Popper, Bd. 2: "Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen"
Fordert P. statt falschen Propheten richtige?!
Ein Prophet bezeichnet eine Person, die im Sinne seines Glaubens eine Botschaft oder Prophezeiung von einem Gott oder Gottheit durch Vision, Audition oder Traum empfängt und den Auftrag erfüllt, diese Botschaft anderen zu überbringen. Das meist (aber nicht immer) vorhandene Selbstverständnis als Prophet beruht auf einem persönlichen Gottesverhältnis.
Das Wort stammt aus der altgriechischen Bibelübersetzung Septuaginta, die um 250 v. Chr. erfolgte. Das hebräische Substantiv נבי (nābī) wird meist mit προφητης (prophētēs), wörtlich "Sprecher/in (einer Gottheit)", übersetzt.
Vielfach herrscht jedoch die Vorstellung, Propheten würden die "Zukunft vorhersagen". Im engeren Sinn beinhaltet Prophetie allerdings die zukunftsgerichtete Warnung und die Verkündigung des Willens einer Gottheit.
http://de.wikipedia.org/wiki/Prophet
Schon das Alte Testament und auch Jesus sprechen vom Auftreten falscher Propheten, deren Auftrag nicht von Gott stammt, die aber große Anhängerschaft gewinnen können. Nach Deuteronomium 18,22 kann man einen falschen Propheten daran erkennen, dass das, was er weissagt, auch nicht eintritt.
Im Konnex der Bibel kann man sie "an ihren Früchten erkennen" (Matthäus 7,15]), was allerdings die Gabe der Unterscheidung von gut und böse voraussetzt (1 Joh. 4,1).
Von der Bibelstelle Mt. 7,15 (Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch wie (harmlose) Schafe, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe) kommt auch die Redewendung Wolf im Schafspelz. Als häufiges Merkmal falscher Propheten wird auch fehlende Bescheidenheit angesehen, denn fast alle biblischen Propheten/innen haben sich zunächst als für die Aufgabe ungeeignet bezeichnet.
Die Unvermeidlichkeit von Geschichtsphilosophie ergeben sich aus der psychologischen Priorität des theoretischen Denkens [William Berkson, John Wettersten, Lernen aus dem Irrtum. Die Bedeutung von Karl Poppers Lerntheorie für die Psychologie und die Philosophie der Wissenschaft. Mit einem Vorwort von Hans Albert, Hamburg 1982] sowie dem damit einhergehenden gesellschaftlich wirksamen Sinngebungszwang:
[M. Rainer Lepsius, Gesellschaftsanalyse und Sinngebungszwang, in: Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, S. 286]
Jede wissenschaftliche Disziplin erfordert insofern eine Binnen- und eine Außenlegitimität. Die Binnenlegitimität bezieht sich auf Wertvorstellungen, die sowohl den Objektbereich einer Wissenschaft betreffen als auch ihre Methoden, sie rechtfertigt die Fragestellung einer Wissenschaft für jene, die solche Wissenschaft betreiben. Die Außenlegitimität hingegen bezieht sich auf Wertvorstellungen, die jenen eine wissenschaftliche Tätigkeit gerechtfertigt erscheinen lassen, die diese weder in ihrer Vorgehensweise noch auch in ihren voraussehbaren Ergebnissen überblicken können. Die Chance für eine autonome Wissenschaft beruht insofern auf dem Aufbau und der gegenseitigen Vermittlung von institutionalisierten Wertvorstellungen für die Rechtfertigung der Wissenschaft nach innen gegenüber denjenigen, die sie betreiben, wie nach außen gegenüber denjenigen, die sie alimentieren und ihre Folgen hinzunehmen befreit sind." (Lepsius, aaO., S. 288)
- Homogenisierung der Wertvorstellungen und der Kriterien ihrer Interpretation, die für die Außen- und Binnenlegitimierung dieser Wissenschaft in Anspruch genommen werden;
- Verminderung des wahrgenommenen Leistungsdefizits zwischen den Erwartungen und den Ergebnissen;
- Abweisung solcher Sinngebungsbedürfnisse, die von der Wissenschaft nach Problemstellung und Methodenwahl nicht erfüllt werden können, und Überweisung ihrer Befriedigung an andere soziale Institutionen.
"Der für die Soziologie in weltanschaulich heterogenen Gesellschaften charakteristische permanente Methodenstreit ist dann Ausdruck eines Kampfes um Durchsetzung oder Anerkennung von Wertpräferenzen, die keine direkte Bedeutung für die einzelne Forschungsaufgabe haben können." (Lepsius, aaO., S. 294)
P. bekämpft Geschichtsphilosophie überhaupt, wobei er übersieht, dass er selbst eine Geschichtsphilosophie, mehr oder weniger explizit, kreiert.
Eine Verbesserung der philosophischen Form ist dabei mitnichten zu erkennen.
Pierre Bayle:
a) unversöhnlicher Gegensatz von Wissen und Glaube
b) Ethik ist unabhängig von Religion
c) Auch Atheisten können ehrliche Leute sein.
"Pierre Bayle bereitete nicht nur dem Materialismus und der Philosophie des gesunden Menschenverstandes ihre Aufnahme in Frankreich durch die skeptische Auflösung der Metaphysik vor. Er kündete die atheistische Gesellschaft, welche bald zu existieren beginnen sollte, durch den Beweis an, daß eine Gesellschaft von lauter Atheisten existieren, daß ein Atheist ein ehrbarer Mensch sein könne, daß sich der Mensch nicht durch den Atheismus, sondern durch den Aberglauben und den Götzendienst herabwürdige."
[Marx/Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik, S. 254 f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 1085 f. (vgl. MEW Bd. 2, S. 134 f.)]
Inwieweit kann Popper zurecht ein "Nachzügler der Aufklärung" genannt werden?
Kritische Philosophie im Sinne von Aufklärung setzte wissenschaftliche Exposition der angesprochenen Problemstellungen voraus;
diese eine Rekonstruktion der Problemgeschichte (Diskurs, Kontroversen), also mittelbar: Hermeneutik/Analytik und Quellenkritik
"Ein sogenanntes wissenschaftliches Fach ist nur ein abgegrenztes und konstruiertes Konglomerat von Problemen und Lösungsversuchen."
[Karl R. Popper, Die Logik der Sozialwissenschaften, KöZfSS 14 (1962), S. 237]
P. s Geschichtsphilosophie verzeichnet bzw. unterschlägt die Problemgeschichte:
Prophet von einem in der Theologie positiv ausgezeichneten Wahrheits-Kriterium verkommen zu einem von der Religionskritik und der anti-theologischen Aufklärung abwertend gebrauchten Kampfbegriff; zuletzt völlig verkehrt auf Marxismus angewandt (Kautsky; Popper, Topitsch, Albert).
Marx ganz eindeutig auf der Seite von Bayle, Aufklärung, L. Feuerbach
zwielichtige Position Hegels (vgl. Haering; nützliche Funktion des Irrtums?!)
die historische Funktion der Massen (Idealismus/Materialismus)
(Marx/Engels, Hlg. Familie) – Kerngedanke des Historischen Materialismus
P. Ideengeschichte mit anekdotischer Soziologie aufgelockert (Bayle: die bei Historikern beliebten Abschweifungen!)
Zur Frage, ob P.s Sozialphilosophie u. Methodologie eine systematische Einheit bilden:
Wichtiger als
die Frage, wie viele Analogien / Disanalogien es zwischen beiden Theorien gibt [Helmut F. Spinner, Popper und die Politik. Rekonstruktion und Kritik der Sozial-, Polit- und Geschichtsphilosophie des kritischen Rationalismus. I. Geschlossenheitsprobleme, Bonn 1978] ,
ist die Frage:
Wendet P. in seiner Sozialphilosophie seine eigene Methodologie konsequent und mustergültig an?
2 Kommentare:
"Wenn man mit Thomas Kuhn davon ausgeht, dass Konversionen in Weltanschauungen auch die neuen Erkenntnisabsichten und Methoden von Wissenschaften bestimmen, so gilt für die Soziologie eine besonders direkte Anfälligkeit gegenüber solchen Konversionen, die sich nicht zur Ausbildung von präzisen Forschungsprogrammen verfestigen, sondern zum Austausch von 'heiligen Büchern', die als solche nur immer neu an die Wirklichkeitserfahrung der Zeit angepasst werden und dadurch vermeintlich eine Bestätigung der jeweiligen weltanschaulichen Konstruktion der Wirklichkeit darstellen. Gesellschaftsanalyse produziert auf diese Weise Sinngebungen mit einem umfassenden Anspruch, der durch ihren Wirklichkeitsgehalt in keinem Fall auch nur annähernd gedeckt werden kann. Tendenziell inflationiert die Soziologie dadurch selbst die öffentlichen Erwartungen, die sich auf sie richten, und vergrößert damit ihr Leistungsdefizit."
Lepsius, Mario Rainer: Interessen, Ideen und Institutionen . - Opladen : Westdt. Verl., 1990, S. 296 f.
Poppers ''Offene Gesellschaft'' ist zu solch einem "heiligen Buch" geworden, was wohl auch nicht ganz neben der Absicht ihres Autors lag.
Popper ist somit selbst zum Propheten und Geschichtsphilosoph geworden; was zumindest zeigt, dass dies nicht bloß auf dem Wortlaut eines Textes oder der Absicht seines Autors beruhen muss, sondern von der Rezeptionsweise des Publikums abhängt (Lepsius: Sinngebungszwang).
"Die Schwäche der einschlägigen Argumentation von seiten neo-marxistischer Theoretiker kann durch ein Ausweichen in weitschweifige, aber systematisch belanglose geistesgeschichtliche Untersuchungen bestenfalls kaschiert werden." (78, > H., Erkenntnis und Interesse)
Albert richtet sich hier gegen Habermas.
Kann man nicht Ähnliches auch von Poppers "Offener Gesellschaft" behaupten?!
Hans Albert, Wissenschaft, Technologie und Politik.
Zur Problematik des Verhältnisses von Erkenntnis und Handeln
in: Konstruktion und Kritik, 2. Aufl. 1975, S. 74 ff.
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