen. Das Problem weist damit Analogie auf zum hermeneutischen Zirkel. Dass es Leute gibt, die schwimmen bzw. sprechen können, darf als Hinweis gewertet werden, dass praktisch dieses Rätsel irgendwie lösbar sein muss, ebenso wie das berühmte Problem, wieso ein Läufer schneller sei als eine Schildkröte. Das Problem des Schwimmenlernens besteht hauptsächlich darin, die Furcht unterzugehen bzw. die Angst vor dem Wasser zu überwinden. Die Lösung besteht also im Sprung ins Wasser, und zwar dass dieser unter solchen Bedingungen erfolge, dass der Handlungsvollzug nicht durch plötzliche Einwirkung von außen sein abruptes Ende finde. Wo man ins Wasser springt, ist vergleichsweise belanglos (die Stelle muss nur entsprechend tief genug sein). Wichtig ist, dass man sich für eine gewisse Dauer über Wasser hält - ein strömungstechnisch keineswegs triviales Problem. Nun ist zwar wenig darüber bekannt, ob Hegel ein guter Schwimmer war, obzwar er an den Gestanden des Neckar ) aufgewachsen sein soll. Dass Hegel sich aber trotz solch möglicher Einsichten mit der Frage des Anfangens weiterhin herumgeplagt hatte, deutet an, dass er sich von dem Rettungsring der Rechtfertigungsstrategie letzten Endes doch nicht loszureißen vermochte.
4 Kommentare:
"Descartes was perhaps the first to say that everything depends upon the security of our starting-point." (Popper 1973a:35)
Von der universalen Skepsis führt kein Weg zurück. Dies ist, so verstehe ich es, Kants Ansatzpunkt, und es ist schon bei Spinoza da, wenn er Descartes' Zweifel verwirft, indem er sagt: 'Wer weiß, weiß, dass er weiß.' Anders gesagt: wenn einer zweifelt, ob er sieht, was er sieht; hört, was er hört; oder ob er richtig addiert hat, so gibt es keinen radikal anderen Weg, seinen Zweifel zu bestätigen oder zu beseitigen: man kann nur nochmals schauen, nochmals hören, nochmals rechnen oder einen andere bitten, dies zu tun." (Rickman 1974a:110)
"Die Wirklichkeit der Alltagswelt wird als Wirklichkeit hingenommen. Über ihre einfache Präsenz hinaus bedarf sie keiner zusätzlichen Verifizierung. Sie ist einfach da - als selbstverständliche, zwingende Faktizität. Ich weiß, dass sie wirklich ist. Obgleich ich in der Lage bin, ihre Wirklichkeit auch in Frage zu stellen, muss ich solche Zweifel doch abwehren, um in meiner Routinewelt existieren zu können. Diese Ausschaltung des Zweifels ist so zweifelsfrei, dass ich, wenn ich den Zweifel einmal brauche - bei theoretischen oder religiösen Fragen zum Beispiel, eine echte Grenze überschreiten muss. Die Alltagswelt behauptet sich von selbst, und wenn ich ihre Selbstbehauptung anfechten will, muss ich mir dazu einen Stoß versetzen. Die Verwandlung der natürlichen Einstellung in die theoretische des Philosophen oder Wissenschaftlers ist ein Beweis dafür." (Berger, Luckmann 1980a:26)
"Wenn der Wilde aufhört, an seinen hölzernen Gott zu glauben, heißt das nicht, dass es keinen Gott gibt, sondern nur, dass Gott nicht aus Holz ist." (Tolstoj, zit. nach Lüke 1997a)
Methodischer Zweifel
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