Dies ist der gebündelte Versuch einer Replik auf: Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, was eine Replik darstellte auf: Karl Marx, Das Elend der Philosophie, was eine Replik darstellte auf: Proudhon, Die Philosophie des Elends

11.02.2008

Das Münchhausen-Trilemma

RM, das heißt: die Forderung, alle Aussagen endgültig zu begründen, oder nochmals anders formuliert: voraussetzungslos anzufangen mit der Selbstbegründung des betreffenden Systems 1), ist nicht einzulösen.

Denn RM verrennt sich in der Sackgasse des „Münchhausen-Trilemma" ). Dieses zwingt dazu, zwischen dreierlei Optionen zu wählen, von denen indes keine das zu leisten vermag, was sie leisten sollte:
1. infiniter Regress;
2. logischer Zirkel;
3. willkürlicher Abbruch des Verfahrens.

Das Problem sieht wie zuvor schon Platon 2) und Aristoteles 3) auch Habermas auf ganz ähnliche Weise:
„Erst anhand von zuverlässigen Kriterien der Geltung unserer Urteile können wir prüfen, ob wir unseres Wissens auch gewiss sein dürfen. Allein, wie könnte vor dem Erkennen das Erkenntnisvermögen kritisch untersucht werden, wenn doch auch diese Kritik selber Erkenntnis zu sein beanspruchen muss?" 4)

Der Grundfehler von RM aus Sicht von FP liegt darin, dass der Anspruch auf wahre Erkenntnis mit der Forderung der Sicherheit oder Gewissheit der Wahrheit verbunden wird.

Hinwieder kann ironischer Weise RM schon daraus die Existenzberechtigung ableiten, dass es gerade für konsequenten FP eine Alternative zum FP geben muss, damit überhaupt FP selbst der Kritik unterzogen werden kann. 5)

Denn wie könnte man von Wahrheit reden, wenn es nichts Falsches gibt? „With all messages being equal, there is no message." 6)

Ebeling sucht den Einwand geltend zu machen: Für FP erfülle der Aufweis der Ausweglosigkeit von RM selbst schon die Funktion einer Begründung. 7)

Dem kann man jedoch nicht folgen. Denn dem Trilemma dankt FP lediglich ein bestimmtes Argument, nicht jedoch seine definitive Begründung. Eine letzte Begründung ist definitionsgemäß das Ziel von RM; FP setzt RM lediglich als seine Gegenposition logisch voraus. FP kann sich ganz pragmatisch damit begnügen, Punkte zu sammeln, indem er Fehler aufspürt und ausschaltet. Wenn er auf einem bestimmten Wege nicht von der Stelle kommt, sucht er von Vorschriften und dogmatischem Herkommen möglichst unbelastet, sich dazu einfach etwas Neues einfallen zu lassen.

Hans Albert spricht von "Konstruktion und Kritik". Das dogmatische Denken, selbst wenn man es als vorwissenschaftlich ansehen mag, ist nichtsdestoweniger eine notwendige Vorstufe, die das kritische Denken erst ermöglicht. 8) Denn um etwas kritisch destruieren zu können, muss man überhaupt erst einmal etwas Konstruktives haben. 9) Wer trefflich kritisieren will, ist mit einer guten Dogmatik bestens bedient. Man kann hier natürlich auch von "Dialektik" sprechen.

Da Dogmatismus und geistige Ordnung oft miteinander einhergehen, ließe sich daraus gar ein Argument für die Kanonisierung des Säulenheiligen Popper gewinnen!

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1) "Weil Erkenntnistheorie mit dem Anspruch auf Selbst- und Letztbegründung das Erbe der Ursprungsphilosophie antritt, ist für sie die Strategie des voraussetzungslosen Anfangens unabdingbar." (Jürgen Habermas: Erkenntnis und Interesse. Mit einem neuen Nachwort, Frankfurt 3. Aufl. 1975, S. 16)

2) Hans Albert: Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 4. verb. Aufl. 1980, S. 13 ff.
3) Jürgen Mittelstraß: Platon, in: Otfried Höffe: Klassiker der Philosophie, Erster Band: Von den Vorsokratikern bis David Hume, München 1981, S. 38 ff.

4) Pierre Aubenque: Aristoteles und das Problem der Metaphysik, Zeitschrift für philosophische Forschung, 15, 3, 1961, S 321-333; Otfried Höffe, Aristoteles, in: Otfried Höffe: Klassiker der Philosophie, Erster Band: Von den Vorsokratikern bis David Hume, München 1981, S. 72

5) Jürgen Habermas: Erkenntnis und Interesse. Mit einem neuen Nachwort, Frankfurt 3. Aufl. 1975, S. 14f

6) Helmut F. Spinner: Pluralismus als Erkenntnismodell, Frankfurt 1974

7) Gerald M. Phillips: A NIGHTMARE SCENARIO: LITERACY AND TECHNOLOGY, Interpersonal Computing and Technology: An Electronic Journal for the 21st Century, 1994

8) Gerhard Ebeling: Kritischer Rationalismus?, Tübingen 1973, S. 23 ff.

9) Karl R. Popper: Ausgangspunkte. Meine intellektuelle Entwicklung, Hamburg 1. Aufl. 1979, S. 52

10) Das erklärt recht gut die heutige Unterbeschäftigung der verbeamteten Marx-Töter.

1 Kommentar:

meffo hat gesagt…

Es ist (fast) absolut sicher, dass ich mit absoluter Sicherheit so gut wie nichts weiß.